ChristenUnie

Politische Partei in den Niederlanden

Die ChristenUnie (ausgesprochen [krɪstən yni]; Abkürzung CU; deutsch Christen-Union) ist eine christlich-demokratische politische Partei mit strenggläubig-calvinistischer Ausrichtung[2] in den Niederlanden.

ChristenUnie
Parteiführerin Mirjam Bikker
Partei­vorsitzende Ankie van Tatenhove
Fraktionsvorsitzende
Zweite Kammer
Mirjam Bikker
Fraktionsvorsitzende
Erste Kammer
Tineke Huizinga
EP-Delegationsleiter Peter van Dalen
Gründung 22. Januar 2000
Hauptsitz Amersfoort
Ausrichtung Christdemokratie
Konservatismus
Sitze Zweite Kammer
3 / 150 (2 %)
Sitze Erste Kammer
3 / 75 (4 %)
Mitglieder­zahl 25.281 (2023)[1]
Sitze EU-Parlament
1 / 29 (3,4 %)
Europapartei Europäische Christliche Politische Bewegung
EP-Fraktion Europäische Volkspartei
Website www.christenunie.nl

Struktur und Ausrichtung Bearbeiten

Die Partei ist die achtgrößte Partei der Niederlande mit zeitweise mehr als 27.000 Mitgliedern. Die meisten ihrer Wähler gehören mehr oder weniger traditionellen calvinistischen[3] Kirchen an. Die ChristenUnie hat eine Jugendorganisation, PerspectieF, und betreibt ein wissenschaftliches Institut, die nach Guillaume Groen van Prinsterer benannte Mr. G. Groen van Prinsterer Stichting.

Die Partei bezeichnet sich selbst als christelijk-sociaal („christlich-sozial“). Damit ist gemeint, dass sie hinsichtlich ethischer Fragen wie Abtreibung, Sterbehilfe oder gleichgeschlechtlicher Ehe bibeltreue Positionen einnimmt, bei wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen sowie Umweltschutz aber eher sozial bzw. links votiert.[4] Eine Einordnung ins klassische Links-Rechts-Spektrum fällt daher schwer.[5] Ihre Positionen leitet die Partei nach eigenen Angaben aus der Bibel ab. Sie stellt die Herrschaft Gottes über das politische Leben, erkennt jedoch die Trennung von Staat und Kirche an.[6]

Geschichte Bearbeiten

Die Partei wurde am 22. Januar 2000 als Fusion zweier Parteien gegründet, dem Gereformeerd Politiek Verbond (GPV; gegründet 1948) und der Reformatorische Politieke Federatie (RPF; gegründet 1975, beide hervorgegangen aus der Anti-Revolutionaire Partij). GPV und RPF waren bis zur Wahl 1998 einzeln angetreten. Die Parteien hatten in der Summe fünf (GPV 2, RPF 3) von 150 Sitzen im niederländischen Parlament vor der Wahl 2002. Es wurde mit Zugewinnen gerechnet, doch das Gegenteil trat ein, die ChristenUnie verlor einen Sitz und fiel auf vier Sitze zurück.

Der Vorsitzende war Kars Veling. Nach der Wahl 2002 wurde argumentiert, dass er gut imstande gewesen sei, die Partei, die immer noch im Rahmen der alten GPV-RPF-Linie geteilt war, zusammenzuhalten; er sei aber kein interessanter Kandidat für die Normalbevölkerung gewesen. So wurde André Rouvoet zum neuen Vorsitzenden gewählt. Bei der Wahl 2003 verlor die ChristenUnie einen Sitz und behielt nur 3, bei der Wahl 2006 konnte sie sich auf 4 % der Stimmen und 6 Mandate verbessern. Bei der vorgezogenen Neuwahl im Juni 2010 büßte die ChristenUnie mit einem Stimmanteil von 3,2 % ein Mandat ein.

Die CU errang bei der Europawahl 2004 einen Sitz. Bei der Europawahl 2009 erreichte man im Bündnis mit der evangelisch-reformierten Staatkundig Gereformeerde Partij zwei Sitze, von denen auf jeder der beiden Parteien ein Sitz entfällt. Bis 2009 gehörte die CU im Europäischen Parlament der europaskeptischen Fraktion Unabhängigkeit/Demokratie an, danach war sie an der Gründung der neuen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) beteiligt. Allerdings gehört die CU anders als die übrigen EKR-Mitgliedsparteien nicht auch der Partei Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten (AEKR) an, sondern der Europäischen Christlichen Politischen Bewegung (ECPB). Diese wurde Anfang 2010 als politische Partei auf europäischer Ebene anerkannt.

Im Jahre 2019 verließ die ChristenUnie die EKR wegen des EKR-Zutritts vom rechtspopulistischen Forum voor Democratie und trat der Europäischen Volkspartei (EVP) bei. Die SGP, mit der die Partei seit jeher in Europa eine Listenvereinigung hatte, blieb der EKR treu.

