Affiner Raum

Verallgemeinerung des Euklidischen Raums

Der affine Raum (von lateinisch affinis ‚angrenzend, benachbart‘), gelegentlich auch lineare Mannigfaltigkeit genannt, nimmt im systematischen Aufbau der Geometrie eine Mittelstellung zwischen Euklidischem Raum und Projektivem Raum ein.

Der dreidimensionale affine Raum ist wie der euklidische Raum ein mathematisches Modell für den uns vertrauten dreidimensionalen Anschauungsraum. Dabei wird aber auf die Begriffe Länge, Abstand und Winkel verzichtet.

In einem weiteren Sinne kann ein affiner Raum, wie andere mathematische Räume auch, eine beliebige Dimension haben: Als affinen Raum kann man auch einen einzelnen Punkt, die affine Gerade, die affine Ebene sowie vier- und höherdimensionale Räume bezeichnen. In aller Regel sind diese Räume nur endlichdimensional.

Verschiedene mathematische Disziplinen haben unterschiedliche Präzisierungen dieses Begriffs gefunden.

Der affine Raum in der linearen Algebra

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Definition

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Dreiecksregel
 
Abtragbarkeitsregel

Gegeben seien eine Menge  , deren Elemente geometrisch als Punkte aufgefasst werden, ein Vektorraum   über einem Körper   und eine Abbildung von   nach  , die zwei Punkten   einen Verbindungsvektor   zuordnet, so dass die folgenden beiden Regeln gelten:

  • für je drei Punkte   gilt:   (Dreiecksregel, Beziehung von Chasles),
  • für jeden Punkt   und jeden Vektor   gibt es einen eindeutig bestimmten Punkt  , so dass   (Abtragbarkeitsregel).[1]

Das Tripel   heißt affiner Raum. Wenn klar ist, welcher Vektorraum   und welche Pfeilabbildung   zugrunde liegt, spricht man auch allein vom affinen Raum  . Bei dem Körper   handelt es sich oft um den Körper   der reellen Zahlen.

Translationen

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Im affinen Raum ist eine „Addition“ als Abbildung von   dadurch definiert, dass   gerade der über   eindeutig bestimmte Punkt   ist. Für festgelegtes   heißt die zugehörige Abbildung   Translation (Verschiebung) oder präzise Translation um den Vektor   und   heißt dann der zugehörige Translationsvektor.

Translationen sind stets Bijektionen. Sie bilden zusammen mit der Hintereinanderschaltung als Gruppenverknüpfung eine Untergruppe der Automorphismengruppe   von  , wobei   und für   stets   und   gelten[2].

Anmerkung: Wegen   schreibt man auch oft   statt  . Es gilt dann   genau dann, wenn  .

Affiner Unterraum

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Wenn   ein festgelegter Punkt aus   ist und   ein Untervektorraum von  , dann ist   ein affiner Unterraum von  . Anstelle des Begriffs „affiner Unterraum“ wird auch oft die äquivalente Bezeichnung affiner Teilraum verwendet. Der zu einem affinen Teilraum   gehörige Untervektorraum   ist durch   eindeutig bestimmt.

Die Dimension eines affinen Raums   zu einem Vektorraum   über einem Körper   ist definiert als die Dimension des Vektorraums   über  . Oft ist es bequem, auch die leere Menge als affinen (Teil-)Raum anzusehen. Diesem leeren Teilraum wird dann die Dimension -1 zugeordnet.

Der affine Punktraum und der ihm zugeordnete Vektorraum

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Wenn im affinen Raum   ein Punkt   als Ursprung fest gewählt wird, hat man durch die Abbildung, die jedem Punkt   die Verschiebung  , den Ortsvektor von  , zuordnet, eine eineindeutige Abbildung zwischen dem affinen Raum und seinem Vektorraum der Verschiebungen. Dabei ist zu beachten, dass diese Zuordnung zwischen Punkten und Ortsvektoren von der Wahl des Ursprungs abhängt.

Umgekehrt kann man jeden Vektorraum   als affinen Punktraum ansehen:   mit   ist die Abbildung, die zwei Punkten ihren Verbindungsvektor zuordnet. Damit wird von vornherein ein Punkt des affinen Raumes ausgezeichnet, nämlich der Nullvektor des Vektorraums.

