Kern (Algebra)

Abweichung der Abbildung von der Injektivität

Der Kern einer Abbildung dient in der Algebra dazu, anzugeben, wie stark die Abbildung von der Injektivität abweicht. Dabei ist die genaue Definition abhängig davon, welche algebraischen Strukturen betrachtet werden. So besteht beispielsweise der Kern einer linearen Abbildung zwischen Vektorräumen und aus denjenigen Vektoren in , die auf den Nullvektor in abgebildet werden; er ist also die Lösungsmenge der homogenen linearen Gleichung und wird hier auch Nullraum genannt. In diesem Fall ist genau dann injektiv, wenn der Kern nur aus dem Nullvektor in besteht. Analoge Definitionen gelten für Gruppen- und Ringhomomorphismen. Der Kern ist von zentraler Bedeutung im Homomorphiesatz.

Definition Bearbeiten

 
aller Elemente von  , die auf das neutrale Element   von   abgebildet werden, Kern von   genannt. Er ist ein Normalteiler in  .
 
der Kern von  . Er ist ein Untervektorraum (allgemeiner ein Untermodul) von  .
  • Ist   ein Ringhomomorphismus, so ist die Menge
 
der Kern von  . Er ist ein zweiseitiges Ideal in  .

Im Englischen wird statt   auch   oder   (für engl. kernel) geschrieben.

Bedeutung Bearbeiten

Der Kern eines Gruppenhomomorphismus enthält immer das neutrale Element, der Kern einer linearen Abbildung enthält immer den Nullvektor. Enthält er nur das neutrale Element bzw. den Nullvektor, so nennt man den Kern trivial.

Eine lineare Abbildung bzw. ein Homomorphismus ist genau dann injektiv, wenn der Kern nur aus dem Nullvektor bzw. dem neutralen Element besteht (also trivial ist).[1]

Der Kern ist von zentraler Bedeutung im Homomorphiesatz.[2]

Beispiel (lineare Abbildung von Vektorräumen) Bearbeiten

Wir betrachten die lineare Abbildung  , die durch

 

definiert ist. Die Abbildung   bildet genau die Vektoren der Form

 

auf den Nullvektor ab und andere nicht. Der Kern von   ist also die Menge

 .

Geometrisch ist der Kern in diesem Fall eine Gerade (die  -Achse) und hat demnach die Dimension 1. Die Dimension des Kerns wird auch als Defekt bezeichnet und kann mit Hilfe des Rangsatzes explizit berechnet werden.[1]

Verallgemeinerungen Bearbeiten

Universelle Algebra Bearbeiten

In der universellen Algebra ist der Kern einer Abbildung   die durch   induzierte Äquivalenzrelation auf  , also die Menge  . Wenn   und   algebraische Strukturen gleichen Typs sind (zum Beispiel   und   sind Verbände) und   ein Homomorphismus von   nach   ist, dann ist die Äquivalenzrelation   auch eine Kongruenzrelation. Umgekehrt zeigt man auch leicht, dass jede Kongruenzrelation Kern eines Homomorphismus ist. Die Abbildung   ist genau dann injektiv, wenn   die Identitätsrelation   auf   ist.

Kategorientheorie Bearbeiten

In einer Kategorie   mit Nullobjekten ist ein Kern eines Morphismus   der Differenzkern des Paares  , das heißt charakterisiert durch die folgende universelle Eigenschaft:

  • Für die Inklusion   gilt  .
  • Ist   ein Morphismus, so dass   ist, so faktorisiert   eindeutig über  .

Abstrakter formuliert bedeutet das, dass der Kern sich aus dem universellen Morphismus vom Einbettungsfunktor von   in   zum   entsprechenden Objekt ergibt.

Kokern Bearbeiten

Der Kokern, Alternativschreibweise Cokern, ist der duale Begriff zum Kern.

Ist   eine lineare Abbildung von Vektorräumen über einem Körper, so ist der Kokern von   der Quotient von   nach dem Bild von  .

Entsprechend ist der Kokern für Homomorphismen abelscher Gruppen oder Moduln über einem Ring definiert.

Der Kokern mit der Projektion   erfüllt die folgende universelle Eigenschaft: Jeder Homomorphismus  , für den   gilt, faktorisiert eindeutig über   und es gilt  . Er ergibt sich in einer Kategorie   mit Nullobjekten aus dem universellen Morphismus vom   entsprechenden Objekt zum Einbettungsfunktor von   in  .

Diese Eigenschaft ist auch die Definition für den Kokern in beliebigen Kategorien mit Nullobjekten. In abelschen Kategorien stimmt der Kokern mit dem Quotienten nach dem Bild überein.

Literatur Bearbeiten

  • Tilo Arens, Rolf Busam, Frank Hettlich, Christian Karpfinger, Hellmuth Stachel: Grundwissen Mathematikstudium - Analysis und Lineare Algebra mit Querverbindungen: Analysis und Lineare Algebra mit Querverbindungen. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg 2013, S. 74f, S. 425f, doi:10.1007/978-3-8274-2309-2.
  • Kenneth Kuttler: A First Course in Linear Algebra. libretexts.org, 5.7 (englisch, The Kernel and Image of A Linear Map).
  • Serlo: Mathe für Nicht-Freaks: Lineare Algebra 1. WikiBooks (Kern einer linearen Abbildung).

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Tim Netzer: Lineare Algebra. (pdf) In: Universität Innsbruck. 222, abgerufen am 15. September 2023.
  2. Jessica K. Sklar: A First Course in Linear Algebra. libretexts.org, 9.1 (englisch, The_First_Isomorphism_Theorem).