Nischni Tagil

Stadt in Russland

Nischni Tagil (russisch Ни́жний Таги́л, wissenschaftliche Transliteration Nižnij Tagil); bis 1919 Nischnetagilski Sawod /Нижнетагильский Завод (Nižnij = russisch für „Nieder-“, „Unter-“; Tagil = mansisch für „viel Wasser“ nach dem Flussnamen) ist eine Stadt in Russland mit 361.811 Einwohnern (Stand 14. Oktober 2010).[1] Sie liegt in der Oblast Swerdlowsk am Fluss Tagil im mittleren Ural nördlich von Jekaterinburg.

Stadt
Nischni Tagil
Нижний Тагил
Flagge Wappen
Flagge
Wappen
Föderationskreis Ural
Oblast Swerdlowsk
Stadtkreis Nischni Tagil
Bürgermeister Sergej Nossow
Gegründet 1722
Stadt seit 1919
Fläche 298 km²
Bevölkerung 361.811 Einwohner
(Stand: 14. Okt. 2010)[1]
Bevölkerungsdichte 1214 Einwohner/km²
Höhe des Zentrums 200 m
Zeitzone UTC+5
Telefonvorwahl (+7) 3435
Postleitzahl 622000–622052
Kfz-Kennzeichen 66, 96, 196
OKATO 65 476
Website www.ntagil.org
Geographische Lage
Koordinaten 57° 55′ N, 59° 58′ OKoordinaten: 57° 55′ 0″ N, 59° 58′ 0″ O
Nischni Tagil (Europäisches Russland)
Nischni Tagil (Europäisches Russland)
Lage im Westteil Russlands
Nischni Tagil (Oblast Swerdlowsk)
Nischni Tagil (Oblast Swerdlowsk)
Lage in der Oblast Swerdlowsk
Liste der Städte in Russland
Der Bahnhof von Nischni Tagil
Straßenbahn in Nischni Tagil
Alexander-Newski-Kathedrale
Industrie in Nischni Tagil

Geschichte Bearbeiten

Die Geschichte von Nischni Tagil begann 1696, als mit dem Abbau der reichen Eisenerzvorkommen in der Umgebung begonnen wurde. In der Folge wurde der Ort zu einem der frühen Zentren der russischen Industrialisierung und zu einer wichtigen Produktionsstätte von Gusseisen und Stahl. 1833 konstruierten hier die Ingenieure Jefim und Miron Tscherepanow die erste russische Dampflokomotive; sie wurden im Jahre 1956 mit einer acht Meter hohen Bronzestatue geehrt.

In der Sowjetzeit existierte in Nischni Tagil ein großes Zwangsarbeitslager innerhalb des Gulag-Systems. Das Tagil-ITL (Besserungsarbeitslager) bestand von Januar 1942 bis April 1953, seine Verwaltung befand sich in der Stadt. Die Zahl der Inhaftierten lag zeitweise bei über 43.000 Personen, die im Metallurgiekombinat von Nischni Tagil und in anderen Industriebetrieben sowie im Straßen- und Wasserbau, zur Förderung von Bodenschätzen und in der Holzgewinnung eingesetzt wurden.[2]

Weiterhin befanden sich die beiden Kriegsgefangenenlager 153 und 245 für deutsche Kriegsgefangene des Zweiten Weltkriegs in der Stadt. Schwer Erkrankte wurden im Kriegsgefangenenhospital 2929 versorgt.[3]

Bevölkerungsentwicklung Bearbeiten

Jahr Einwohner
1897 30.000
1926 39.000
1939 159.867
1959 338.501
1970 378.410
1979 398.146
1989 439.521
1990 424.000
2000 390.900
2010 361.811
2020 349.008

Anmerkung: Volkszählungsdaten (bis 1926 gerundet)

Verkehr Bearbeiten

Die Stadt hat Anbindung an die wichtigsten Straßen- und Eisenbahnanbindungen der Umgebung. Nationale und internationale Flüge finden über den in der Nähe gelegenen Flughafen Jekaterinburg statt.

Kultur Bearbeiten

Nischni Tagil verfügt über ein städtisches Theater, das D. N. von Mamin-Sibirjak, ein Jugend- und Puppentheater, einen Zirkus, ein Kino- und Videozentrum, zwei Kulturpaläste sowie mehrere Museen und Bibliotheken. In der Stadt und der Umgebung gibt es viele noch erhaltene oder liebevoll restaurierte kulturhistorische Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die Eindrücke der damaligen Baukunst vermitteln. Daneben gibt es noch einen Nationalpark, der über die Geschichte der Eisengewinnung und -verarbeitung informiert. Die Schule Nr. 32 und das Berufsschulzentrum Ellwangen betreiben eine Schulpartnerschaft.[4]

Wirtschaft Bearbeiten

Die Stadt ist bekannt durch Eisengewinnung und -verarbeitung. Die weiteren wichtigen wirtschaftlichen Zweige sind Maschinenbau, Metallverarbeitung und Chemie. Das Metallurgie-Kombinat wurde unter der Leitung der Firma Thyssen reorganisiert. Weitere am Aufbau der Stadt beteiligte deutsche Unternehmen sind die Firmen KHD Humboldt Wedag International und Erich Friedrich. 1996 begann das deutsch-russische Unternehmen Tagil-Technoterm mit der Produktion von wärmedämmenden Materialien. In der Stadt befindet sich auch das Stahlwerk NTMK mit Firmensitz.

