Olympische Sommerspiele 1908/Leichtathletik – Marathon (Männer)

Der Marathonlauf der Männer bei den Olympischen Spielen 1908 in London wurde am 24. Juli 1908 auf einem Kurs durch London mit dem Startpunkt Schloss Windsor und Ziel im White City Stadium entschieden.

Olympische Ringe
Leichtathletik
Sportart Leichtathletik
Disziplin Marathonlauf
Geschlecht Männer
Ort Start: Windsor Castle
Ziel: White City Stadium
Teilnehmer 56 Athleten aus 16 Ländern
Wettkampfphase 24. Juli 1908
Medaillengewinner
Gold Gold John Hayes (Vereinigte Staaten 46 USA)
Silbermedaillen Silber Charles Hefferon (Vereinigtes Konigreich 1801 RSA)
Bronzemedaillen Bronze Joseph Forshaw (Vereinigte Staaten 46 USA)

Es wurde zunächst auch vom White City Stadium eine Strecke von 25 Meilen Länge vermessen. Diese reichte aber nur bis zur Barnespool-Brücke in Eton. Da aber schon zuvor das Schloss Windsor als Startpunkt festgelegt worden war, musste die Distanz um exakt eine Meile verlängert werden. So wäre unter Beibehaltung der Streckenlänge das Rennen allerdings am Stadioneingang zu Ende gewesen. Bis zum Ziel vor der königlichen Loge mussten deshalb noch 385 Yards hinzugefügt werden. Daraus ergaben sich 42,195 km. Als sich in den Folgejahren immer mehr Marathonveranstaltungen die Londoner Streckenlänge übernommen hatten, beschloss die IAAF im Mai 1921, diese offiziell in den Regeln festzuschreiben.

Unter dramatischen Umständen, die unten näher beschrieben sind, wurde der US-Amerikaner John Hayes Olympiasieger. Der Südafrikaner Charles Hefferon gewann die Silbermedaille. Bronze ging an den US-Amerikaner Joseph Forshaw.

Aufgrund der damals noch nicht einheitlichen Distanzen bei Marathonläufen sind Rekorde und Bestleistungen unter Vorbehalt zu sehen. Die inoffizielle Weltbestzeit wurde in einem Rennen über 39 km aufgestellt, der olympische Rekord – je nach Lesart – über 41,86 oder 42 km. Beim Olympiarekord stellt sich die Frage, ob das Resultat der Athener Zwischenspiele von 1906 mitgerechnet wird oder ob nur die Ergebnisse der alle vier Jahre stattfindenden regulären Olympischen Spiele zählen. In der folgenden Auflistung sind beide Varianten dargestellt.

Distanz Zeit (h) Name Land Datum
Weltbestzeit 39 km 2:24:24,0 Tom Longboat Kanada 1868  CAN 1907
ORZählung mit Zwischenspielen 41,86 km 2:51:23,6 Billy Sherring Kanada 1868  CAN Zwischenspiele Athen (GRE), 1. Mai 1906
ORZählung ohne Zwischenspiele 42 km 2:58:50 Spyridon Louis Königreich Griechenland  GRE Olympische Spiele Athen (GRE), 10. April 1896

Die Siegerzeit von London wird als olympischer Rekord geführt, da die Strecke erstmal die heute übliche Länge von 42,195 Kilometern hatte und damit länger war als bei allen früheren Austragungen einschließlich der Zwischenspiele von 1906.

OR 2:55:18,4 John Hayes Vereinigte Staaten 46  USA 24. Juli 1908

Ergebnis

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Dorando Pietri erreichte die Ziellinie nur mit Hilfe von Offiziellen und musste disqualifiziert werden
 
