Die momenterzeugende Funktion ist eine Funktion, die in der Wahrscheinlichkeitstheorie einer Zufallsvariablen zugeordnet wird. In vielen Fällen ist diese Funktion in einer Umgebung des Nullpunktes in den reellen bzw. komplexen Zahlen definiert und kann dann mittels Ableitung zur Berechnung der Momente der Zufallsvariablen verwendet werden, woraus sich ihr Name erklärt.

Definition

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Die momenterzeugende Funktion einer Zufallsvariablen   ist definiert durch[1]

 ,

wobei für   reelle Zahlen eingesetzt werden können, sofern der Erwartungswert auf der rechten Seite existiert. Dieser Ausdruck ist mindestens für   definiert. In vielen Fällen, siehe unten, ist diese Funktion in einer Umgebung von 0 definiert, und kann dann wie folgt in eine Potenzreihe entwickelt werden:

 .

Dabei gilt   und die   sind die Momente von  .

Die momenterzeugende Funktion hängt nur von der Verteilung von   ab. Wenn die momenterzeugende Funktion einer Verteilung in einer Umgebung von 0 existiert, so sagt man, etwas unpräzise aber allgemein gebräuchlich, die Verteilung habe eine momenterzeugende Funktion. Existiert   nur für  , so sagt man entsprechend, dass die Verteilung keine momenterzeugende Funktion habe.

Stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen

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Falls   eine stetige Wahrscheinlichkeitsdichte   hat, kann man obigen Erwartungswert mittels dieser Dichte schreiben und erhält für die momenterzeugende Funktion

 
 
 

Dabei ist   das  -te Moment von  . Der Ausdruck   ist also gerade die zweiseitige Laplacetransformation des durch   festgelegten Wahrscheinlichkeitsmaßes.

Bemerkungen

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Ursprung des Begriffs der momenterzeugenden Funktion

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Die Bezeichnung momenterzeugend bezieht sich darauf, dass die  -te Ableitung von   im Punkt 0 (Null) gleich dem  -ten Moment der Zufallsvariablen   ist:

 .

Das liest man direkt an der oben angegebenen Potenzreihe ab. Durch die Angabe aller nicht verschwindenden Momente ist jede Wahrscheinlichkeitsverteilung vollständig festgelegt, falls die momenterzeugende Funktion auf einem offenen Intervall   existiert  .

Die erste Erwähnung des Begriffs momenterzeugende Funktion scheint französischsprachig (la fonction génératrice des moments) im Jahr 1925 durch V. Romanovsky erfolgt zu sein.[2][3] Im englischen Sprachraum wird die erste Verwendung des Begriffs moment generating function Ronald A. Fisher im Jahr 1929 zugeschrieben.[4][3]

Zusammenhang mit der charakteristischen Funktion

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Die momenterzeugende Funktion steht in engem Zusammenhang mit der charakteristischen Funktion  . Es gilt  , falls die momenterzeugende Funktion existiert. Im Gegensatz zur momenterzeugenden Funktion existiert die charakteristische Funktion für beliebige Zufallsvariablen.

Zusammenhang mit der wahrscheinlichkeitserzeugenden Funktion

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Des Weiteren besteht noch ein Zusammenhang zur wahrscheinlichkeitserzeugenden Funktion. Diese ist jedoch nur für  -wertige Zufallsvariablen definiert und zwar als  . Damit gilt   für diskrete Zufallsvariablen.

Zusammenhang mit der kumulantenerzeugenden Funktion

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Die kumulantenerzeugende Funktion wird als natürlicher Logarithmus der momenterzeugenden Funktion definiert. Aus ihr wird der Begriff der Kumulante abgeleitet.

Summen unabhängiger Zufallsvariablen

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Die momenterzeugende Funktion einer Summe unabhängiger Zufallsvariablen ist das Produkt ihrer momenterzeugenden Funktionen: Sind   unabhängig, dann gilt für  

 ,

wobei beim vorletzten Gleichheitszeichen verwendet wurde, dass der Erwartungswert eines Produktes unabhängiger Zufallsvariablen gleich dem Produkt ihrer Erwartungswerte ist.

