Talbot (Automarke)

französische Automarke

Talbot war eine von 1979 bis 1993 bestehende französische Automarke des Konzerns PSA Peugeot Citroën in der Tradition des bis 1959 bestehenden Unternehmens Automobiles Talbot.

Talbot-Logo

Ursprung Bearbeiten

Das 1934 gegründete Unternehmen Simca hatte 1959 den französischen Sportwagenhersteller Automobiles Talbot und damit auch den Markennamen Talbot gekauft. Simca (und im Zusammenhang damit auch die französische Talbot-Tradition) wurde später vom US-amerikanischen Konzern Chrysler übernommen. Parallel dazu existierte in Großbritannien die auf Clement Talbot zurückgehende Marke Talbot, die seit den 1930er-Jahren zur dortigen Rootes-Gruppe gehörte. Auch dieser Konzern wurde in den 1960er-Jahren von Chrysler übernommen. Aus Simca und Rootes entstand letztlich Chrysler Europe mit Standbeinen im französischen Poissy und im britischen London.

Chrysler Europe war Inhaber der Rechte am Namen Talbot, nutzte ihn aber in den 1960er- und 1970er-Jahren nicht.

Talbot (PSA) Bearbeiten

Geschichte der PSA-Marke Talbot Bearbeiten

Aus der mehrheitlichen Übernahme Citroëns durch Peugeot 1974 entstand im Jahr 1976 der PSA-Konzern. Im Sommer 1978 übernahm PSA zudem noch Chrysler Europe mit allen französischen und britischen Linien, wodurch das Unternehmen zum größten Automobilkonzern Europas wurde. Im Sommer 1979 erhielten die Chrysler-Filialen den Namen Talbot. Die unter Chrysler entwickelten Pkw-Modelle wurden nach der Übernahme durch PSA unter dem Namen Talbot bzw. Talbot-Simca (bis Anfang 1980) weitergebaut, Matra-Modelle unter dem Markennamen Talbot-Matra (bis 1984) und der von Chrysler entwickelte Sunbeam unter dem Modellnamen Talbot Sunbeam weitergeführt. Unter dem Dach des PSA-Konzerns waren somit zu diesem Zeitpunkt drei französische Automarken mit großer Geschichte vereint.

Unterdessen entwickelte sich die Übernahme der europäischen Chrysler-Werke in Frankreich, Spanien und Großbritannien für PSA zu einer harten wirtschaftlichen Prüfung. 1980 schrieb der Konzern einen Verlust von 1,5 Milliarden Franc, worauf im April 1981 die Produktion der in Großbritannien gebauten Modelle Sunbeam und Avenger eingestellt wurde.

Im Herbst 1980 übernahm Peugeot die Talbot-Organisation und beide Unternehmen beschlossen rückwirkend zum 1. Januar 1980 ihre Fusion. Peugeot musste weitere wirtschaftliche Probleme bewältigen. Für 1982 beispielsweise wies Peugeot einen Verlust von über zwei Milliarden Franc aus. PSA verkaufte seine Anteile an Matra an Renault. Die Produktion der Matra-Modelle Rancho und Murena wurde bis Anfang 1984 eingestellt, um bei Matra stattdessen den Renault Espace I zu produzieren.

Die wirtschaftliche Situation Talbots verschlechterte sich in den 1980ern kontinuierlich. Ab 1983 wurde öffentlich eine Insolvenz Talbots diskutiert. Um nicht für Talbots Verbindlichkeiten haftbar gemacht zu werden, gliederte PSA 1984 die Gesellschaft Talbot wieder aus. PSA entschied, die Marke Talbot zugunsten der Entwicklung neuer Peugeot-Modelle endgültig einzustellen, was das Aus der Marke Talbot bedeutete. Aus den bereits produzierten Teilebeständen wurden noch bis Anfang 1987 in den Werken Talbot-Fahrzeuge produziert und verkauft. Bereits im Juni 1986 endete der Talbot-Verkauf sowohl in Deutschland als auch in Frankreich; in Großbritannien hielt sich die Marke im Nutzfahrzeugbereich noch bis 1993. Ende 1993 wurden bei allen Filialen und Vertragshändlern die Talbot-Schilder entfernt.

In den späten 2000er Jahren erwog PSA eine Wiedereinführung des Markennamens Talbot für eine Reihe von Niedrigpreis-Modellen, die mit Renaults Dacia Logan konkurrieren sollten.[1] Tatsächlich wurden diese dann jedoch unter den Namen Citroen C-Elysée und Peugeot 301 realisiert.

Modelle der PSA-Marke Talbot Bearbeiten

1979 erhielten alle Modelle, die bis dahin in Europa als Chrysler bzw. als Simca verkauft worden waren, die Markenbezeichnung Talbot.

