Geometrische Reihe

Summe einer geometrischen Folge

Eine geometrische Reihe ist die Reihe einer geometrischen Folge. Bei einer geometrischen Folge ist der Quotient zweier benachbarter Folgenglieder konstant:

Die geometrische Reihe für , oder konvergiert

Die Folgenglieder der zugehörigen geometrischen Reihe ergeben sich aus den Summenabschnitten:

Ein Quotient ergibt eine divergente geometrische Reihe, z. B. für und Startwert

zusammengefasst also

Für konvergiert die geometrische Reihe hingegen; es gilt in diesem Fall

mit der Festlegung , die im Zusammenhang mit Potenzreihen üblich ist.

Bei identischem Startwert 1 und einem Quotienten von 12 ergibt sich zum Beispiel: 1, 1 + 12, 1 + 12 + 14, 1 + 12 + 14 + 18, …, also 1, 32, 74, 158, … mit dem Grenzwert .

Berechnung der (endlichen) Partialsummen einer geometrischen Reihe Bearbeiten

Eine Reihe ist per Definition eine Folge von Partialsummen. Der Wert der Reihe ist der Grenzwert dieser Folge von Partialsummen. Eine endliche Summe ist somit ein Folgenglied aus der Folge der Partialsummen. Die (endliche) Summe der ersten   Glieder einer Reihe bezeichnet man also als  -te Partialsumme und nicht etwa als „Partialreihe“ o. ä.

Gegeben sei eine geometrische Folge  .

 

ist der Grenzwert der zugehörigen geometrischen Reihe.

Wir können daraus eine neue Folge

 

konstruieren, deren  -tes Glied jeweils die Summe der ersten   Glieder der Reihe   ist, die sogenannte  -te Partialsumme von  . Diese Folge heißt die Folge der Partialsummen zu  . (Genau genommen wird in umgekehrter Reihenfolge die Reihe auf Grundlage von Partialsummen einer Folge definiert. Die obige und übliche Schreibweise für die Reihe gibt das aber nicht her, deshalb müssen wir aus ihr erst die Folge der Partialsummen rekonstruieren.) Falls sie konvergiert, wird über sie der Wert der Reihe   definiert. Es gilt für den Wert der Reihe   (hier wird nicht mehr von „Grenzwert“ gesprochen):

 

in Worten: Der Wert der Reihe   ist definiert als der Grenzwert der zu ihr gehörigen Partialsummen-Folge, falls diese konvergiert, andernfalls wird die Reihe als divergent bezeichnet. Falls in diesem Falle die Folge der Partialsummen gegen (plus / minus) Unendlich strebt, schreibt man gewöhnlich   oder   und sagt, die Folge konvergiere gegen den uneigentlichen Grenzwert (plus / minus) Unendlich oder die Reihe habe den uneigentlichen Wert (plus / minus) Unendlich. (Eine Berechnungsformel für den Grenzwert folgt weiter unten.)

Mit   bezeichnen wir nun das Verhältnis   zweier benachbarter Glieder, das für alle   gleich ist.

Dann gilt   für alle  .

Für die  -te Partialsumme   ergibt sich damit:

 

Wenn  , dann gilt (Herleitung siehe unten)

 

Falls  , so gilt

 

Das Obige gilt, wenn die Folgenglieder Elemente eines unitären Ringes sind, also insbesondere, wenn es reelle Zahlen sind.

Verwandte Summenformeln Bearbeiten

  • Die Partialsumme
 
hat für   das Ergebnis
 
und für   (vgl. Gaußsche Summenformel)
 ;
diese Formel ergibt sich auch aus der Formel für   (mit zweifacher Anwendung der Regel von de L’Hospital) als deren Grenzwert für  .
  • Die Partialsumme
 
hat für   das Ergebnis
 
und für   (vgl. Potenzsummen)
 

Beispiele Bearbeiten

Zahlenbeispiel Bearbeiten

Gegeben sei die geometrische Folge

 

mit   und   Die zugehörige geometrische Reihe ist

 

Die zugehörige Folge von Partialsummen ergibt sich zu

 
 
 
 

usw.

Geometrische Veranschaulichungen Bearbeiten

 
Figur 1
 
Figur 2

Zur Summenformel Bearbeiten

Das große gleichseitige Dreieck  , dessen Flächeninhalt ohne Beschränkung der Allgemeinheit als   angenommen wird, setzt sich aus drei flächengleichen unendlichen Folgen gleichseitiger Dreiecke (rot, gelb, blau) zusammen, deren Grenzwerte jeweils  mal so groß sind wie das Dreieck   (Figur 1). Wegen der Selbstähnlichkeit der Dreiecke  ,  ,  , … und ihrer Mittendreieck-Eigenschaften besitzt jede der drei Dreiecksfolgen den Grenzwert

 .

