Schiefkörper

algebraische Struktur

Ein Schiefkörper oder Divisionsring ist eine algebraische Struktur, die alle Eigenschaften eines Körpers besitzt, außer dass die Multiplikation nicht notwendigerweise kommutativ ist.

Ein Schiefkörper ist somit ein Ring mit Einselement , in dem jedes Element ein multiplikatives Inverses besitzt.

Als solcher ist für ihn die Charakteristik definiert.

Jeder Schiefkörper mit einer endlichen Anzahl von Elementen ist nach dem Satz von Wedderburn schon ein Körper, das heißt, die Multiplikation ist automatisch kommutativ. Ist ein Schiefkörper kein Körper, muss er demnach unendlich viele Elemente enthalten. Ein Beispiel ist der Schiefkörper der Quaternionen, er hat die Charakteristik 0.

Das Zentrum eines Schiefkörpers ist ein (kommutativer) Körper , und mittels der Inklusion wird zu einer -Algebra. Die Gesamtheit derjenigen Schiefkörper mit einem vorgegebenen Zentrum , die als -Vektorraum endlichdimensional sind, wird durch die Brauergruppe von beschrieben.

Es existieren nichtkommutative[1] Schiefkörper, die eine mit den Verknüpfungen des Schiefkörpers verträgliche, totale Anordnung zulassen. Sie werden als angeordnete Schiefkörper bezeichnet.

Zur algebraischen Beschreibung einer affinen Ebene oder einer projektiven Ebene werden in der synthetischen Geometrie für desarguesche Ebenen Schiefkörper als Koordinatenbereiche eingesetzt. Zur Beschreibung nichtdesarguescher (affiner oder projektiver) Ebenen werden dort zum gleichen Zweck unter anderem Alternativkörper, Quasikörper und Ternärkörper verwendet. Dabei wird der Begriff Schiefkörper verallgemeinert: Jeder Schiefkörper ist ein Alternativkörper, jeder Alternativkörper ein Quasikörper und jeder Quasikörper ein Ternärkörper.

Geschichte des Begriffs Bearbeiten

Als erster nichtkommutativer Körper wurde 1843 der Quaternionenring von William Rowan Hamilton konstruiert. Sein Ziel war es dabei, Vektoren des dreidimensionalen Raumes darzustellen und zwar möglichst analog zur Darstellung von Vektoren der Ebene durch komplexe Zahlen. Hamilton und seine Nachfolger bauten auf dieser Grundlage einen ausgefeilten geometrischen Kalkül auf, der letztlich mit zur Entwicklung der Vektoranalysis führte. Schiefkörper wie die Quaternionen, die endlichdimensionale Vektorräume über ihrem Zentrum   sind, wurden in den 1920er und 1930er Jahren intensiv erforscht und das Gebiet wurde in den 1970er Jahren wieder belebt.[2]

Der erste Schiefkörper, der über seinem Zentrum unendlichdimensional ist, wurde von David Hilbert 1903 konstruiert. Ihm ging es darum, ein Modell für einen nichtkommutativen Schiefkörper angeben zu können, der eine Anordnung zulässt, die analog zu den bekannten Anordnungen der formal reellen (kommutativen) Körper mit den algebraischen Verknüpfungen verträglich ist. Über einem solchen Schiefkörper konnte er dann eine affine Geometrie definieren, die einige, aber nicht alle Axiome seiner Axiomatik der euklidischen Geometrie erfüllt.

1931 studierte Øystein Ore die weiter unten in diesem Artikel beschriebene und nach ihm benannte Konstruktionsmethode für Schiefkörper.