Wichtigstes Unternehmen in Nischni Tagil ist die Maschinenbaufabrik, der weltgrößte Panzerfahrzeughersteller Uralwagonsawod. Heute ist das Unternehmen weltweit für die Produktion russischer Kampfpanzer wie dem T-72, dem meistproduzierten Panzer weltweit, dem T-90 sowie dem derzeit aktuellsten Modell T-14 bekannt.

Eine verbreitete Theorie besagt, dass das für die Freiheitsstatue verwendete Kupfer aus Nischni Tagil stammt (ähnliches behauptet aber auch der Kupfer-Bergbauort Sulitjelma in Norwegen von seinem Kupfer).[5]

Bildung Bearbeiten

Neben den Gymnasien gibt es mehrere Berufsschulen, eine medizinische Fachhochschule, College der Künste (mit Musik- und Schauspielabteilungen) sowie die weltweit anerkannte Akademie für angewandte Kunst. Verschiedene weiterführende Bildungsmöglichkeiten sind

  • Zweigstelle der Staatlichen Technischen Universität des Uralgebiets
  • Zweigstelle des Hauptstädtischen geisteswissenschaftlichen Instituts
  • Zweigstelle des Instituts für Ökonomie, Verwaltung und Recht des Uralgebiets
  • Milizschule des Innenministeriums
  • Staatliches Pädagogisches Institut Nischni Tagil

Sport Bearbeiten

Der Eishockeyverein Sputnik spielte bis 2018 in der zweithöchsten russischen Spielklasse.

In Nischni Tagil steht der Skisprungschanzenkomplex Aist, der eine Großschanze (HS134), eine Normalschanze (HS97) und zwei Kleinschanzen (K40, K10) beinhaltet.[6] Seit 2013 werden dort auch internationale Wettkämpfe veranstaltet.

Städtepartnerschaften Bearbeiten

Nischni Tagil listet folgende neun Partnerstädte auf:[7]

Stadt Land seit
Brest   Belarus  Belarus 1998
Chattanooga   Vereinigte Staaten  Tennessee, Vereinigte Staaten 1996
Cheb   Tschechien  Karlsbader Region, Tschechien 1966 – 2022[Abbruch 1]
Františkovy Lázně   Tschechien  Karlsbader Region, Tschechien 2007
Jewpatorija   Ukraine  Krim, Ukraine 2019
Krywyj Rih   Ukraine  Dnipropetrowsk, Ukraine 1994
Luhansk   Ukraine  Ukraine 2022
Marienbad   Tschechien  Karlsbader Region, Tschechien 2009 – 2022[Abbruch 1]
Nowokusnezk   Russland  Sibirien, Russland 2005
  1. a b Tschechische Städte brechen die Beziehungen zu Nischni Tagil aufgrund einer russischen Spezialoperation auf dem Territorium der Ukraine ab. Abgerufen am 22. Januar 2023 (russisch).

Söhne und Töchter der Stadt Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Nischni Tagil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Nischni Tagil – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Itogi Vserossijskoj perepisi naselenija 2010 goda. Tom 1. Čislennostʹ i razmeščenie naselenija (Ergebnisse der allrussischen Volkszählung 2010. Band 1. Anzahl und Verteilung der Bevölkerung). Tabellen 5, S. 12–209; 11, S. 312–979 (Download von der Website des Föderalen Dienstes für staatliche Statistik der Russischen Föderation)
  2. Tagil-ITL im Internetportal GULAG des Memorial Deutschland e. V.
  3. Erich Maschke (Hrsg.): Zur Geschichte der deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges. Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld 1962–1977.
  4. Kreisberufsschulzentrum Ellwangen hat jetzt Partnerschule im russischen Nishnij Tagil. (Memento vom 20. Mai 2015 im Internet Archive) auf ostalbkreis.de
  5. Statue of Liberty Made of Russian Copper?
  6. www.skisprungschanzen.com
  7. Города-побратимы ǀ Нижний Тагил. Официальный сайт. Verwaltung der Stadt Nischni Tagil, abgerufen am 22. Januar 2023 (russisch).