Hagenau
Hagenau (französisch: Haguenau [agˈno], elsässisch: Hàwenàu) ist eine französische Gemeinde im Nordosten der Region Grand Est (bis 2015 Elsass).
Haguenau | ||
---|---|---|
![]() |
||
Region | Grand Est | |
Département | Bas-Rhin | |
Arrondissement | Haguenau-Wissembourg | |
Kanton | Haguenau | |
Gemeindeverband | Haguenau | |
Koordinaten | 48° 49′ N, 7° 47′ O | |
Höhe | 115–203 m | |
Fläche | 182,59 km² | |
Einwohner | 34.789 (1. Januar 2018) | |
Bevölkerungsdichte | 191 Einw./km² | |
Postleitzahl | 67500 | |
INSEE-Code | 67180 | |
Website | www.ville-haguenau.fr | |
![]() Hagenau vor 1903 |
Mit 34.789 Einwohnern (Stand 1. Januar 2018) ist Hagenau nach Straßburg die zweitgrößte Gemeinde im Département Bas-Rhin, dem historischen Unterelsass. Die Hagenauer Bevölkerung wuchs zwischen 1968 und 2006 von 22.644 auf 34.891 Einwohner an;[1] seit 2006 geht die Bevölkerungszahl jedoch wieder langsam zurück (2009: 34.648).[2] Der Großraum Hagenau (aire urbaine) wuchs im gleichen Zeitraum von 43.904 Einwohnern (1968) auf 64.562 Einwohner (2006).[3]
Das von Kaiser Friedrich Barbarossa zur Reichsstadt erhobene Hagenau fiel durch den Westfälischen Frieden 1648 an Frankreich.
GeographieBearbeiten
Die Gemeinde Hagenau befindet sich rund 25 Kilometer nördlich der Regionshauptstadt Straßburg, ca. 40 Kilometer westlich von Baden-Baden, ungefähr 50 Kilometer südwestlich von Karlsruhe und etwa 75 Kilometer südöstlich der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken auf 145 m ü. NHN. Die an der Moder gelegene Gemeinde ist Hauptort des Arrondissements Haguenau-Wissembourg.
Der die Gemeinde umgebende Heilige Forst (Forêt de Haguenau) ist das größte geschlossene Waldgebiet in der elsässischen Ebene.
GeschichteBearbeiten
Der Heilige oder Hageneuer Forst war Jagdgebiet der Herzöge von Schwaben. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts ließ Herzog Friedrich der Einäugige im Flüsschen Moder eine Wasserburg errichten, die sein Sohn, Kaiser Friedrich I. Barbarossa, zu einer Pfalz ausbaute (siehe Kaiserpfalz Hagenau). Friedrich der Einäugige (1090–1147) stiftete gegen 1140 im Hagenauer Forst das Zisterzienserinnenkloster Koenigsbruck (Königsbrück). 1164 erhob Kaiser Friedrich Barbarossa den von ihm als Residenz sehr geschätzten Ort zur Stadt. Die Pfalz war jahrzehntelang staufischer Regierungssitz, wo Reichstage abgehalten wurden. In der Pfalzkapelle wurden die Reichsinsignien aufbewahrt.
Um 1260 ordnete Rudolf von Habsburg seine Territorien neu und erhob Hagenau zum Sitz der Oberlandvogtei; 1354 wurde die Stadt zum Hauptort des elsässischen Zehnstädtebundes und erlebte bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs eine Blütezeit. Während dieser Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs trafen sich 1540 im Hagenauer Religionsgespräch Fürsten und Theologen, um über Bedingungen einer Koexistenz von Protestanten und Katholiken zu verhandeln.
