Liste von vom NS-Regime vertriebenen Wissenschaftlern der Universität Halle

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Die Liste von vom NS-Regime vertriebenen Wissenschaftlern der Universität Halle umfasst ohne Anspruch auf Vollständigkeit, soweit bekannt, Wissenschaftler der Universität Halle, die vom NS-Regime abgesetzt oder entfernt, verhaftet, zur Emigration gezwungen, in den Suizid getrieben oder ermordet wurden. Die Erstfassung dieser Liste beruht auf den Angaben in Maximilian Scheers Buch Das deutsche Volk klagt an, welches 1936 im Pariser Exil entstand.[1]

Zitate Bearbeiten

„Die Hitlerregierung hat nach ihrem Machtantritt nicht nur die jüdischen Gelehrten von den deutschen Universitäten und Hochschulen verjagt. Sie hat die Pazifisten abgesetzt oder verhaftet, die Sozialdemokraten entfernt oder eingesperrt, sie hat alle freiheitlich Denkenden von den deutschen Lehrstühlen vertrieben. Die berühmtesten Forscher und Denker mussten den dröhnenden Militärstiefeln der Garden Hitlers weichen.“

Das deutsche Volk klagt an: Reprint aus dem Jahr 2012, Hamburg: Laika-Verlag, Seite 55

„Auch an den Universitäten: Es gab 1945 keine ‚Stunde Null‘. Nicht im Westen, nicht im Osten. Noch 1954 waren rund 31 bis 46 Prozent der an den DDR-Universitäten beschäftigten Professoren vormalige NSDAP-Mitglieder. 1962 waren es in der Medizin und in den technischen Fächern sogar bis zu 37 Prozent, ‚wie denn überhaupt die Mediziner in Ost und West Spitzenreiter waren‘, schreibt der Wissenschaftshistoriker Rüdiger vom Bruch in der am Montag erscheinenden Dokumentation ‚Ausgeschlossen. Gedenken an die 1933 bis 1945 von der Universität Halle-Wittenberg entlassenen Hochschullehrer‘“

Christian Eger: : Ausgeschlossene Hochschullehrer, Mitteldeutsche Zeitung, 20. November 2013[2]

Zahlen Bearbeiten

Die Forschungen von Michael Grüttner und Sven Kinas[3] ergeben folgendes Bild betreffend die Universität Halle:

  • Entlassungen (einschl. entlassungsähnliche Fälle): 38 (von 245)
    • darunter Opfer der NS-Rassenideologie: 34, aus anderen Gründen entlassen: 4
    • davon sind emigriert: 20, nicht emigriert: 18
  • Freiwilliger Rücktritt mit politischem Hintergrund: 3 (alle nicht emigriert)
  • Vertreibungsverlust insgesamt: 41
  • Opfer nationalsozialistischer Vernichtungspolitik: 2, Suizide: 4