Sprachregelungen Bearbeiten

In der älteren Literatur werden häufig auch nichtkommutative Schiefkörper als „Körper“ bezeichnet: In diesem Sprachgebrauch bezeichnete man einen Körper im heutigen Sinn als „kommutativen Körper“, einen Schiefkörper im heutigen Sinn einfach als „Körper“ (oder „nicht notwendig kommutativen Körper“) und nur den echten Schiefkörper bzw. nichtkommutativen Schiefkörper als „Schiefkörper“; der Satz von Wedderburn heißt für gewöhnlich „Jeder endliche Schiefkörper ist ein Körper, also ein Galoisfeld“,[3] in diesem Sprachgebrauch aber „Jeder endliche Körper ist kommutativ“ oder auch „Endliche Schiefkörper gibt es nicht“.[4] Im Französischen schließt der Begriff „corps“ bis heute den nichtkommutativen Fall mit ein, ebenso im Italienischen der Begriff „corpo“, wobei letzterer parallel zu dem (dem englischen Ausdruck für einen Körper, field, entsprechenden) Begriff „campo“ für Körper im Sinne dieses Artikels verwendet wird.

Definitionen und Eigenschaften Bearbeiten

Eine Menge   mit zwei zweistelligen Operationen   (Addition),   (Multiplikation) und zwei Konstanten   heißt Schiefkörper, wenn die folgenden Axiome gelten:

  1.   ist eine kommutative/abelsche Gruppe.
  2.   ist eine Gruppe.
  3. Es gelten die beiden Distributivgesetze
  und   für alle  

Gleichwertig zu diesem Axiomensystem ist das folgende, das ohne Distributivgesetz auskommt:[5]

Es seien   wie oben vorausgesetzt sowie

  1.   eine abelsche Gruppe,
  2.   eine Gruppe,
  3.   mit dem durch   gegebenen Sternprodukt  [6] eine Gruppe und
  4. es gelte  

dann ist   ein Schiefkörper.

Äquivalent dazu ist auch diese Definition:[7]

Ein Ring   heißt Schiefkörper, wenn

  1.  
  2. die Gleichungen
  und  
sind für   stets lösbar in  

Es wird hier nicht verlangt, dass die Gleichungen eindeutige Lösungen besitzen, die Eindeutigkeit lässt sich jedoch zeigen. Ein Schiefkörper ist also ein Ring, in dem eine Links- und eine Rechtsdivision definiert werden können, daher auch der Name Divisionsring.

Das nun folgende, gleichwertige Axiomensystem betont den multiplikativen Aspekt des Schiefkörpers:[8]

Es sei   eine Gruppe. Die Gruppe mit 0 auf   ist dann die Menge   mit der durch die Vereinbarung   fortgesetzten Verknüpfung. Ist nun   eine Abbildung mit

  1.  
  2.  
  3.   für  
  4.   für  

dann ist   mit der Addition

 

ein Schiefkörper. Bei gegebenem Schiefkörper mit Addition ist die Abbildung   durch   gegeben.

Teilkörper Bearbeiten

Ist   ein Schiefkörper und   eine Teilmenge mit   und ist   eine Untergruppe von   sowie   eine Untergruppe von  , dann nennt man   einen Teilkörper[9] von  . Für diese Teilkörperbeziehung schreibt man dann  

Zentrum und Zentralisator Bearbeiten

  • Ist   ein Schiefkörper, dann heißt die Menge   das Zentrum von  .
  • Elemente   werden als zentrale Elemente des Schiefkörpers bezeichnet.
  • Das Zentrum von   ist das Zentrum im Sinne der Gruppentheorie der multiplikativen Gruppe zusammen mit dem Nullelement:  .
  • Der Zentralisator   einer Teilmenge   ist definiert durch   Jeder Zentralisator ist ein (nicht notwendig kommutativer) Teilkörper von  .
  • Für den Zentralisator einer Teilmenge   gilt stets  
  • Der Zentralisator kehrt Teilmengenbeziehungen um:  . Speziell gilt  .

Charakteristik Bearbeiten

Die Charakteristik eines Schiefkörpers   ist analog zu der von kommutativen Körpern definiert:

  • Die kleinste positive natürliche Zahl   mit der Eigenschaft  [10] heißt Charakteristik von  . Dieses   muss dann eine positive Primzahl sein.
  • Ist   für alle positiven natürlichen Zahlen   dann definiert man:   hat die Charakteristik 0.

Morphismen und Ideale Bearbeiten

Der Begriff Homomorphismus ist für Schiefkörper genauso definiert wie der Begriff Ringhomomorphismus in der Ringtheorie: Ist   ein Schiefkörper und   ein Ring, dann wird   als Ringhomomorphismus bezeichnet, wenn für alle   gilt:

  und  .