Also gilt

 .[1][2]

Zu einer verwandten Summenformel Bearbeiten

In Figur 2 gilt:

 .

Dies bestätigt die Partialsummenformel

 

für  ,   und  .[3][4]

Rentenrechnung Bearbeiten

Angenommen, man zahlt am Anfang eines jeden Jahres 2000 € bei einer Bank ein und die Zinsen liegen bei 5 % [d. h. der Zinsfaktor ist:  ]. Wie viel Geld hat man am Ende des fünften Jahres?

Das im ersten Jahr eingezahlte Geld wird fünf Jahre lang verzinst, man erhält dafür am Ende inklusive Zinseszins 2000 · 1,055 €. Das im zweiten Jahr eingezahlte Geld wird nur noch vier Jahre verzinst und so weiter. Insgesamt ergibt sich dann durch die Rentenrechnung ein angesparter Betrag von

 

Durch Zinsen hat sich das Kapital somit um 1603,83 € erhöht. Beim Nachrechnen von Kontoauszügen ist zu bedenken, dass im Bankenwesen nicht mathematisch gerundet wird.

Zum Vergleich: Würden nicht Jahr für Jahr je 2000 € eingezahlt, sondern gleich von Beginn an die ganzen 10000 € über 5 Jahre bei 5 % Zinsen angelegt, so wäre der Endbetrag

 

also ein Kapitalertrag von 2762,82 €.

Allgemein gilt: Beträgt die Einlage am Anfang jedes Jahres  , der Zinsfaktor   und die Laufzeit   Jahre, dann ist der Endwert

 .

Rentenrechnung mit linearer Dynamik Bearbeiten

Zahlt man im Gegensatz zum vorigen Beispiel nicht jährlich einen festen Beitrag  , sondern ab dem 2. Jahr jedes Jahr   mehr als im Vorjahr (lineare Dynamik) ein, so ist der Endwert

 

zum Beispiel mit   € im ersten Jahr, jedes Jahr   € mehr als im Vorjahr, 5 % Zinsen (also Zinsfaktor  ) und   Jahren Laufzeit, dann ist der am Ende des 5. Jahres angesparte Betrag

 

wobei in diesem Beispiel nicht 10.000 €, sondern insgesamt 11.000 € eingezahlt wurden, also beträgt der Gewinn 1.707,65 €. Zahlt man statt   € im ersten Jahr nur   € ein und lässt die anderen Faktoren gleich (sodass man wie im vorletzten Beispiel insgesamt 10.000 € einzahlt), dann ist der Endwert nur noch 11.547,27 €, das heißt zahlt man den gleichen Betrag ein, nur zu Beginn weniger, dafür später mehr, dann entgehen einem Gewinne (Opportunitätskosten).

Periodische Dezimalbrüche Bearbeiten

Periodische Dezimalbruchentwicklungen enthalten eine geometrische Reihe, welche mit den obigen Formeln wieder in einen Bruch umgewandelt werden kann.

Beispiel 1:

 

Beispiel 2:

 

Achilles und die Schildkröte Bearbeiten

Ein sehr anschauliches Beispiel für die Anwendung (und sogar Herleitung des Grenzwerts) der geometrischen Reihe ist Geschichte von Achilles und der Schildkröte.

Der für seine Schnelligkeit bekannte Athlet Achilles tritt in einem Wettlauf gegen eine langsame Schildkröte an. Beide starten zum selben Zeitpunkt, aber die Schildkröte erhält anfangs einen Vorsprung von, zum Beispiel,  . Obwohl Achilles mit einer um den Faktor  , mit  , höheren Geschwindigkeit als die der Schildkröte läuft, kann er sie scheinbar niemals einholen. Denn: Sobald Achilles   weit gelaufen ist, also den Punkt erreicht hat, an dem die Schildkröte gestartet ist, ist eine gewisse Zeit verstrichen. In dieser Zeit hat die Schildkröte die Strecke   zurückgelegt. Achilles muss also die entsprechende Strecke weiterlaufen, um die Schildkröte einzuholen. Derweil hat die Schildkröte jedoch weitere   zurückgelegt. Achilles hat die Schildkröte immer noch nicht eingeholt. Er läuft entsprechend weiter, muss nun allerdings feststellen, dass die Schildkröte in der Zwischenzeit abermals eine gewisse Strecke zusätzlich zurückgelegt hat; dieses Mal sind es  . Dieses Spiel setzt sich unendlich oft fort.