Namensliste Bearbeiten

Universität Halle
Name Fach geboren weiterer Lebensweg
Philosophische Fakultät
Gustav Aubin Nationalökonom und Wirtschaftshistoriker 13. März 1881 in Reichenberg Gestorben am 15. September 1938
Reinhold Baer Mathematiker 22. Juli 1902 in Berlin Emigration nach England, 1935 in die USA
Clemens Bosch Althistoriker, Numismatiker 6. Oktober 1899 in Köln Emigration in die Türkei
Paul Frankl Kunsthistoriker 2. Januar 1878 in Prag Emigration in die USA
Adhémar Gelb Psychologe 18. November 1887 in Moskau Emigration in die Niederlande, verstarb an Tuberkulose im Schwarzwald
Betty Heimann Indologin 29. März 1888 in Wandsbek Emigration nach England
Karl Heldmann [1] Historiker 19. September 1869 in Viermünden Gestorben am 12. März 1943 in Kassel-Wilhelmshöhe
Friedrich Hertz Soziologe, Nationalökonom, Kulturhistoriker 26. März 1878 in Wien Rückkehr nach Österreich, 1938 Emigration nach England
Arnold Japha Zoologe, Anthropologe 12. September 1877 in Königsberg Suizid am 16. Mai 1943, um der Deportation zu entgehen
Emil Utitz Philosoph, Psychologe, Kunsttheoretiker 27. Mai 1883 in Roztoky Überlebte das Ghetto Theresienstadt, lehrte ab 1945 in Prag
Ernst Wertheimer Biochemiker 24. August 1893 in Bühl Emigration nach Palästina
Mojzis Woskin-Nahartabi Hebraist 16. Dezember 1884 in Russland Emigrierte nach Prag, Ghetto Theresienstadt, ermordet am 19. Oktober 1944 im KZ Auschwitz
Juristische Fakultät
Georg Brodnitz Staatswissenschaftler 18. November 1876 in Berlin Am 18. Oktober 1941 ins Ghetto Litzmannstadt deportiert, dort ermordet am 4. Dezember 1941
Max Fleischmann Rechtswissenschaftler 5. Oktober 1872 in Breslau Weigerte sich, den Judenstern zu tragen, entzog sich der Verhaftung durch die Gestapo 1943 durch Selbsttötung
Ernst Grünfeld Ökonom 11. September 1883 in Brünn Nachdem ihm die Adoptivtochter entzogen wurde, 1938 Selbsttötung
Rudolf Joerges Rechtswissenschaftler 19. Juni 1868 in Altenkirchen Einstweiliger Ruhestand, 1945 Rückkehr auf seinen Lehrstuhl
Guido Kisch Rechtshistoriker 22. Januar 1889 in Prag Emigration in die USA
Friedrich Kitzinger Strafrechtler 8. November 1872 in Fürth Emigration nach England, Rückkehr, KZ Dachau, Emigration nach Palästina
Arthur Wegner Strafrechtler 25. Februar 1900 in Berlin Einstweiliger Ruhestand im Juni 1937, 1938 Emigration nach England, dann 1940 nach Kanada; 1945 Rückkehr nach Deutschland und erneut Hochschullehrer an deutschen Universitäten, zuletzt vor der Emeritierung von 1963 bis 1965 Professor mit Lehrstuhl für Strafrecht und Geschichte des Strafrechts an der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Theologische Fakultät
Günther Dehn Theologe 18. April 1882 in Schwerin 14 Monate Haft wegen verbotener Lehr- und Prüfungstätigkeit
Unbekannte Fakultät
Martin Kochmann Pharmakologe und Toxikologe 7. Februar 1878 in Breslau Suizid am 11. September 1936 nach der Verhaftung durch die Gestapo

Quellen für Entlassungen und Vertreibungen:[1][3]

Wissenschaftler mit Halle-Bezug Bearbeiten

Weiters wurden folgende Wissenschaftler vom NS-Regime in ihrer Lehrtätigkeit behindert, aus dem akademischen Betrieb vertrieben, deportiert, ermordet, ins Exil oder in den Suizid getrieben:

Quelle für Entlassungen und Vertreibungen:[3]

Gedenken Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Friedemann Stengel (Hrsg.): Ausgeschlossen. Gedenken an die 1933 bis 1945 von der Universität Halle-Wittenberg entlassenen Hochschullehrer. Halle : Universitätsverlag Halle-Wittenberg, 2016, ISBN 978-3-86977-146-5 (nicht eingesehen)
  • Sven Kinas: Akademischer Exodus. Die Vertreibung von Hochschullehrern aus den Universitäten Berlin, Frankfurt am Main, Greifswald und Halle 1933-1945, Heidelberg 2018.
  • Henrik Eberle: Die Martin-Luther-Universität in der Zeit des Nationalsozialismus. Mdv, Halle 2002, ISBN 3-89812-150-X

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Maximilian Scheer (Hrsg.): Das deutsche Volk klagt an, 1936, Reprint: Laika, Hamburg, 2012, ISBN 9783942281201, S. 63.
  2. Christian Eger: Universität Halle Ausgeschlossene Hochschullehrer, Mitteldeutsche Zeitung, 20. November 2013, abgerufen am 3. Dezember 2016
  3. a b c Michael Grüttner und Sven Kinas: Die Vertreibung von Wissenschaftlern aus den deutschen Universitäten 1933–1945, S. 170, abgerufen am 5. Dezember 2016.
  4. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Vertrieben aus rassistischen Gründen. Die Akademie der Wissenschaften 1933-1945 (Memento des Originals vom 22. Dezember 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bbaw.de, Ausstellung im Rahmen des Berliner Themenjahres 2013 Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933-1938-1945., S. 35, abgerufen am 18. Dezember 2016