Idempotenz

Begriff der Mathematik und Informatik

Idempotenz ist eine Bezeichnung aus der Mathematik und Informatik. In der Mathematik bezeichnet man ein Objekt , das mit einer Verknüpfung die Eigenschaft hat, als idempotent bezüglich dieser Verknüpfung. Ein wichtiger Spezialfall sind idempotente Funktionen bezüglich der Hintereinanderausführung. Analog dazu wird in der Informatik ein Stück Programmcode, das mehrfach hintereinander ausgeführt das gleiche Ergebnis wie bei einer einzigen Ausführung liefert, als idempotent bezeichnet.

EtymologieBearbeiten

Neologismus (sprachliche Neubildung) aus lateinisch idem → la für „derselbe“ oder „dasselbe“ und dem Substantiv Potenz („in der Mathematik: Produkt mehrerer gleicher Faktoren“), abgeleitet von lateinisch potentia → la für „Vermögen“, „Kraft“ oder „Wirksamkeit“.[1]

DefinitionenBearbeiten

Idempotente ElementeBearbeiten

Ein Element   einer Menge   heißt idempotent bezüglich einer  -stelligen Verknüpfung   und   falls gilt:

 

Falls   ist und die Verknüpfung (wie etwa bei der Multiplikation in Ringen üblich) in Potenzschreibweise notiert wird, schreibt sich die Bedingung als

 

woraus unmittelbar

  für alle  

folgt, was die Bezeichnung Idempotenz (lat. für gleiche Potenz) erklärt.

Erfüllt dagegen   für eine einstellige Verknüpfung   die Gleichung

 

dann ist   ein Fixpunkt von  

Idempotente FunktionenBearbeiten

Man nennt eine einstellige Verknüpfung oder Funktion   idempotent, wenn sie bezüglich der Komposition idempotent ist:

 

d. h., für alle   ergibt eine zweimalige Anwendung von   den gleichen Wert wie die einmalige:  .

Idempotente algebraische StrukturenBearbeiten

Sind alle Elemente einer Halbgruppe (oder allgemeiner eines Magmas)   idempotent bezüglich  , dann wird auch   selbst idempotent genannt. Alternativ wird eine idempotente Halbgruppe auch oft als ein Band bezeichnet.[2][3] Jedes kommutative Band heißt Halbverband. Man nennt eine Halbgruppe   global idempotent, falls gilt:

  mit  .

Einen Halbring   einen Fastring   sowie einen Ring   bezeichnet man als idempotent, falls jeweils   bzw.   idempotent ist. Im Gegensatz dazu ist ein Dioid   ein Hemiring mit Einselement und idempotenter Addition.

BeispieleBearbeiten

Idempotente Verknüpfungen:

  • Bezüglich der Multiplikation sind die Lösungen   und   der Gleichung   die einzigen idempotenten reellen Zahlen.
  • Bezüglich einer zweistelligen Verknüpfung   ist ein (links- oder rechts-)neutrales Element   stets idempotent:   In einer Gruppe ist das neutrale Element das einzige idempotente Element.
  • In einem Ring mit Eins sind   und   stets idempotente Elemente bezüglich der Multiplikation. Falls der Ring nicht nullteilerfrei ist, können auch noch weitere idempotente Elemente existieren. Beispielsweise gilt im Restklassenring  
  und  .
  • In einem Verband   sind alle Elemente idempotent bezüglich der Verknüpfungen   und  . D.h. es gilt stets   und  . Entsprechendes gilt für die Halbverbände   und  .
  • Absorbierende Elemente sind immer idempotent.

Idempotente Abbildungen:

  • Konstante Funktionen:  
  • Identische Abbildung:  
  •  , wenn  
  • Projektionen, z. B.  
  • Betragsfunktionen:  
  • Hüllenoperatoren.
  • Kernoperatoren.

EigenschaftenBearbeiten

 
idempotent ist. Insbesondere ist   diagonalisierbar und alle Eigenwerte von   sind   oder  . Geometrisch können idempotente lineare Abbildungen als Projektion des Vektorraums auf einen Untervektorraum interpretiert werden.
  • Jeder idempotente Ring   ist kommutativ, denn es gilt für alle  
 
(zweite und fünfte Gleichung wegen der Idempotenz, dritte und vierte Gleichung wegen der Distributivität), also
 
Damit gilt auch, indem man   und   setzt und wiederum die Idempotenz nutzt,
 
Folglich ist
 
Insbesondere gilt auch (wegen der Idempotenz und wegen (1) mit  )
  bzw.  
  • Ein idempotenter Fastring   ist genau dann kommutativ, wenn er distributiv ist, denn:
Falls   kommutativ ist, gilt für alle  
 
Ist hingegen   distributiv, so folgt daraus genau so wie bei einem idempotenten Ring die Kommutativität.

InformatikBearbeiten

In der Informatik wird Idempotenz von Recovery-Maßnahmen bei Datenbanken und Diensten gefordert, um Fehlertoleranz bei einem Absturz während einer Wiederanlaufphase zu gewährleisten. Undo- und Redo-Operationen müssen hier auch bei mehrfacher Hintereinanderausführung dasselbe Resultat zur Folge haben.

Rein lesende Services sind von Natur aus idempotent, da der Zustand der Daten nicht geändert wird. Jeder nicht idempotente schreibende Service kann zu einem idempotenten Service gemacht werden.

BeispielBearbeiten

Bei einem Service zum Verbuchen von Geldbeträgen ist der Aufruf einzahlen(100) nicht idempotent, da bei mehrmaligem Service-Aufruf der Betrag 100 mehrmals eingezahlt wird. Würde man hingegen neuerKontostand(600) aufrufen, so würde bei mehrmaligem Service-Aufruf der Kontostand gleich bleiben. Dieser Aufruf wäre idempotent.

Siehe auchBearbeiten

LiteraturBearbeiten

  • Jeremy Gunawardena: An introduction to idempotency in J. Gunawardena (Hrsg.): Idempotency, Cambridge University Press, 1998, ISBN 0-521-55344-X, S. 1–49 (englisch; Vorabveröffentlichung online, PDF-Datei, 414 kB)
  • Munindar Paul Singh, Michael N. Huhns: Service-oriented Computing: Semantics, Processes, Agents. Wiley 2005, ISBN 0470091487, S. 54 (Auszug in der Google-Buchsuche)

EinzelnachweiseBearbeiten

  1. Idempotenz. In: Wiktionary. 20. Mai 2019 (wiktionary.org [abgerufen am 21. Oktober 2022]).
  2. L. N. Shevrin: Semi-group of Idempotents. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org).
  3. Günther Eisenreich, Ralf Sube: Langenscheidts Fachwörterbuch Mathematik. Langenscheidt 1996, ISBN 3861170744, S. 381 (Auszug in der Google-Buchsuche)