Im ersten Fall kann nach der Identifizierung eines Punktes mit seinem Ortsvektor (abhängig von der Wahl des Ursprungs!), im zweiten Fall kann von vornherein die Addition im Vektorraum   so aufgefasst werden, dass die Gruppe   als Abbildungsgruppe der Verschiebungen auf sich selbst als Menge von Punkten operiert.

Aus diesen Gründen wird manchmal auf eine rigide Unterscheidung zwischen dem affinen Punktraum einerseits und dem Vektorraum der Verschiebungsvektoren andererseits verzichtet.

Beispiele

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Verwendung in der algebraischen Geometrie

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  • In der klassischen algebraischen Geometrie ist der  -dimensionale affine Raum   über einem algebraisch abgeschlossenen Körper   die algebraische Varietät  .
  • In der modernen algebraischen Geometrie ist der  -dimensionale affine Raum   über einem kommutativen Ring   mit Einselement definiert als das Spektrum des Polynomringes   in   Unbestimmten.
    Für eine  -Algebra   sind die  -wertigen Punkte von   gleich  .

Definitionen der synthetischen Geometrie

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Ein affiner Raum im Sinne der synthetischen Geometrie besteht aus den folgenden Daten:

  • einer Menge von Punkten,
  • einer Menge von Geraden,
  • einer Inzidenzrelation, die angibt, welche Punkte auf welchen Geraden liegen und
  • einer Parallelitätsrelation, die angibt, welche Geraden parallel sind,

so dass gewisse Axiome erfüllt sind, die die Anschauung nahelegt (unter anderem Euklids berühmtes Parallelenaxiom).

Die so definierten Strukturen verallgemeinern den Begriff affiner Raum, der im vorliegenden Artikel definiert wird. So gilt:

  1. Jeder zweidimensionale affine Raum erfüllt die Forderungen an eine affine Ebene. Eine affine Ebene, die den Satz von Desargues erfüllt, bestimmt einen eindeutigen Schiefkörper, so dass sie geometrisch isomorph zum zweidimensionalen affinen Raum über diesem Schiefkörper ist.
  2. Jeder affine Raum erfüllt die Forderungen an eine affine Geometrie. Eine affine Geometrie, die mindestens dreidimensional ist (d. h., die eine affine Ebene als echten Teilraum enthält), erfüllt den Satz von Desargues und bestimmt einen eindeutigen Schiefkörper, so dass sie geometrisch isomorph zu einem mindestens dreidimensionalen Raum über diesem Schiefkörper ist.
  3. Jeder affine Raum ist ein schwach affiner Raum.
  4. Jeder endliche, mindestens zweidimensionale affine Raum ist ein Blockplan.

→ Siehe für weitere Details die genannten Artikel, in denen die verallgemeinerten Strukturen beschrieben sind. Wie sich der Begriff „affiner Raum“ (als Raum mit Verschiebungen, die einen Vektorraum bilden) von den axiomatischen Begriffen der synthetischen Geometrie abgrenzen lässt, wird im Artikel Affine Geometrie genauer dargestellt.

Siehe auch

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Literatur

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  • Rolf Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. Verlag Rolf Brandl, Hof 1996.
  • Gerd Fischer: Analytische Geometrie. 6., überarbeitete Auflage. Vieweg, Braunschweig/Wiesbaden 1992, ISBN 3-528-57235-3.
  • Siegfried Guber: Lineare Algebra und analytische Geometrie. 2., unveränderte Auflage. Universitätsbuchhandlung Rudolf Merkel, Erlangen 1970 (Vorlesung, ausgearbeitet von Gerd Heinlein und Gunter Ritter).
  • Günter Pickert: Analytische Geometrie. 6., durchgesehene Auflage. Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig, Leipzig 1967.

Einzelnachweise und Anmerkungen

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  1. Rolf Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. Verlag Rolf Brandl, Hof 1996, S. 10 ff.
  2. Rolf Brandl: Vorlesungen über Analytische Geometrie. Verlag Rolf Brandl, Hof 1996, S. 14.