Über die allgemeinen Eigenschaften eines Ringhomomorphismus hinaus hat   die folgenden Eigenschaften, da   ein Schiefkörper ist:

  1. Es ist entweder   der Nullring oder   ist injektiv, also eine Einbettung in den Ring  , denn   besitzt keine außer den trivialen Idealen,  .
  2. Im Fall der Einbettung wird der Ring   durch   in natürlicher Weise zu einem  -Linksmodul, der eine  -Basis und eine eindeutige Dimension   über   hat, also zu einem freien Modul über  
  3. Ist   surjektiv und   nicht der Nullring, dann ist   isomorph zu   und selbst ein Schiefkörper.
  4. Ist  , dann nennt man   einen Schiefkörperendomorphismus, auch dann, wenn   ist. Ist aber der Endomorphismus  , also injektiv, dann braucht er im Allgemeinen nicht surjektiv zu sein. Ist   ein durch   punktweise fixierter Teilkörper   und ist   endlich, dann folgt aus der Surjektivität die Bijektivität.

Ein Ringhomomorphismus   wird als Schiefkörperhomomorphismus bezeichnet, wenn auch   ein Schiefkörper ist, als Schiefkörperisomorphismus, wenn er bijektiv ist und als Schiefkörperautomorphismus, wenn darüber hinaus noch   ist.

Antihomomorphismen Bearbeiten

Ist   ein nichtkommutativer, also „echter“ Schiefkörper, dann sind zusätzlich zu den Ringhomomorphismen die Antihomomorphismen von Interesse: Ist wieder   ein Schiefkörper und   ein Ring, dann heißt   Anti(-ring)homomorphismus, wenn für alle   gilt:

  und  .

Für kommutative Körper unterscheidet sich das natürlich nicht vom Begriff des Ringhomomorphismus, denn das Kommutativgesetz der Multiplikation überträgt sich auf das Bild  .

Alle genannten Begriffe für Homomorphismen werden entsprechend für Antihomomorphismen gebildet, der triviale „Anti“-Homomorphismus   stimmt mit dem trivialen Homomorphismus überein. Es muss im Allgemeinen kein Antiautomorphismus von   existieren (oder bekannt sein). Für den reellen Quatornionenschiefkörper   ist die Konjugation ein Antiautomorphismus, ebenso die analog definierte Abbildung für die quaternionenartigen Schiefkörper, die bei den Beispielen in diesem Artikel genannt sind. Für jeden Schiefkörper   kann man aber eine antiisomorphe Struktur, seinen Gegenring   konstruieren, indem man die Multiplikation umkehrt, man definiert also für   und behält die ursprüngliche Addition bei. Dann ist   ein zu   antiisomorpher Schiefkörper, der vermittelnde Antiisomorphismus ist die identische Abbildung auf der Menge  .

Eigenschaften und verwandte Begriffe Bearbeiten

  • In einer Divisionsalgebra muss die Multiplikation nicht notwendigerweise assoziativ sein. Jeder Schiefkörper ist eine Divisionsalgebra über seinem Zentrum, eine  -Divisionsalgebra   über einem Körper   ist genau dann ein Schiefkörper, wenn   das Assoziativgesetz erfüllt und damit eine Gruppe bildet. In diesem Fall ist   ein Teilkörper des Zentrums von  ,  
  • Jeder Schiefkörper ist ein Fastkörper, ein Fastkörper ist genau dann ein Schiefkörper, wenn er beide Distributivgesetze erfüllt.
  • Wird in dem Axiomensystem von Cohn mit der Nachfolgerabbildung   das 3. Axiom nicht gefordert, dann beschreibt es einen Fastkörper.
  • Jeder Schiefkörper ist ein Halbkörper im Sinne der Geometrie und ein Alternativkörper, ein Halbkörper oder Alternativkörper ist genau dann ein Schiefkörper, wenn die Multiplikation assoziativ ist.
  • Ein Ring mit Einselement (unitärer Ring) ist genau dann ein Schiefkörper, wenn jedes Element außer dem Nullelement ein links- und ein rechtsinverses Element bezüglich der Multiplikation besitzt. Die Gleichheit dieser beiden inversen Elemente und die Eindeutigkeit des also zugleich links- und rechtsinversen Elementes lässt sich dann aus den übrigen Ringaxiomen beweisen.