Infolge des Westfälischen Friedens fiel Hagenau 1648 an Frankreich. Der Zehnstädtebund wollte aber nicht die Privilegien einer Freien Reichsstadt aufgeben und widersetzte sich. Im Rahmen der sogenannten Reunionspolitik ließ Ludwig XIV. in den Jahren 1673 und 1674 die zehn Städte erobern, ihre Befestigungen schleifen und unterstellte sie der französischen Provinzialverwaltung. So wurde auch Hagenau durch die Truppen des französischen Generals Joseph de Montclar niedergebrannt. Die Kaiserpfalz wurde dem Erdboden gleichgemacht (die Trümmer wurden in der Vaubanschen Grenzfestung Fort-Louis verbaut). An der Stelle der vollkommen zerstörten Pfalzanlage entstand 1730 bis 1738 ein Jesuitenkolleg, das 1767 in eine Kaserne umgewandelt wurde und seit 1961 als Altenheim dient. Im Innenhof dieses Maison de Retraite steht seit 2012 eine Stauferstele, die an den früheren Lieblingssitz der Staufer erinnert.[4]
In den Jahren des Friedens zwischen Holländischem Krieg (1672–1679) und Pfälzischem Erbfolgekrieg (1688–1697) entwickelte Montclar eine Baumschule für Obstbäume auf dem Land des Marquis von Uxelles, Nicolas Chalon du Blé, in Kintzheim und Hagenau. Die heute nicht mehr vorhandene Kirche des Klosters Königsbrück war im Jahr 1728 von Peter Thumb errichtet worden; das Kloster bestand bis zur Französischen Revolution. In Hagenau existiert bis heute das Hôtel de Koenigsbruck (Grande-Rue 142). Im Jahr 1846 hatte Hageneu 11.352 Einwohner.[5]
Von 1871 bis 1919 gehörte die Stadt zum deutschen Reichsland Elsaß-Lothringen. Dieses war nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 im Frieden von Frankfurt in das Deutsche Reich eingebunden worden. In diesem war es von 1876 bis 1882 Garnisonstadt des aus Ratzeburg versetzten Lauenburgischen Jäger-Bataillons Nr. 9.[6] Um 1900 hatte Hagenau zwei evangelische und zwei katholische Kirchen, eine Synagoge, ein Gymnasium mit Realschule, ein Museum sowie eine Stadtbibliothek und war Sitz eines Amtsgerichts.[7]
Gegen Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Reichsland 1918 nach dem Waffenstillstand von Compiègne von französischen Truppen kampflos besetzt und kam später durch die Bestimmungen des Versailler Vertrags erneut zu Frankreich.
Von 1940 bis 1945 stand das vom Deutschen Reich besetzte Elsass wieder unter deutscher Zivilverwaltung. Während der letzten deutschen Offensive an der Westfront („Unternehmen Nordwind“) im Januar und Februar 1945 war das zwischenzeitlich bereits von US-amerikanischen Truppen befreite Hagenau Schauplatz schwerer Stellungskämpfe und wurde weitgehend zerstört.
DemographieBearbeiten
Jahr | Einwohnerzahl | Anmerkungen |
---|---|---|
1872 | 11.427 | [8] |
1890 | 14.752 | davon 3891 Evangelische, 10.243 Katholiken, 594 Juden[5] |
1900 | 17.993 | mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 137, ein Dragonerregiment Nr. 15, ein Feldartillerieregiment Nr. 31 und eine Abteilung Feldartillerie Nr. 67), davon 4706 Evangelische, 561 Juden[7] |
1905 | 18.737 | [5] |
1910 | 18.868 | [5] |
1962 | 1968 | 1975 | 1982 | 1990 | 1999 | 2006 | 2017 |
---|---|---|---|---|---|---|---|
20.457 | 22.944 | 25.147 | 26.629 | 27.675 | 32.206 | 34.891 | 34.504 |
SehenswürdigkeitenBearbeiten
- Musée historique de Haguenau, größtes Museum des Départements Bas-Rhin außerhalb Straßburgs
- Musée alsacien de Haguenau, untergebracht im spätgotischen Gebäude der ehemaligen Kanzlei
- Musée du bagage, europaweit einzigartiges Gepäckmuseum
- Romanische und gotische Kirche Saint-Georges
- Gotische Kirche Saint-Nicolas mit barocker Ausstattung
- Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung: Porte de Wissembourg, Tour des Pêcheurs, Tour des Chevaliers
- Brunnen: Georgenbrunnen (Mittelalter), Bienenbrunnen (18. Jahrhundert), Delphinbrunnen (1825)
- Klassizistische Synagoge (1820, 1940 durch die Nazis zerstört, 1959 wiederaufgebaut)
- Klassizistisches Theater (1842–1846)
- Historistische Hopfenhalle (1867, erweitert 1881 und 1908)
- Alte Wassermühle
- Spätmittelalterliche Ancienne douane (Altes Zollhaus)
- Barocke Bürgerhäuser (18. Jahrhundert)
- Stauferstele an der Stätte der zerstörten Kaiserpfalz im Innenhof des Maison de Retraite in der Rue du Château 1. Die 2006 eingeweihte Stele stand ursprünglich in der Rue de la Moder 4b und wurde 2012 an die neue, historisch authentischere Stelle umgesetzt, die eigentlich von Anfang an geplant war.[9]
Im Ortsteil Marienthal befindet sich eine Wallfahrtskirche, die ehemalige Klosterkirche des Klosters Marienthal.