Aus dem französischen Simca 1100 wurde der Talbot bzw. Talbot-Simca 1100; gleiches galt für das Kompaktmodelle Horizon, die Schräghecklimousinen der Baureihe Chrysler C6 und die große 1610-Limousine. Das erste originär als Talbot eingeführte Modell war der Talbot Solara, eine Stufenheckversion des C6, danach folgten der von einem Peugeot-Modell abgeleitete Kleinwagen Samba und die neu entwickelte Limousine Tagora.

Entsprechend verfuhr PSA mit den in Großbritannien verkauften Modellen der dortigen Chrysler-Linie, die wenig Bezug zu den kontinentaleuropäischen Autos hatten und vielfach noch auf Rootes-Konstruktionen aus den 1960er-Jahren zurückgingen. Talbot übernahm die veralteten Modelle Avenger, Hunter und Sunbeam und verkaufte sie ab 1979 als Talbot. Im Gegensatz zu den französischen Modellen gab es für diese Baureihen keine in Großbritannien entwickelten Nachfolger.

 
Als Talbot Arizona entwickelt: Peugeot 309

Das letzte von Talbot selbst entwickelte Fahrzeug war das Projekt C35, das den Horizon ersetzen und als Talbot Arizona vermarktet werden sollte. Talbot entwickelte das Auto fast bis zur Serienreife. Vor der Markteinführung stellte PSA aber die Marke Talbot im PKW-Bereich ein. Der C35 erschien im Oktober 1985 stattdessen als Peugeot 309.[2]

Ende der 1980er Jahre prüfte Peugeot, ob der mit Fiat gemeinsam unter dem Projektnamen Eurovan entwickelte Minivan als Talbot verkauft werden sollte. Das Auto kam letztendlich Mitte 1994 aber als Peugeot 806 bzw. Citroën Evasion auf den Markt.[3]

Galerie französische Talbot-Modelle
Galerie britische Talbot-Modelle

Talbot im Motorsport Bearbeiten

Bereits kurz nach der Wiederbelebung der Marke engagierte sich Talbot aus Werbegründen werksseitig im Motorsport. Verantwortlicher Manager war Jochen Neerpasch, der seit 1972 für die bayerische BMW M GmbH tätig gewesen war. Neerpasch wurde bei Talbot zum Directeur Général Competitive ernannt. Er organisierte kurzfristig ein erfolgreiches Rallye-Engagement und projektierte eine Beteiligung in der Formel 1, die nicht im gewünschten Umfang zustande kam.

Rallye Bearbeiten

 
Talbot Sunbeam Lotus

1980 und 1981 unterhielt Talbot ein Werksteam, das mit dem in Großbritannien gebauten Talbot Sunbeam Lotus an der Rallye-Weltmeisterschaft teilnahm. Henri Toivonen, Guy Fréquelin und Stig Blomqvist siegten bei einzelnen Veranstaltungen und gewannen 1981 die Markenwertung für Talbot.

Formel 1 Bearbeiten

 
Talbot in der Formel 1: Sponsor der Équipe Ligier (JS17B von 1981)

Von Beginn an plante Talbot eine Beteiligung an der Formel-1-Weltmeisterschaft. PSA wollte in diesem Bereich mit Renault konkurrieren, das sich seit 1977 erfolgreich mit einem Werksteam im Grand-Prix-Sport engagierte. Neerpasch war ausdrücklich mit dieser Zielrichtung verpflichtet worden. Sein ehemaliger Arbeitgeber BMW hatte unter der Leitung von Paul Rosche in den späten 1970er-Jahren einen Vierzylinder-Turbomotor entwickelt, der geeignet war, in der Formel 1 eingesetzt zu werden. Als sich BMW 1979 gegen ein Formel-1-Engagement entschied, erwog Neerpasch, den fertig konstruierten Motor zu PSA mitzunehmen und ihn als Talbot-Motor an den Start zu bringen. Anfänglich zeigten die BMW-Manager Zustimmung zu diesem Schritt; auf Intervention Paul Rosches verweigerten sie aber 1980 den Technologietransfer.[4] Das Triebwerk wurde schließlich als BMW12 ab der Formel-1-Saison 1982 bei Brabham eingesetzt.

Talbots Formel-1-Engagement erfolgte in Zusammenarbeit mit dem 1976 gegründeten französischen Rennstall Équipe Ligier. 1981 und 1982 trat das Team unter der Bezeichnung Équipe Talbot Gitanes an. Die Autos hießen Talbot Ligier. Sie fuhren mit einem Zwölfzylinder-Saugmotor von Matra, der auf eine Konstruktion von 1968 zurückging und den PSA zusammen mit Chrysler France übernommen hatte. Die Verbindung war nicht erfolgreich; sie endete nach zwei Jahren.