Angeordneter Schiefkörper Bearbeiten

Ein Schiefkörper  , auf dem eine totale Ordnung   definiert ist, heißt angeordneter Schiefkörper, wenn die Ordnung mit den Körperoperationen verträglich ist. Verträglichkeit bedeutet hier, dass für alle   die folgenden Anordnungsaxiome gelten:[11]

  • Aus   folgt   (Monotonie der Addition).
  • Aus   und   folgt   und   (Abgeschlossenheit des Positivbereichs bezüglich der Multiplikation).

Die Forderung, dass die Ordnung   eine „totale Ordnung“ sein soll, bedeutet:

  1. Die zweistellige Relation   auf   ist reflexiv, das heißt, es gilt für jedes Element   und
  2. sie ist transitiv, das heißt, es folgt für   aus   stets  . Mit diesen beiden Eigenschaften ist die Relation eine schwache Halbordnung auf der Menge  . Sie soll nun zusätzlich total sein, das bedeutet:
  3. Beliebige Schiefkörperelemente sind immer der Größe nach vergleichbar, es muss also für beliebige   gelten:
  und  . Gleichwertig ist die Forderung
Es gilt für   stets genau eine der drei Relationen  . Das ist das sogenannte Trichotomiegesetz.

Dabei bedeutet   wie üblich, dass   ist. Es ist die der schwachen Totalordnung   zugeordnete strikte Totalordnung.

Die additive Gruppe   ist in einem angeordneten Schiefkörper eine kommutative, angeordnete Gruppe und muss daher torsionsfrei sein. Daher ist die Charakteristik eines angeordneten Schiefkörpers immer 0. Dies ist aber keine hinreichende Bedingung für die Anordnungsfähigkeit, vergleiche dazu auch den Artikel Geordneter Körper. Der Quaternionenschiefkörper lässt keine Anordnung zu!

Gleichwertige Beschreibung durch einen Positivbereich Bearbeiten

Ist   ein angeordneter Schiefkörper und seine strikte, totale Ordnungsrelation, dann definiert man:

  und nennt   den Positivbereich von  , ein Element von   heißt dann positiv, positives Element von   oder auch eine positive Zahl.

Man schreibt dann auch

  und nennt die Elemente von   negativ usw.

Aus dem Trichotomiegesetz folgt, dass jede Zahl   in genau einer der beiden Mengen   liegt, denn man kann jede solche Zahl mit 0 vergleichen. Aus der Verträglichkeit mit der Addition folgt:

 , also  , wie es der intuitiven Vorstellung von „negativen Zahlen“ entspricht. Man hat daher   und diese Vereinigung ist sogar eine disjunkte Vereinigung.

Aus der Verträglichkeit mit der Addition und der Transitivität folgt für  :

 , das heißt  .

Aus der Verträglichkeit mit der Multiplikation folgt sofort  .

Die drei Eigenschaften des Positivbereichs   charakterisieren die Anordnung auf dem Schiefkörper vollständig. Es gilt nämlich:[12]

Ein Schiefkörper   lässt genau dann eine Anordnung zu, wenn er eine Teilmenge   mit den folgenden drei Eigenschaften enthält:

  1.   und  ,
  2.  ,
  3.  .

Eine Anordnung von  , nämlich die Anordnung mit dem Positivbereich   ist dann durch die Definition   der Halbordnung   auf   gegeben. Ein Beweis dieses Satzes, bei dem von der Struktur   nur vorausgesetzt wird, dass sie ein Ring mit Einselement ist, findet sich im Lehrbuch von Fuchs.[13]

Anordnungsfähigkeit Bearbeiten

Die Charakterisierung der Anordnung durch einen Positivbereich   ist oft geeignet, eine Anordnung auf einem gegebenen Schiefkörper   zu konstruieren und noch besser geeignet, um zu beweisen, dass ein gegebener Schiefkörper keine Anordnung zulässt. Dazu sind einige Eigenschaften des Positivbereiches  , also einer Teilmenge von   mit den Eigenschaften 1. bis 3. eines Positivbereiches, nützlich:

