In der Algebra sind Quadratklassen die Äquivalenzklassen einer bestimmten Äquivalenzrelation, der quadratischen Äquivalenz in einer kommutativen Gruppe. Sie sind dann die Nebenklassen der Untergruppe der Quadrate in dieser Gruppe. Das Konzept der Quadratklassen und der quadratischen Äquivalenz wird unter anderem angewendet

Quadratklassen werden in der Literatur auch allgemeiner definiert, wobei sich die Folgerungen des gängigen, gruppentheoretischen Begriffs meist als der wesentliche Kern des allgemeineren Konzepts herauskristallisieren.

Definitionen

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Die allgemeine Definition einer „quadratischen Relation“ hat den Vorzug, dass sie sich immer dann sinnvoll anwenden lässt, wenn diese Definition zu einer Äquivalenzrelation führt. Die gruppentheoretische Definition zeigt, dass die quadratische Relation jedenfalls für kommutative Gruppen eine Äquivalenzrelation ist, und die Quadratklassen damit tatsächlich eine Einteilung der Gruppe in Nebenklassen einer Untergruppe sind. Damit können in diesem Spezialfall alle Sätze und Eigenschaften für Nebenklassen der Normalteiler einer beliebigen und der Untergruppen einer abelschen Gruppe auf Quadratklassen angewendet werden.

Allgemeine Definition

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Sei   eine Menge mit der zweistelligen Verknüpfung   und   eine bezüglich dieser Verknüpfung abgeschlossene, nichtleere Teilmenge. Dann wird auf   eine zweistellige Relation   eingeführt durch die Definition

  •  , falls es Elemente   gibt, so dass   ist.

Nun gilt:

  1. Die Relation ist durch ihre Definition stets reflexiv und symmetrisch.
  2. Sie ist sicher dann transitiv, wenn die Verknüpfung assoziativ auf   und kommutativ auf   ist.
  • Hinreichend für die Transitivität sind bereits die folgenden, schwächeren Bedingungen: Für   existieren stets Elemente   so dass
  1.   (Abschwächung der Assoziativität) und
  2.   (Abschwächung der Kommutativität) gilt.

In allen Fällen, in denen die Relation transitiv, also eine Äquivalenzrelation ist, nennt man zwei Elemente von  , die die Relation erfüllen, quadratisch äquivalent (im weiteren Sinn) bezüglich der Teilmenge  . Jede Äquivalenzklasse dieser Relation, die ein Element von   enthält, heißt Quadratklasse (im engeren Sinn) von   bezüglich  .

Gruppentheoretische Definition

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Sei   eine kommutative Gruppe. Dann ist die Quadratabbildung

 

ein Gruppenhomomorphismus. Dessen Bild, also die Menge   der „Quadrate“ ist eine Untergruppe von   und die Nebenklassen dieser Untergruppe heißen Quadratklassen von  .

Das ist der Spezialfall der allgemeinen Definition, wenn dort   gesetzt wird.

Wenn die Quadratabbildung surjektiv ist, gibt es nur eine Quadratklasse, die dann die ganze Gruppe umfasst. Dieser Fall tritt für endliche Gruppen genau dann ein, wenn die Abbildung injektiv ist und also nach dem Satz von Lagrange und den Sylow-Sätzen genau dann, wenn die Ordnung der Gruppe ungerade ist und daher kein Element eine gerade Ordnung hat.

Allgemeiner ist die Anzahl der Quadratklassen der Index   der Quadrate in  .

Quadratklassen in kommutativen Ringen

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In einem Körper   wird meist die quadratische Äquivalenz bezüglich der multiplikativen Gruppe   als die quadratische Äquivalenz bezeichnet. Die Äquivalenzklasse (im weiteren Sinn) von 0 besteht nur aus dem Nullelement, alle anderen sind Quadratklassen von   im Sinne der allgemeinen Definition und von   im engeren Sinne und im Sinn der gruppentheoretischen Definition.

Integritätsbereich

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In einem Integritätsbereich   (mit Einselement) wird in der Regel – wie in einem Körper – quadratische Äquivalenz bezüglich des kürzbaren, kommutativen Monoids   als die quadratische Äquivalenz bezeichnet. Auch hier sind alle Äquivalenzklassen außer   Teilmengen von   und damit Quadratklassen von   (im engeren Sinn).

