Kohomologie

Äquivalenzrelationen in der Mathematik
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Kohomologie ist ein mathematisches Konzept, das in vielen Teilbereichen zum Einsatz kommt, ursprünglich in der algebraischen Topologie. Das Wort Kohomologie wird dabei in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet: Einerseits für die Grundkonstruktion der Kohomologie eines beliebigen Kokettenkomplexes, andererseits für die Anwendung dieser Grundkonstruktion auf konkrete Kokettenkomplexe, die man z. B. aus einer Mannigfaltigkeit (De-Rham-Kohomologie), einem topologischen Raum (singuläre Kohomologie), einem Simplizialkomplex (simpliziale Kohomologie) oder einer Gruppe (Gruppenkohomologie) erhält. Ein allgemeines Konstruktionsverfahren für verallgemeinerte Kohomologietheorien benutzt sogenannte Spektren.

Das Konzept wurde in den 1930er Jahren unabhängig von Andrei Kolmogorow und James W. Alexander entwickelt.

Kohomologie eines Kokettenkomplexes

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Grundkonstruktion

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Sei   ein Kokettenkomplex. Das bedeutet:

  1. für jedes   ist eine abelsche Gruppe   gegeben (allgemein: ein Objekt einer abelschen Kategorie)
  2. für jedes   ist ein Gruppenhomomorphismus   gegeben (allgemein: ein Morphismus), genannt Differential oder Korandoperator
  3. für jedes   gilt   als Abbildung  

Daraus kann man die folgenden Gruppen konstruieren:

  •  . Elemente von   heißen  -Kozykeln.
  •  . Elemente von   heißen  -Koränder. Wegen Bedingung 3. ist  , jeder Korand ist also ein Kozykel. Zwei Kozykel heißen kohomolog, wenn ihre Differenz ein Korand ist. Kohomolog zu sein, ist eine Äquivalenzrelation.
  •  , genannt die  -te Kohomologiegruppe von  . Ihre Elemente sind Äquivalenzklassen von Kozykeln für die Äquivalenzrelation „kohomolog“. Genau dann gilt  , wenn   an der Stelle   exakt ist. Die Kohomologiegruppe ist also ein Maß für Nichtexaktheit.

An dieser Stelle sind Kohomologie und Homologie noch nahezu synonym: Für einen Kokettenkomplex   ist   mit  ,   ein Kettenkomplex, und  .

Sind   und   zwei Kokettenkomplexe und   eine Kettenabbildung, d. h. gilt   für alle  , erhält man funktorielle Homomorphismen  . Sind zwei Kettenabbildungen   homotop, ist  .

Die lange exakte Sequenz

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Sei eine kurze exakte Sequenz von Kokettenkomplexen gegeben:

 

(die   seien der Übersichtlichkeit halber weggelassen). Das bedeutet:   und   sind Kettenabbildungen, und für jedes   ist

 

exakt. Dann gibt es so genannte Verbindungshomomorphismen  , so dass die Sequenz

 

exakt ist.

  kann so konstruiert werden: Sei   (Kozykel in  ). Weil   surjektiv ist, besitzt   ein Urbild  . Es ist  , also ist   für ein  . Nun ist  , aber weil   injektiv ist, folgt  , also ist   ein  -Kozykel, und man kann   setzen. (Zu einem vollständigen Beweis fehlt noch der Nachweis der Wohldefiniertheit, d. h., dass   ein Korand ist, wenn   ein Korand ist.) Argumente dieses Typs heißen Diagrammjagd.

Das Schlangenlemma ist ein Spezialfall dieser Konstruktion.

Abgeleitete Kategorien

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In vielen Anwendungen ist kein eindeutig bestimmter Kokettenkomplex vorgegeben, dessen Kohomologie man bilden möchte, sondern man muss oder zumindest kann Wahlen treffen, die sich aber auf das Endergebnis, die Kohomologie, nicht auswirken. Die abgeleitete Kategorie ist eine Modifikation der Kategorie der Kokettenkomplexe, in der diese verschiedenen Wahlen bereits isomorph sind, so dass der letzte Schritt, das Bilden der Kohomologie, nicht mehr nötig ist, um Eindeutigkeit zu erreichen.

Kohomologietheorien

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Allgemeines

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Eine typische Kohomologietheorie hat die Form von Gruppen   für  , wobei   ein Raum und   im einfachsten Fall eine abelsche Gruppe ist. Weitere häufige Eigenschaften sind:

  •   ist kontravariant in   und kovariant in  
  • Es gibt eine lange exakte Kohomologiesequenz.
  • Es gibt Produkte  , so dass   zu einem graduierten Ring wird, wenn   selbst ein Ring ist.

Zwar hängen viele der Kohomologietheorien miteinander zusammen und liefern in Fällen, in denen mehrere Theorien anwendbar sind, auch häufig ähnliche Resultate, aber es gibt keine allumfassende Definition.