  • Aus der 1. Eigenschaft folgt  , denn es ist  , die dort genannte Vereinigung ist also stets disjunkt.
  • Für beliebige   ist  , denn eines der Elemente   liegt in  . Mengentheoretisch formuliert:  . Hat ein angeordneter Schiefkörper die Eigenschaft, dass jedes positive Element eine Quadratzahl ist, dann existiert nur genau diese eine Anordnung auf  . → Diese Eigenschaft charakterisiert (unter den kommutativen Schiefkörpern) die euklidischen Körper.
  • Ist   ein angeordneter Teilkörper von  , ist für ein   die Quadratzahl   und ist   (bezüglich der Ordnung auf  ) negativ, dann existiert jedenfalls keine Anordnung auf  , die die Anordnung auf   fortsetzt. Lässt   nur eine Anordnung zu, dann kann   unter diesen Bedingungen gar nicht angeordnet werden. Damit kann zum Beispiel die obige Aussage, dass der Quaternionenschiefkörper   keine Anordnung zulässt, bewiesen werden:  , der Körper der reellen Zahlen lässt als euklidischer Körper, nur eine Anordnung zu und es existieren (unendlich viele) Elemente   mit  .
  • Ist  , dann gilt auch  , denn sonst wäre   und   im Widerspruch zu  .
  • Zusammen mit der Abgeschlossenheit (3. Eigenschaft) ergibt sich, dass   eine Untergruppe der multiplikativen Gruppe   ist.
  • Da   nach der 1. Eigenschaft die einzige echte Links- und Rechtsnebenklasse von   ist, ist   ein Normalteiler vom Index 2 in der multiplikativen Gruppe.

Konstruktion und Beispiele Bearbeiten

Kommutative Körper können aus gegebenen Körpern durch algebraische oder transzendente Körpererweiterungen erzeugt werden, jeder solche Körper geht aus dem Primkörper seiner Charakteristik durch eine Kombination dieser beiden Erweiterungsarten hervor. Eine vergleichbare „kanonische“ Methode, nichtkommutative Schiefkörper zu konstruieren, ist nicht bekannt. Die meisten Methoden beruhen darauf, einen (geeigneten) nichtkommutativen, nullteilerfreien Ring in seinen Rechts- oder Linksquotientenschiefkörper einzubetten. Ein verhältnismäßig einfaches hinreichendes Kriterium an einen Ring fand Øystein Ore mit der nach ihm benannten Ore-Bedingung.

Eine Beispielklasse nach Hilbert Bearbeiten

Unendlichdimensionale Erweiterungen können analog zu dem von Hilbert angegebenen Schiefkörper aufgebaut werden. Dieser sieht so aus:[14]

  1. Sei   ein Schiefkörper oder Körper,
  2.   der rationale Funktionenkörper in einer zentralen Unbestimmten  .
  3. Auf   ist die durch   definierte Abbildung ein Ringendomorphismus.
  4. Daraus wird mit einer neuen Unbestimmten   der nichtkommutative Polynomring   gebildet, auf dem die Multiplikation von   mit   durch die Vertauschungsrelation   bestimmt ist (  vertauscht mit Elementen des Ausgangskörpers  ).
  5.   ist der Rechtsquotientenschiefkörper des nullteilerfreien Ore-Rings   und wird als Hilbertkörper[14] bezeichnet.

Das Zentrum   ist auch Zentrum des Hilbertkörpers und es ist stets  . Ist   ein formal reeller (kommutativer) Körper, dann lässt   eine mit den algebraischen Verknüpfungen verträgliche Anordnung zu.

Eine Verallgemeinerung von Hilberts Konstruktion verwendet anstelle von   andere Ringendomorphismen von  .