Zudem ist hier die quadratische Äquivalenz mit der Einbettung des Integritätsbereiches in seinen Quotientenkörper   verträglich: Zwei Elemente des Integritätsbereiches sind genau dann quadratisch äquivalent im Ring, wenn sie (genauer: die Bilder dieser Elemente unter der Einbettung) auch im Quotientenkörper (dort auch im Sinne der gruppentheoretischen Definition) quadratisch äquivalent sind. Darüber hinaus enthält jede Quadratklasse des Quotientenkörpers „ganze“ Elemente, also eingebettete Bilder von Elementen des Integritätsbereichs  .

Beispiele

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  • Der Körper der reellen Zahlen enthält genau zwei Quadratklassen, nämlich die Menge der positiven und die der negativen reellen Zahlen. Dies gilt allgemeiner für jeden euklidischen Körper.
  • Der Körper der komplexen Zahlen enthält nur eine Quadratklasse, nämlich  . Das gilt entsprechend für jeden algebraisch abgeschlossenen Körper.
  • Der Integritätsbereich der ganzen Zahlen   enthält unendlich viele Quadratklassen. Zwei ganze Zahlen (außer 0) sind genau dann quadratisch äquivalent, wenn ihr Produkt eine Quadratzahl, also quadratisch äquivalent zu 1 ist. Ein Repräsentantensystem bilden die quadratfreien Zahlen.
  • Der Restklassenkörper   enthält nur eine Quadratklasse, falls   ist, und genau zwei Quadratklassen, falls   eine ungerade Primzahl ist. Für die Geometrie ist weiterhin folgende Unterscheidung wichtig: Ist die ungerade Primzahl   von der Form  , dann sind −1 und 1 quadratisch äquivalent, für   liegen sie in unterschiedlichen Quadratklassen. (→Siehe dazu Quadratischer Rest, Quadratisches Reziprozitätsgesetz und – für eine geometrische Anwendung – präeuklidische Ebene).
  • Alle endlichen Körper   mit der Charakteristik 2 besitzen genau eine Quadratklasse. Daher ist jede reinquadratische Gleichung   in diesen Körpern lösbar und hat durch den Frobeniushomomorphismus genau eine doppelt zählende Lösung.
  • Ein nichtkommutatives Beispiel ergibt sich für die Quaternionengruppe  . Obwohl diese Gruppe nicht kommutativ ist, sind die 4 Nebenklassen des Zentrums   Quadratklassen der Gruppe (bezüglich der Gruppe   selbst) im Sinne der allgemeinen Definition. Da diese Gruppe auch multiplikative Gruppe eines Quasikörpers ist (→ der in Ternärkörper#Beispiele der Ordnung 9 beschriebene Quasikörper  ) sind diese Quadratklassen in der Synthetischen Geometrie von Interesse. Für den Quasikörper   ist   zugleich der Kern.

Literatur

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  • Martin Aigner, Dieter Jungnickel (Hrsg.): Geometries and groups. Proceedings of a colloquium, held at the Freie Universität Berlin, May 1981. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1981, ISBN 3-540-11166-2.
  • Oleg Tomovich Ižboldin, Jean-Pierre Tignol (Hrsg.): Geometric methods in the algebraic theory of quadratic forms. summer school, Lens, 2000. Springer, Berlin/Heidelberg/New York/Hong Kong/London/Milan/Paris/Tokyo 2000, ISBN 3-540-20728-7 (Lecture notes in mathematics, Vol. 1835).
  • Helmut Hasse: Über die Darstellbarkeit von Zahlen durch quadratische Formen im Körper der rationalen Zahlen. In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. 1923 (Volltext beim Göttinger Digitalisierungszentrum).
  • Hanfried Lenz: Quadratische Formen und Kollineationsgruppen. In: Archiv der Mathematik. Band 18. Hannover 1962, S. 110–119, doi:10.1007/BF01650054.
  • Armin Leutbecher: Zahlentheorie: Eine Einführung in die Algebra. Springer, Berlin/Heidelberg/New York 1996, ISBN 3-540-58791-8.