Olympiasieger John Hayes
 
Silber­medaillen­gewinner Charles Hefferon, auch Vierter über 5 Meilen
 
Bronze­medaillengewinner Joseph Forshaw
 
Der Olympiaachte John Svanberg, auch Bronze­medaillen­gewinner über 5 Meilen
Platz Athlet Land Zeit (h)
1 John Hayes Vereinigte Staaten 46  USA 2:55:18,4 OR
2 Charles Hefferon Vereinigtes Konigreich 1801  Südafrika 2:56:06,0000
3 Joseph Forshaw Vereinigte Staaten 46  USA 2:57:10,4000
4 Alton Welton Vereinigte Staaten 46  USA 2:59:44,4000
5 William Wood Kanada 1868  Kanada 3:01:44,0000
6 Frederick Simpson Kanada 1868  Kanada 3:04:28,2000
7 Harry Lawson Kanada 1868  Kanada 3:06:47,2000
8 John Svanberg Schweden  Schweden 3:07:50,8000
9 Lewis Tewanima Vereinigte Staaten 46  USA 3:09:15,0000
10 Kalle Nieminen Finnland Großfurstentum 1883  Finnland 3:09:50,8000
11 Jack Caffery Kanada 1868  Kanada 3:12:46,0000
12 William Clarke Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien 3:16:08,6000
13 Ernest Barnes Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien 3:17:30,8000
14 Sidney Hatch Vereinigte Staaten 46  USA 3:17:52,4000
15 Fred Lord Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien 3:19:08,8000
16 William Goldsboro Kanada 1868  Kanada 3:20:07,0000
17 James Beale Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien 3:20:14,0000
18 Arnošt Nejedlý Böhmen  Böhmen 3:26:26,2000
19 Georg Lind Russisches Kaiserreich 1883  Russland 3:26:38,8000
20 Willem Wakker Niederlande  Niederlande 3:28:49,0000
21 Gustaf Törnros Schweden  Schweden 3:20:20,8000
22 George Goulding Kanada 1868  Kanada 3:33:26,4000
23 Julius Jørgensen Danemark  Dänemark 3:47:44,0000
24 Arthur Burn Kanada 1868  Kanada 3:50:17,0000
25 Emmerich Rath Osterreich Cisleithanien  Österreich 3:50:30,4000
26 Rudy Hansen Danemark  Dänemark 3:53:15,0000
27 George Lister Kanada 1868  Kanada 4:22:45,0000
Victor Aitken Australasien  Australasien DNF000
Tom Longboat Kanada 1868  Kanada
Fred Appleby Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien
Jack Price Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien
John Tait Kanada 1868  Kanada
Frederick Thompson Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien
Henry Barrett Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien
Fritz Reiser Deutsches Reich  Deutschland
Alexander Duncan Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien
Umberto Blasi Italien 1861  Italien
Tom Jack Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien
George Blake Australasien  Australasien
Joseph Lynch Australasien  Australasien
Albert Wyatt Vereinigtes Konigreich 1801  Großbritannien
Wilhelmus Braams Niederlande  Niederlande
François Celis Belgien  Belgien
Eddie Cotter Kanada 1868  Kanada
Fred Noseworthy Kanada 1868  Kanada
Nikolaos Kouloumberdas Königreich Griechenland  Griechenland
Anastasios Koutoulakis Königreich Griechenland  Griechenland
George Buff Niederlande  Niederlande
Arie Vosbergen Niederlande  Niederlande
James Mitchell Baker Vereinigtes Konigreich 1801  Südafrika
Johan Lindquist Schweden  Schweden
Seth Landquist Schweden  Schweden
Tom Morrissey Vereinigte Staaten 46  USA
Michael J. Ryan Vereinigte Staaten 46  USA
Dorando Pietri Italien 1861  Italien DSQ000

Der Lauf fand bei Sonnenschein und hohen Temperaturen statt. Nach der fünften Meile führte eine Sechsergruppe mit vier Briten, dem Italiener Dorando Pietri und dem Südafrikaner Charles Hefferon. Doch diese Gruppe war das Rennen viel zu schnell angegangen und fiel nach und nach auseinander. An der Spitze baute Hefferon seinen Vorsprung kontinuierlich aus und lag nach zwanzig Meilen (32,2 km) 3:52 min vor Pietri. Doch Pietri beschleunigte plötzlich, was den Verdacht aufkommen lässt, dass er mit Strychninsulfat gedopt war. Hefferon brach nach 22 Meilen (35,4 km) unerwartet ein, wurde von Pietri bei Meile 25 und wenig später auch von John Hayes überholt. Mit großem Vorsprung kam Pietri im vollbesetzten White City Stadium an, nur noch eine halbe Stadionrunde trennte ihn vom sicheren Olympiasieg. Aber er hatte sich völlig verausgabt, war benommen und bog zunächst in die falsche Richtung ab. Als die Kampfrichter ihm den richtigen Weg zum Ziel wiesen, brach Pietri völlig entkräftet zusammen. Er konnte sich wieder aufrappeln, fiel jedoch auf den letzten 350 Metern weitere drei Mal zu Boden. Zehn Meter vor dem Ziel brach er zum fünften Mal zusammen, woraufhin er von einigen Mitleid empfindenden Ärzten und Kampfrichtern über die Ziellinie geschoben wurde. 32 Sekunden nach Pietri traf auch Hayes im Ziel ein.

Pietri musste aufgrund der unerlaubten Hilfestellung disqualifiziert werden, erhielt aber am darauf folgenden Tag von Königin Alexandra von Dänemark für seine Leistung einen Goldpokal. Olympiasieger Hayes, dem weitaus weniger Aufmerksamkeit zuteilgeworden war, wurde von seinen amerikanischen Teamkollegen auf einen Tisch gesetzt und jubelnd um das Stadion getragen.

Der Sherlock-Holmes-Autor Arthur Conan Doyle schrieb für die Zeitung Daily Mail einen ausführlichen und emotionalen Bericht über dieses Ereignis, der viel dazu beitrug, die Geschichte von Dorando Pietri bekannt zu machen. Gleichzeitig rief Doyle zu Spenden für den Italiener auf. Doyles großes Engagement ist wahrscheinlich der Grund für die weit verbreitete Legende, er selbst habe Pietri über die Ziellinie geholfen.

Literatur

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