Nichtkommutative Schiefkörper beliebiger Charakteristik Bearbeiten

Eine Variante der Hilbertschen Idee kommt mit einer einschrittigen Erweiterung eines Körpers   aus, sofern dieser einen nichtidentischen Körperautomorphismus   zulässt. Dazu gehören zum Beispiel alle endlichen Körper  , wobei   ist (siehe Frobeniushomomorphismus), alle echten galoisschen Erweiterungskörper des rationalen Zahlkörpers  , speziell die quadratischen Erweiterungskörper  .[15]

Bei der Konstruktion geht man von den formalen Laurent-Reihen über   mit endlichem Hauptteil aus, also den formalen Funktionen:

 

Die Addition ist durch die für Reihen gewohnte komponentenweise Addition der Koeffizienten definiert. Das Produkt   wird für   durch

  definiert.

(Für   ist   die  -fache Anwendung des inversen Automorphismus,   ist der identische Automorphismus von  .)

Man notiert die Struktur aus der Menge dieser formalen Laurentreihen mit gewöhnlicher Addition und der modifizierten Multiplikation als   und nennt sie englisch skew Laurent series ring in one indeterminate[15] (keine deutsche Bezeichnung bekannt). Dieser Ring   ist (sofern der definierende Körperautomorphismus nichtidentisch ist) ein nichtkommutativer Schiefkörper mit derselben Charakteristik wie der Ausgangskörper  .[15]

Zwei konkrete nichtkommutative Schiefkörper Bearbeiten

Ein Schiefkörper der Charakteristik 2 Bearbeiten

Der kleinste Ausgangskörper, der für die beschriebene „skew Laurent series ring“-Konstruktion in Betracht kommt, ist der Körper   mit vier Elementen. Man kann ihn aus   gewinnen, indem man eine Nullstelle   des in   irreduziblen Polynoms   adjungiert:  . Dann ist   nicht das Einselement und damit, da 3 eine Primzahl ist, ein erzeugendes Element der dreielementigen zyklischen multiplikativen Gruppe  . Der einzige nichtidentische Automorphismus dieser multiplikativen Gruppe ist durch   eindeutig bestimmt, die letzte Gleichung ergibt sich daraus, dass   Nullstelle von   ist. Dieser Gruppenautomorphismus wird durch die Vereinbarung   zu einem nichtidentischen Körperautomorphismus von   fortgesetzt und   ist ein konkretes Beispiel für einen nichtkommutativen Schiefkörper der Charakteristik 2.

Ein Schiefkörper der Charakteristik 0 Bearbeiten

Hier muss man den Körper   der rationalen Zahlen zumindest einmal quadratisch erweitern. Wir wählen  . Dann ist durch   ein nichtidentischer Körperautomorphismus von   gegeben. Damit ist   ein nichtkommutativer Schiefkörper der Charakteristik 0.

Der Schiefkörper   lässt keine Anordnung zu.

Dazu kann man zur Kenntnis nehmen, dass der kommutative Ausgangskörper   (vielleicht entgegen der intuitiven Vorstellung von einem Teilkörper  ) zwei verschiedene Anordnungen zulässt,   dagegen als Primkörper nur eine. Man muss entscheiden, ob die adjungierte „Quadratwurzel“   die positive oder negative Nullstelle des rationalen Polynoms   sein soll. Wir entscheiden zunächst  . Wo genau dann   in der Anordnung von   liegt, ist dann festgelegt, denn die Funktion   ist auf einem angeordneten Schiefkörper (aufgrund der oben dargestellten Eigenschaften des Positivbereichs) streng monoton wachsend für Elemente des Positivbereiches, daher muss zum Beispiel   wegen   gelten usw.

Man berechnet mit   zwei einfache Quadratzahlen mit der oben gegebenen Produktdefinition:

 
 

Nun müssten beide Elemente   als von 0 verschiedene  -Quadratzahlen im Positivbereich von   liegen, ebenso aber auch die Zahl  , erstens weil auch sie eine Quadratzahl in   ist und zweitens, weil die rationalen Zahlen nur eine Anordnung zulassen. Dies führt zu einem Widerspruch zu den oben genannten Untergruppeneigenschaften eines Positivbereichs.

Diese Überlegungen sind offenbar ganz unabhängig davon, welche der beiden möglichen Anordnungen auf   man wählt.