Linear-affine Transformationen

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Ist   eine Zufallsvariable mit momenterzeugender Funktion  , so hat die transformierte Zufallsvariable   mit   die momenterzeugende Funktion   mit

 

Eindeutigkeitseigenschaft

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Ist die momenterzeugende Funktion einer Zufallsvariablen   in einer Umgebung von   endlich, so bestimmt sie die Verteilung von   eindeutig.[5]

Seien   und   zwei Zufallsvariablen mit momenterzeugenden Funktionen   und   derart, dass es ein   gibt mit   für alle  . Dann gilt   genau dann, wenn   für alle   gilt.

Konvexität

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Jede momenterzeugende Funktion ist konvex. Sie ist sogar strikt konvex, wenn  .[6]

Beispiele

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Für viele Verteilungen kann man die momenterzeugende Funktion direkt angeben:

Verteilung Momenterzeugende Funktion MX(t)
Bernoulli-Verteilung    
Betaverteilung  [7]  
Binomialverteilung    
Cauchy-Verteilung Die Cauchy-Verteilung hat keine momenterzeugende Funktion.[8]
Chi-Quadrat-Verteilung   [9]  
Erlang-Verteilung     für  
Exponentialverteilung     für  
Gammaverteilung    
Geometrische Verteilung mit Parameter    
Gleichverteilung über    
Laplace-Verteilung mit Parametern  [10]  
Negative Binomialverteilung     für  
Normalverteilung    
Poisson-Verteilung mit Parameter    

Verallgemeinerung auf mehrdimensionale Zufallsvariablen

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Die momenterzeugende Funktion lässt sich auf  -dimensionale reelle Zufallsvektoren   wie folgt erweitern:

 ,

wobei   das Standardskalarprodukt bezeichnet.

Wenn die Komponenten des Zufallsvektors paarweise voneinander unabhängig sind, dann ergibt sich die momenterzeugende Funktion als Produkt aus den momentgenerierenden Funktionen von eindimensionalen Zufallsvariablen:

 .

Siehe auch

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Literatur

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  • Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2. Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, S. 378 ff.

Einzelnachweise

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  1. Robert G. Gallager: Stochastic Processes. Cambridge University Press, 2013, ISBN 978-1-107-03975-9, Kapitel 1.5.5: Moment generating functions and other transforms
  2. V. Romanovsky: Sur Certaines éspérances Mathématiques es sur l'Erreur Moyenne du Coefficient de Corrélation. In: Comptes Rendus. Band 180, 1295, S. 1897–1899, S. 1898.
  3. a b Earliest Known Uses of Some of the Words of Mathematics (M). Abgerufen am 7. November 2023.
  4. Ronald A. Fisher: Moments and Product Moments of Sampling Distributions. In: Proceedings of the London Mathematical Society, Series 2. Band 30, 1929, S. 238.
  5. J. H. Curtiss: A Note on the Theory of Moment Generating Functions. In: The Annals of Mathematical Statistics. Band 13, Nr. 4, 1942, S. 430–155 (projecteuclid.org [abgerufen am 7. November 2023]).
  6. Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. Springer, Berlin / Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-89730-9, S. 380.
  7. Otto J.W.F. Kardaun: Classical Methods of Statistics. Springer-Verlag, 2005, ISBN 3-540-21115-2, S. 44.
  8. Allan Gut: Probability: A Graduate Course. Springer-Verlag, 2012, ISBN 978-1-4614-4707-8, Kapitel 8, Beispiel 8.2.
  9. A. C. Davison: Statistical Models. Cambridge University Press, 2008, ISBN 978-1-4672-0331-9, Kapitel 3.2.
  10. Hisashi Tanizaki: Computational Methods in Statistics and Econometrics. Verlag Taylor and Francis, 2004, ISBN 0-203-02202-5, Abschnitt 2.2.11.