Zeitleiste Bearbeiten

Zeitleiste der Clement Talbot/Automobiles Talbot/Talbot (PSA)/Chrysler Europe/Simca/Rootes/Matra-Modelle von 1945 bis 1986
Typ SIMCA bis 1957,
Rootes Group bis 1967 unabhängig
Einstieg von Chrysler, Bildung von Chrysler Europe Ab Ende 1978 Teil von PSA (Peugeot)
40er 50er 60er 70er 80er
5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kleinwagen Imp / Imp Californian / Husky4 Sunbeam5 Sunbeam5
Chamois4
Stiletto4
5 / 6 1000/900/1005/1006 Samba8
Kompaktklasse Avenger5 Avenger5 Avenger5
8 / 8/1200 11007 11007
Horizon7 Horizon7 Horizon7 Arizona
Mittelklasse Minx (Mk I-Mk VII) / Husky Mk I Minx / Husky (SI-SIII)1 Minx / Super Minx / Husky2 New Minx / Hunter3 Hunter3 Hunter3
SM 1500 Hunter Gazelle1 Gazelle / Vogue2 New Gazelle/Vogue3
Ten/2L 80/90 (MkI) 90 (MkII) Mk III Rapier (SI–V)1 New Rapier / Rapier H1203
Sceptre I+II2 New Sceptre3 Solara6 Solara (GB: Minx / Rapier)6
Hawk (Mk I–III) Hawk (Mk IV–VI) Hawk (SI–IV) Alpine6 Alpine6 Minx / Rapier6
9 Aronde Aronde Aronde (P60) 1300/1500 1301/1501 1301/1501 1307/13086 15106 15106
Obere Mittelklasse Snipe / Super Snipe (I–III) Super Snipe (VI) Super Snipe (SI–V)
Baby Ariane 160/180 160/180/2L 1610/2L 1610/2L Tagora9
Oberklasse Pullman / Imperial (Mk I IV) Imperial
Record Vedette
Coupé / Cabrio Imp Sport4
1000 Coupé 1200 S
Alpine MkI/III Alpine SI–IV / Tiger New Alpine3
Comète America
Sportwagen T26 Grand Sport / Saoutchik Sport Djet Jet 530 Bagheera Bagheera Murena
SUV Rancho Rancho
Kastenwagen 1100 VF2/VF3 Citylaster Citylaster
Talbot-Lago, 1959 an Simca verkauft SIMCA: Lizenz- produktion von Fiat SIMCA: 1954 von Ford France SA hinzugekauft SIMCA: teilweise auf Basis von Fiat oder Ford weiterentwickelt Chrysler- Simca Humber, Marke der Rootes- Gruppe, wird 1976 eingestellt Sunbeam- Talbot, Marke der Rootes- Gruppe bis 1953 Sunbeam, Marke der Rootes- Gruppe ab 1953, wird 1976 eingestellt Singer, Marke der Rootes- Gruppe seit 1956, wird 1970 eingestellt Hillman, Marke der Rootes- Gruppe Chrysler Automobiles René Bonnet Sportwagen Matra Matra- Simca Talbot- Matra Talbot- Simca Talbot, Marke wird 1986 eingestellt

1gemeinsame Plattform der Rootes-Gruppe auf Basis des Hillman Minx 1956
2gemeinsame Plattform Audax der Rootes-Gruppe auf Bais des Hillman Super Minx
3gemeinsame Plattform Arrow der Rootes-Gruppe
4gemeinsame Plattform der Rootes-Gruppe auf Basis des Hillman Imp
5gemeinsame Plattform – Chrysler Avenger, Projekt 424
6gemeinsame Plattform – Chrysler Projekt C6
7gemeinsame Plattform – Chrysler Projekt C2
8gemeinsame PSA-Plattform mit Peugeot 104 und Citroën LN
9Chrysler Projekt C9, Technik weitgehend aus Peugeot 504/505/604

Literatur Bearbeiten

  • Jacques Borgé, Nicolas Viasnoff: Talbot-Automobile. Geschichte einer großen europäischen Marke. Schrader, München 1981, ISBN 3-922617-02-6.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Talbot (PSA) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Talbot makes a comeback? | Autocar. Abgerufen am 18. Juni 2018 (englisch).
  2. Der Talbot Arizona (C35) auf talbot-automobile.de (abgerufen am 28. November 2023).
  3. Geschichte der Marke Talbot auf talbot-automobile.de (abgerufen am 28. November 2023).
  4. Dirk Ramackers: Wie beinahe alles anders gekommen wäre … (Oldtimer Markt, Heft 7/2013, S. 71.)