Überabzählbarkeit der beiden Beispielschiefkörper Bearbeiten

Beide Schiefkörper   enthalten jeweils als Teilmengen die überabzählbaren Mengen

 ,[16]

deren Koeffizientenfolgen nur aus den „Zahlen“ 0 und 1 bestehen und daher als Binärdarstellungen aller reellen Zahlen   interpretiert werden können.[17] Alle beide sind also nach Cantors zweitem Diagonalargument überabzählbare Teilmengen ihrer Schiefkörper, die daher selbst ebenfalls überabzählbare Mengen sind.

Man sieht nun leicht, dass dieses Argument für jeden nach der beschriebenen „skew Laurent series ring“-Methode konstruierten Schiefkörper gilt.

Quaternionenartige Schiefkörper Bearbeiten

Man kann die Konstruktion des Hamiltonschen Schiefkörpers der reellen Quaternionen   allgemeiner mit einem beliebigen kommutativen Körper   an Stelle von   durchführen, dessen Charakteristik nicht 2 ist. (Die „Vorzeichen“ sind für die Konstruktion wichtig.) Für formal reelle Körper ergibt sich so ein echter Schiefkörper. Wie man anhand der ausführlichen Informationen und Literaturangaben im Artikel Quaternion sieht, erhält man durch die Konstruktion eine Struktur  , die stets die folgenden Eigenschaften hat:

  1. Die Multiplikation mit Elementen aus   macht aus   einen vierdimensionalen  -Vektorraum, insbesondere erfüllt die Multiplikation mit Elementen aus   beide Distributivgesetze. So wird die Konstruktion angesetzt: Man führt die Symbole   als formale Bezeichner für vier Basisvektoren ein.
  2. Die „innere Multiplikation“ in   wird durch die Hamiltonschen Relationen   und   für Basisvektoren definiert und dann auf beliebige Elemente distributiv fortgesetzt. Damit erfüllt auch diese innere Multiplikation beide Distributivgesetze nach Konstruktion.
  3. Die innere Multiplikation von skalaren Vielfachen der Basisvektoren erfüllt das Assoziativgesetz immer noch, weil die Elemente   mit den Hamiltonschen Relationen und den Interpretationen der (in Bezug auf die Gruppe   zunächst) formalen Vorzeichen durch die Zusatzrelationen[18]   eine Gruppe, die Quaternionengruppe bilden. Da diese Gruppe nicht kommutativ ist, erfüllt auch die innere Multiplikation das Kommutativgesetz nicht.

Mit diesen 3 Konstruktionsschritten erhält man also immer eine vierdimensionale  -Algebra. Dass jedes Element von   bei der inneren Multiplikation mit Elementen von   kommutiert, ergibt sich ebenfalls aus der Konstruktion.

Die Normfunktion

 

nimmt nur Werte aus dem Grundkörper an.

Für eine Inversenbildung in   muss nun durch solche Normwerte in   dividiert werden können. Die Koeffizienten   können beliebige Elemente aus   sein (außer dass nicht alle 0 sein können, denn das Nullelement hat und braucht auch in   kein Inverses). Daher existieren Inverse für beliebige Elemente   genau dann, wenn in   das Nullelement nicht als nichttriviale Summe von (hier höchstens 4) Quadratzahlen darstellbar ist. Es ist dann

  mit  .

Damit wird   zu einem nichtkommutativen Schiefkörper, wenn   ein formal reeller Körper ist. Dieser Schiefkörper   ist vierdimensional über seinem Zentrum  . Er lässt keine Anordnung zu, denn für die Elemente   ist  , was die Existenz eines Positivbereichs unmöglich macht.

Wählt man als Grundkörper einen abzählbaren Körper, zum Beispiel   dann hat man damit auch einen abzählbaren echten Schiefkörper  .

Ist   ein (als Vektorraum über  ) endlichdimensionaler, formal reeller Erweiterungskörper, das heißt, gilt   und  , dann sind alle nichttrivialen Endomorphismen von   bijektiv, also Schiefkörperautomorphismen und zugleich  -Vektorraumautomorphismen von  . Sie lassen sich also, nach Wahl einer festen  -Basis von   durch reguläre Matrizen darstellen. Damit wird die Gruppe dieser Schiefkörperautomorphismen dargestellt als Untergruppe von  , der allgemeinen linearen Gruppe, denn es ist dann  .