Es folgen noch einige Beispiele.

De-Rham-Kohomologie

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Sei   eine glatte Mannigfaltigkeit. Die De-Rham-Kohomologie   von   ist die Kohomologie des Komplexes

 

(nach links ergänzt durch Nullen), wobei   die globalen Differentialformen vom Grad   und   die Cartan-Ableitung sind.

Ist   eine glatte Abbildung zwischen glatten Mannigfaltigkeiten, vertauscht das Zurückziehen   von Differentialformen mit der Cartan-Ableitung, also definiert   eine Kettenabbildung, die Homomorphismen   induziert.

Das Dachprodukt von Differentialformen induziert eine Produktstruktur auf  .

Vektorbündel mit flachem Zusammenhang sind eine geeignete Koeffizientenkategorie für die De-Rham-Kohomologie.

Singuläre Kohomologie

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Sei   ein topologischer Raum und   eine abelsche Gruppe. Sei weiter   das Standard- -Simplex. Die Seitenflächen eines Simplex sind selbst wieder Simplizes, entsprechend den Einbettungen  ,   für  . Sei nun   die Menge der stetigen Abbildungen   in einen topologischen Raum  . Durch Verkettung mit   bekommt man Abbildungen  . Im nächsten Schritt sei   die freie abelsche Gruppe auf der Menge  , und   definiert durch   für  . Es ist  , also ist   ein Kettenkomplex, der singuläre Kettenkomplex von  . Setzt man schließlich   und  ,  , erhält man den singulären Kokettenkomplex von  , dessen Kohomologie die singuläre Kohomologie   ist.

  wird als der Koeffizientenring der Kohomologietheorie bezeichnet.

Als Integrale Kohomologie wird die Kohomologie mit Koeffizienten   bezeichnet.

Für eine stetige Abbildung   erhält man eine Kettenabbildung  , daraus eine Kettenabbildung   und somit einen funktoriellen Homomorphismus  .

Für einen Teilraum   ist   ein Unterkomplex von  , und mit   erhält man eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen, die durch Anwendung von   eine kurze exakte Sequenz von Kokettenkomplexen ergibt:

 

Daraus erhält man nach der allgemeinen Konstruktion eine lange exakte Kohomologiesequenz:

 

Für den Vergleich der Kohomologiegruppen   und   für verschiedene Koeffizientengruppen   kann man das so genannte universelle Koeffiziententheorem benutzen.

Samuel Eilenberg und Norman Steenrod haben eine Liste von einfachen Eigenschaften angegeben, die eine Kohomologietheorie für topologische Räume besitzen sollte, die Eilenberg-Steenrod-Axiome. Es gibt im Wesentlichen nur eine Kohomologietheorie, die die Axiome erfüllt, und singuläre Kohomologie ist eine solche.

Gruppenkohomologie

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Die Gruppenkohomologie   hat zwei Argumente: eine Gruppe   und einen  -Modul  . Im Koeffizientenargument   ist die Kohomologie kovariant, und es gibt eine lange exakte Kohomologiesequenz. Im Argument   ist die Kohomologie in einem geeigneten Sinn kontravariant, z. B. wenn man als Koeffizienten eine feste abelsche Gruppe mit trivialer Operation wählt. Der Zusammenhang zwischen der Kohomologie einer Gruppe und einer Faktorgruppe bzw. eines Normalteilers wird durch die Hochschild-Serre-Spektralsequenz beschrieben.

Kohomologiering

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Die direkte Summe   wird mit dem Cup-Produkt zu einem gradiert kommutativen Ring, dem sogenannten Kohomologiering des Raumes X.

Nichtabelsche Kohomologie

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Nicht in das Schema der oben angegebenen Grundkonstruktion passen verschiedene Konstruktionen, die eine Kohomologie   für nichtabelsche Koeffizienten liefern, aber meistens auf   und   begrenzt sind, z. B. in der Gruppen- oder Garbenkohomologie. Jean Giraud hat eine Interpretation der nichtabelschen Kohomologie für   mit Hilfe von Gerben erarbeitet.

Siehe auch

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Literatur

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  • I. M. Gelfand, Y. Manin: Homological Algebra (= Encyclopaedia of Mathematical Sciences. Volume 138: Algebra. V). 1st edition, 2nd printing. Springer, Berlin u. a. 1999, ISBN 3-540-65378-3.
  • Jean Giraud: Cohomologie non abélienne (= Die Grundlehren der mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen mit besonderer Berücksichtigung der Anwendungsgebiete 179). Springer, Berlin u. a. 1971, ISBN 3-540-05307-7.
  • Allen Hatcher: Algebraic Topology. Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2002, ISBN 0-521-79540-0.
  • Charles A. Weibel: An introduction to homological algebra (= Cambridge Studies in Advanced Mathematics 38). Cambridge University Press, Cambridge u. a. 2003, ISBN 0-521-55987-1.