Elsässisches Museum (Ehemalige Kanzlei)
Stauferstele im Innenhof des Maison de Retraite
Wirtschaft und InfrastrukturBearbeiten
VerkehrBearbeiten
Hagenau liegt an der Bahnstrecke Vendenheim–Wissembourg sowie an der Bahnstrecke Haguenau–Falck-Hargarten, letztere wird nur noch bis Niederbronn, von Hagenau aus, befahren. Weiterhin durchläuft die Stadt in Nord-Süd-Richtung die Departementsstraße 263 (ehemalige Nationalstraße 63), welche die Achse Straßburg–Wissembourg(–Weinheim via B 38) bildet. Von dieser zweigt im Stadtzentrum Richtung Westen die Departementsstraße 1062 (ehemalige Nationalstraße 62) ab, die über Bitsch an die deutsche Grenze nach Zweibrücken führt. Der Flugplatz Haguenau dient dem allgemeinen Luftverkehr.
BildungBearbeiten
In Hagenau befindet sich seit 2006 eine Außenstelle der Universität Straßburg, das Institut universitaire de technologie de Haguenau.
Das Stadtarchiv ist im Gebäude des Historischen Museums untergebracht.
StädtepartnerschaftBearbeiten
Mit Landau in der Pfalz (Rheinland-Pfalz) wird seit 1963 eine Städtepartnerschaft gepflegt.
PersönlichkeitenBearbeiten
Söhne und Töchter der StadtBearbeiten
- Josel von Rosheim (1476–1554), Rechtsgelehrter
- Wolfgang Capito (1478–1541), Reformator
- Heinrich Gran (tätig 1489–1527), Drucker
- Josias Rihel der Ältere (1525–1597), Buchdrucker in Straßburg von 1557 bis 1597
- Caspar Bitsch (1579–1636), Rechtsgelehrter
- Philipp Friedrich Böddecker (1607–1683), Komponist und Organist
- Xaver Joseph Nessel (1834–1918), Bürgermeister von 1870 bis 1902, Archäologe
- Léon Cahun (1841–1900), Schriftsteller und Orientalist
- Louis Eisenmann (1869–1937), Slawist und Historiker
- Georg Clemens Müller (1875–1920), Arzt, Abgeordneter des Landtags des Reichslandes Elsaß-Lothringen für das Zentrum
- Fritz Schmiege (1880–1974), Jurist und Landrat zur Zeit des Nationalsozialismus
- Karl Gengler (1886–1974), Politiker, Landtagsabgeordneter
- Eduard Schott (1886–1952), deutscher Mediziner
- Eduard Stadtler (1886–1945), Reichstagsabgeordneter
- Johannes Stroux (1886–1954), Philologe, Althistoriker
- Paulus Volk (1889–1976), Kirchenhistoriker
- Paul Senge (1890–1913), Flugzeugpionier
- Kurt von Westernhagen (1891–1945), Offizier
- Peter Stühlen (1900–1982), Schriftsteller
- Alfred von Beckerath (1901–1978), Komponist und Dirigent
- Werner Barkholt (1902–1942), katholischer Geistlicher und Märtyrer
- Lucien Sittler (1905–1987), Schriftsteller, Historiker, Stadtarchivar von Colmar
- Bruno-Augustin Hippel (1907–1970), katholischer Bischof von Oudtshoorn
- Richard Gehenn (1916–nach 1962), Geologe
- Pierre Seel (1923–2005), KZ-Überlebender
- Marie-Louise Roth (1926–2014), Literaturwissenschaftlerin
- Marcel Loeffler (* 1956), Jazzmusiker
- Anne Sander (* 1973), französische Politikerin
- Sébastien Loeb (* 1974), Rallyefahrer und Ritter der Ehrenlegion
- Laurent Witz (* 1975), Animator und Filmproduzent
- Isabelle Grussenmeyer (* 1979), Liedermacherin
- Stéphane Besle (* 1984), Fußballspieler
- Albano Olivetti (* 1991), Tennisspieler
- Serdar Gürler (* 1991), Fußballspieler
- Baptiste Mischler (* 1997), Leichtathlet
Mit der Stadt verbundene PersonenBearbeiten
- Heinrich von Hailfingen der Unbezunte war 1337–1340 Schultheiß von Hagenau und 1348 dort Vogt.