Unmöglich ist die Invertierbarkeit für alle Elemente   dagegen über Körpern einer Charakteristik  . Dazu genügt es, zu zeigen, dass solche Elemente mit Koeffizienten aus dem Primkörper existieren, deren Normwert 0 ist. Für   ist das mit   gegeben. Sei nun also   eine ungerade Primzahl,  . Zu zeigen ist dann, dass die Kongruenz   eine nichttriviale Lösung hat. Dies lässt sich relativ einfach durch Abzählen beweisen, zum Beispiel durch dieses Schubfachargument.

Literatur Bearbeiten

  • B.L. van der Waerden: Algebra I. 9. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1993, ISBN 3-540-56799-2 (alle Seitenangaben beziehen sich auf die 9. Auflage).
  • B.L. van der Waerden: Algebra II. 6. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1993, ISBN 3-540-56801-8 (alle Seitenangaben beziehen sich auf die 6. Auflage).
  • Emil Artin: Über einen Satz von Herrn J. H. Maclagan Wedderburn. Hamb. Abh. 5 (1928), Seiten 245–250.
Zu den ordnungstheoretischen Definitionen und Aussagen
  • László Fuchs: Teilweise geordnete algebraische Strukturen. Vandenhoeck u. Ruprecht, Göttingen 1966, ISBN 3-540-56801-8.
  • Sibylla Prieß-Crampe: Angeordnete Strukturen. Gruppen, Körper, projektive Ebenen (= Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete. Band 98). Springer, Berlin / Heidelberg / New York 1983, ISBN 3-540-11646-X.

Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten

  1. Das Attribut „nichtkommutativ“ bezieht sich bei Schiefkörpern immer auf die Multiplikation. Man nennt nichtkommutative Schiefkörper oft auch „echte Schiefkörper“, weil sie keine Körper sind.
  2. Jacobson (1996).
  3. So etwa bei Emil Artin: Über einen Satz von Herrn J. H. Maclagan Wedderburn. Emil Artin berichtet in der dortigen Fußnote 4 zum Begriff „Schiefkörper“: „Diesen Namen hat Herr B. L. van der Waerden vorgeschlagen.“
  4. Siehe zum Beispiel die Bemerkungen hierzu in van der Waerden: Algebra I. (1993), 1. § 11 Ringe.
  5. G. Pickert in: Mathematische Zeitschrift. Nr. 71, 1959, S. 99–108.
  6. van der Waerden: Algebra II. § 97, S. 57. Manche Autoren schreiben für   auch  
  7. van der Waerden: Algebra I. § 11, S. 38 f.
  8. Cohn (1995).
  9. Systematisch besser wäre hier die Bezeichnung „Teilschiefkörper“, aber diese ist in der Literatur kaum gebräuchlich, vgl. Pickert (1951).
  10. Man beachte, dass mit   eine Summe mit   Summanden gemeint ist. Dies ist zu unterscheiden von der Multiplikation von zwei Schiefkörperelementen!
  11. Prieß-Crampe (1983).
  12. Prieß-Crampe (1983), II § 1 Satz 1. Sie formuliert diesen Satz dort sogar für einen Ring mit Einselement, dessen Multiplikation nicht notwendig assoziativ sein muss.
  13. Fuchs (1966), S. 163.
  14. a b Cohn (1995), 6.1.
  15. a b c Lars Kadison und Matthias T. Kromann: Projective Geometry and Modern Algebra. Birkhäuser, Boston/Basel/Berlin 1996, ISBN 3-7643-3900-4, 7.3: A Division Ring with Characteristic p (Inhaltsverzeichnis PDF [abgerufen am 6. August 2013]).
  16. Man muss hier formal etwas umständlich formulieren, denn die Elemente 0, 1 sind im ersten Fall aus  , im zweiten rationale Zahlen.
  17. Genauer: Dazu genügen bereits die nichtabbrechenden Koeffizientenfolgen aus  .
  18. Aus diesen Zusatzrelationen folgt mit den Hamiltonschen Relationen, dass die zwei Elemente   den Ring   bereits erzeugen.