Der Punkt  , an welchem Achilles die Schildkröte endlich einholen wird, ist gegeben durch die unendliche Summe

 

Alternativ können wir   durch das Aufstellen zweier linearer Gleichungen bestimmen. Es seien

 

die Bewegungsgleichungen der Schildkröte bzw. von Achilles, wobei   die Geschwindigkeit der Schildkröte und   die verstrichene Zeit ist. Wir suchen nun die  -Koordinate des Schnittpunkts von   und  . Durch Gleichsetzen beider Gleichungen, Umformung auf   und Einsetzen von   in eine der beiden Gleichungen erhalten wir  . Der Wert ist endlich; Achilles wird die Schildkröte also doch einholen. Vergleichen wir diese Lösung mit derjenigen von oben, so finden wir

 

wobei im letzten Schritt auf beiden Seiten durch   geteilt und die Variable  , mit  , eingeführt wurde.

Konvergenz und Wert der geometrischen Reihe Bearbeiten

 
Konvergenz der geometrischen Reihe für  
 
Konvergenz der geometrischen Reihe auf der Zahlengeraden
 
  ( )

Eine geometrische Reihe bzw. die Folge ihrer Partialsummen konvergiert genau dann, wenn der Betrag der reellen (oder komplexen) Zahl   kleiner als Eins oder ihr Anfangsglied   gleich Null ist. Für   oder   konvergiert die zugrundeliegende geometrische Folge nämlich gegen Null:

 .

Nach dem Nullfolgenkriterium ist dies eine notwendige Bedingung für die Konvergenz der geometrischen Reihe. Da für   und   die Grundfolge divergiert, liegt in diesem Falle somit auch Divergenz der Reihe vor.

Für   ergibt sich die Divergenz der geometrischen Reihe aus

 ,

ein Ausdruck, der für   und   divergiert.

Für den Fall   ergibt sich die Divergenz immer als bestimmte Divergenz (s. o.), für den Fall   immer als unbestimmte Divergenz. Die geometrische Reihe konvergiert auch absolut, sofern sie auf normale Weise konvergiert.

Der Wert der Reihe im Konvergenzfall ergibt sich aus jener obenstehenden Formel für die  -ten Partialsummen durch Grenzwertbildung ( ) für   zu

 

denn es ist  

Die letzte Formel ist sogar in jeder Banach-Algebra gültig, solange die Norm von   kleiner als Eins ist; im Kontext linearer Operatoren spricht man auch von der Neumann-Reihe.

Herleitungen Bearbeiten

Song von DorFuchs mit einer Herleitung der Gleichung für die geometrische Reihe

Herleitung der Formel für die Partialsummen Bearbeiten

Die  -te Partialsumme der geometrischen Reihe lässt sich wie folgt berechnen:

 

Vereinfacht:

    (Gleichung 1)

Durch Multiplikation mit   ergibt sich:

    (Gleichung 2)

Wenn man Gleichung 2 von Gleichung 1 subtrahiert, erhält man:

 

Ausklammern von  :

 

Teilen durch   liefert für   die gesuchte Formel für die Partialsummen:

 

Herleitung der Varianten Bearbeiten

Mithilfe der oben angegebenen Formel lassen sich durch gliedweise Differentiation auch folgende endliche Reihen geschlossen darstellen, für  

 
 

Für   konvergieren nach Grenzwertbildung der zugehörigen endlichen Reihe auch die unendlichen Reihen (folglich sind diese sogar gliedweise integrierbar):

 
 

analog für höhere Potenzen.

Mittels der Euler-Polynome   kann die Reihe auch für beliebige   direkt angegeben werden.

 

Allgemein stellt diese Variante die Definition des Polylogarithmus dar.

 

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Albrecht Beutelspacher: Mathe-Basics zum Studienbeginn: Survival-Kit Mathematik. Springer, 2016, S. 198–199
  • Otto Forster: Analysis 1. Differential- und Integralrechnung einer Veränderlichen. Vieweg-Verlag, 12. Aufl. 2015, ISBN 978-3-658-11544-9
  • George E. Andrews: The Geometric Series in Calculus. The American Mathematical Monthly, Band 105, Nr. 1 (Jan., 1998), S. 36–40 (JSTOR:2589524)
  • Joscelyn A. Jarrett: Regular Polygons and the Geometric Series. The Mathematics Teacher, Band 75, Nr. 3 (März 1982), S. 258–261 (JSTOR:27962874)

Weblinks Bearbeiten

Commons: Geometric series – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Roger B. Nelsen: Beweise ohne Worte, Deutschsprachige Ausgabe herausgegeben von Nicola Oswald, Springer Spektrum, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-50330-0, Seite 180
  2. Mathematics Magazine, vol. 72, no. 1 (Feb. 1999), S. 63
  3. Roger B. Nelsen: Beweise ohne Worte, Deutschsprachige Ausgabe herausgegeben von Nicola Oswald, Springer Spektrum, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-50330-0, Seite 186
  4. Mathematics Magazine, vol. 62, no. 5 (Dec. 1989), S. 332–333