- Blanca von England (1392–1409), englische Prinzessin und durch Heirat von Ludwig III. (Pfalz), Pfalzgräfin bei Rhein. Sie starb am 22. Mai 1409 in Hagenau und wurde in feierlichem Zug nach Neustadt an der Weinstraße überführt, wo sie in der dortigen Stiftskirche ruht.
- Diebold Lauber (vor 1427–nach 1471), Verleger
- Diebold Schilling der Jüngere (vor 1460–1515 (?)), Chronist
- Joseph Guerber (1824–1909), Schriftsteller und Journalist, Vikar in Hagenau
- Alfred Döblin (1878–1957), deutscher Schriftsteller, von 1917 bis 1919 als Militärarzt in Hagenau stationiert[10]
- Elek Schwartz (1908–2000), rumänischer Fußballspieler und -trainer
LiteraturBearbeiten
- Le Patrimoine des Communes du Bas-Rhin. Flohic Editions, Band 1, Charenton-le-Pont 1999, ISBN 2-84234-055-8, S. 431–463.
- Adam Walther Strobel und Heinrich Engelhardt: Vaterländische Geschichte des Elsasses von der frühesten Zeit bis zur Revolution 1789, fortgesetzt von der Revolution 1789 bis 1813.
- Band 1. Zweite Ausgabe. Straßburg 1851 (E-Kopie).
- Band 2, Straßburg 1842 (E-Kopie)
- Band 3, Straßburg 1843 (E-Kopie), 2. Auflage, fortgesetzt von der Revolution von 1789 bis 1815, von L. Heinrich Engelhardt, Straßburg 1851 (E-Kopie)
- Band 4, Straßburg 1844 (E-Kopie).
- Band 5. Zweite Ausgabe. Straßburg 1851 (E-Kopie).
- Band 6. Zweite Ausgabe. Straßburg 1851 (E-Kopie).
WeblinksBearbeiten
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ Commune : Haguenau (67180) (Memento des Originals vom 29. April 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , recensement.insee.fr.
- ↑ Commune : Haguenau (67180). (Memento des Originals vom 29. April 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Résultats du recensement de la population – 2009.
- ↑ Aire urbaine 1999 : Haguenau (121) (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , recensement insee.fr.
- ↑ Haguenau 2006 auf stauferstelen.net. Abgerufen am 23. März 2014.
- ↑ a b c d M. Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. (Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006)
- ↑ Siegfried von Ziegner: Geschichte des Lauenburgischen Jäger-Bataillon Nr. 9. 1902.
- ↑ a b Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 8, Leipzig/Wien 1907, S. 618 (Zeno.org)
- ↑ Vollständiges geographisch-topographisch-statistisches Orts-Lexikon von Elsass-Lothringen. Enthaltend: die Städte, Flecken, Dörfer, Schlösser, Gemeinden, Weiler, Berg- und Hüttenwerke, Höfe, Mühlen, Ruinen, Mineralquellen u. s. w. mit Angabe der geographischen Lage, Fabrik-, Industrie- u. sonstigen Gewerbethätigkeit, der Post-, Eisenbahn- u. Telegraphen-Stationen u. geschichtlichen Notizen etc. Nach amtlichen Quellen bearbeitet von H. Rudolph. Louis Zander, Leipzig 1872, Sp. 21 (online)
- ↑ Peter Koblank: Die verschwundene Königspfalz von Haguenau. Auf den Spuren einer staufischen Wasserburg im Elsass. Abgerufen am 13. Dezember 2013.
- ↑ Alfred Döblin: „Meine Adresse ist: Saargemünd“. Spurensuche in einer Grenzregion. Gollenstein, Merzig 2010, ISBN 978-3-938823-55-2, S. 82–86, 306–307. Diese Zeit hat Döblin auch literarisch verarbeitet in: November 1918. Eine deutsche Revolution. Erzählwerk in drei Teilen. Teil 1. Bürger und Soldaten. Zuerst erschienen 1949/50; aktuelle Ausgabe: S.Fischer, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-530-16700-2.