Wahlergebnisse Bearbeiten

Parlamentswahlen (Zweite Kammer)
Wahl Stimmen (%) Mandate
2002 2,5
4 / 150
2003 2,1
3 / 150
2006 4,0
6 / 150
2010 3,2
5 / 150
2012 3,1
5 / 150
2017 3,4
5 / 150
2021 3,4
5 / 150
2023 2,0
3 / 150
Europawahlen (zusammen mit der SGP)1
Wahl Stimmen (%) Mandate
2004 5,9
1 / 27
20092 6,8
1 / 25
2014 7,7
1 / 26
20193 6,8
1 / 26
1 
Wahl 1999, RPF und GPV: ein Mandat
2 
Mandate (seit 2011): 1/26
3 
Mandate (seit 2020): 1/29
Erste Kammer (indirekte Wahlen)
Wahl Mandate
2003 zwei Sitze
2007 vier Sitze
2011 zwei Sitze
2015 drei Sitze
2019 vier Sitze
2023 drei Sitze

Regierungsbeteiligung Bearbeiten

Kabinett Balkenende IV (2007–2010) Bearbeiten

Seit dem Februar 2007 war die ChristenUnie neben CDA und PvdA der dritte Partner in der Regierungskoalition. Sie stellte im Kabinett Balkenende IV zwei Minister: Der Parteivorsitzende Rouvoet übernahm das Ressort Jugend und Familie und amtierte als einer der stellvertretenden Ministerpräsidenten, Eimert van Middelkoop führte das Verteidigungsministerium. Nach dem Bruch der Koalition und dem Rücktritt der PvdA-Minister im Februar 2010 bildeten CDA und CU ein geschäftsführendes Kabinett ohne parlamentarische Mehrheit.

Kabinett Rutte III (2017–2021) Bearbeiten

Nach den Parlamentswahlen 2017 führten die liberale VVD, der christendemokratische CDA und der sozialliberale D66 zusammen mit GroenLinks Gespräche für eine neue Regierung, zweimal scheiterte die Regierungsbildung wegen des Themas Migration. Letztendlich gelang es den drei Parteien mit der ChristenUnie ein neues Kabinett mit der kleinstmöglichen Mehrheit in der Zweiten Kammer zu bilden (76 Sitze).

Seit Oktober 2017 stellt die ChristenUnie im Kabinett Rutte III mit Carola Schouten einen der drei stellvertretenden Ministerpräsidenten und die Ministerin für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität sowie mit Arie Slob den Minister für Schulwesen und Medien. Paul Blokhuis wurde Staatssekretär für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport.

Kabinett Rutte IV (2022–heute) Bearbeiten

Nach der Parlamentswahl 2021 war die ChristenUnie erneut an einer Koalitionsregierung, dem Kabinett Rutte IV, beteiligt. Die Regierung zerbrach am 7. Juli 2023, da die ChristenUnie sich weigerte, Familienzusammenführungen zu erschweren.[7]

Fraktionsvorsitzende Bearbeiten

Erste Kammer:

Zweite Kammer:

Mitglieder Bearbeiten

Jahr Mitgliederzahl[1]
2002 27.250
2003 27.000
2004 25.074
2005 24.235
2006 24.156
2007 26.673
2008 27.683
2009 26.745
2010 26.441
2011 25.489
2012 24.776
2013 24.080
2014 23.631
2015 23.521
2016 23.398
2017 23.695
2018 25.071
2019 25.170
2020 25.238
2021 25.495
2022 26.167
2023 25.281

Literatur Bearbeiten

  • Annette Birschel: Politik mit der Bibel. In Hollands neuer Regierung spielen orthodoxe Calvinisten eine wichtige Rolle. In: Zeitzeichen, August 2007. Heft 3, S. 45–47.
  • Rob Nijhoff: Die ChristenUnie – pluralistisch aus Prinzip. In: Carla van Baalen u. a.: Eine zersplitterte Landschaft. Beiträge zur Geschichte und Gegenwart niederländischer politischer Parteien. Amsterdam University Press, Amsterdam 2018, ISBN 978-90-485-4064-8, S. 39–58.

Weblinks Bearbeiten

Commons: ChristenUnie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Ledentallen. In: Documentatiecentrum Nederlandse Politieke Partijen. Rijksuniversiteit Groningen, 23. Februar 2023, abgerufen am 25. Februar 2023 (niederländisch).
  2. Paul F. State: A brief history of the Netherlands. Facts On File, New York 2008, S. 244 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Vgl. Annette Birschel, Politik mit der Bibel. In „Zeitzeichen. Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft“, Heft 3, S. 45–47
  4. Joop W. Koopmans: Historical Dictionary of the Netherlands. 3. Auflage, Rowman & Littlefield, Lanham (MD)/London 2016, S. 71, Eintrag ChristenUnie.
  5. Links en rechts. In: Parlement.com, abgerufen am 24. Mai 2019.
  6. ChristenUnie (CU). In: Parlement.com, abgerufen am 24. Mai 2019.
  7. Helga Schmidt: Nach Rücktritt: Welche Pläne hat Rutte? Abgerufen am 8. Juli 2023.