Das Jahr 1830 stand in weiten Teilen Europas im Zeichen revolutionärer Bewegungen. Als prägende Ereignisse gingen die französische Julirevolution, die belgische Revolution und der polnische Novemberaufstand in die Geschichte ein. Auch in deutschen und italienischen Staaten kam es zu Unruhen. In Großbritannien setzte sich unter dem neuen König Wilhelm IV. allmählich ein politischer Reformkurs durch. Auf dem Balkan änderten sich offiziell die Machtverhältnisse: Während Griechenland die volle staatliche Souveränität erlangen konnte, gestand der osmanische Sultan Serbien eine weitergehende Autonomie zu. Das Jahr 1830 markierte in den Vereinigten Staaten von Amerika den Beginn einer neuen Indianerpolitik, die die Ureinwohner in Reservate trieb. An der Grenze zu Mexiko nahmen als Folge eines neuen Einwanderungsgesetzes Zusammenstöße zwischen US-Siedlern und mexikanischen Soldaten zu. Ohne den außenpolitischen Druck durch die spanische Kolonialmacht schwand in dem gerade erst unabhängigen Großkolumbien der innere Zusammenhalt. Von dem Staatsverband spalteten sich daher neue Staaten wie Venezuela und Ecuador ab. Im Jahr 1830 trat die Verfassung des zwei Jahre zuvor gegründeten Uruguay in Kraft. Chile erlebte einen Bürgerkrieg, aus dem die konservativen Kräfte gestärkt hervorgingen. Wie in den Vereinigten Staaten von Amerika spitzte sich auch in Australien der Konflikt zwischen Ureinwohnern und Siedlern zu. In Afrika begann die französische Eroberung Algeriens. 1830 beanspruchte der ägyptische Statthalter Muhammad Ali eine erbliche Herrscherwürde über Ägypten und Syrien. Diese Politik führte in den folgenden Jahren zu einer militärischen Eskalation im Nahen Osten mit dem Osmanischen Reich. Südostasien geriet gegenüber europäischen Kolonialmächten in die Defensive. Während die Niederlande einen Aufstand in Java niederschlagen konnten und ihre Herrschaft festigten, baute in China die britische East India Company ihren illegalen Schmuggelhandel mit Opium weiter aus. In technischer Hinsicht nahm vor allem in Großbritannien der Ausbau des Eisenbahnnetzes neue Größendimensionen an.

1830
‚Die Freiheit führt das Volk‘ von Eugène Delacroix (1830)
‚Die Freiheit führt das Volk‘ von Eugène Delacroix (1830)
In Frankreich führt die Julirevolution von 1830
zum Sturz von König Karl X. und dem Beginn der Julimonarchie.
König Louis-Philippe I.
König Louis-Philippe I.
Louis-Philippe I. wird
König der Franzosen.
William IV.
William IV.
William IV. wird britischer König
und König von Hannover.
1830 in anderen Kalendern
Armenischer Kalender 1278/79 (Jahreswechsel Juli)
Äthiopischer Kalender 1822/23 (10./11. September)
Bengalischer Solarkalender 1235/36 (Jahresbeginn 14. oder 15. April)
Buddhistische Zeitrechnung 2373/74 (südlicher Buddhismus); 2372/73 (Alternativberechnung nach Buddhas Parinirvana)
Chinesischer Kalender 75. (76.) Zyklus

Jahr des Metall-Tigers 庚寅 (am Beginn des Jahres Erde-Büffel 己丑)

Chula Sakarat (Siam, Myanmar) / Dai-Kalender (Vietnam) 1192/93 (Jahreswechsel April)
Dangun-Ära (Korea) 4163/64 (2./3. Oktober)
Iranischer Kalender 1208/09
Islamischer Kalender 1245/1246 (Jahreswechsel 21./22. Juni)
Jüdischer Kalender 5590/91 (17./18. September)
Koptischer Kalender 1546/47 (10./11. September)
Malayalam-Kalender 1005/06
Seleukidische Ära Babylon: 2140/41 (Jahreswechsel April)

Syrien: 2141/42 (Jahreswechsel Oktober)

Vikram Sambat (Nepalesischer Kalender) 1886/87 (April)

Politische Ereignisse und Weltgeschehen Bearbeiten

Revolutionen und Aufstände in Europa Bearbeiten

Frankreich Bearbeiten

  • 3. Juli: Bei den Parlamentswahlen werden die oppositionellen Liberalen gestärkt und gewinnen 52 Sitze dazu.
  • 25. Juli: König Karl X. von Frankreich unterzeichnet im Schloss Saint-Cloud die Juliordonnanzen. Er ordnet darin an, die Pressezensur einzuführen und den Wahlzensus nach oben zu setzen. Damit sind etwa 75 % der bisherigen Wähler nicht mehr wahlberechtigt. Die Verordnungen werden am nächsten Morgen veröffentlicht.
  • 27. Juli: In Paris beginnt als Reaktion auf die Juliordonnanzen die Julirevolution von Handwerkern, Arbeitern und Studenten gegen die Restaurationspolitik der Bourbonen. Es kommt zu Barrikadenkämpfen. Der König verreist inzwischen auf seinen Landsitz auf Schloss Rambouillet. Am 29. Juli ziehen sich die königlichen Truppen, die in dieser Zeit keine Anweisungen erhalten haben, aus Paris zurück. Ministerpräsident Jules de Polignac flieht aus der Stadt.
 
König Karl X. von Frankreich
  • 2. August: König Karl X. verzichtet zugunsten seines Enkels Henri d’Artois auf den Thron. Die Thronfolge des Neunjährigen wird vom Parlament jedoch nicht anerkannt.
  • 7. August: Das Parlament proklamiert Louis-Philippe, den Herzog von Orléans, zum König der Franzosen. Adolphe Thiers und François Guizot gehören zu den entschiedenen Fürsprechern dieser Entscheidung.
 
Louis-Philippe I., König der Franzosen, schwört den Eid auf die neue Verfassung
  • 9. August: Der Herzog von Orléans nimmt als Louis-Philippe I. die ihm angetragene Königskrone an. Die vom Großbürgertum dominierte sogenannte Julimonarchie beginnt.
  • 16. August: Karl X. schifft sich nach England ein.

Belgien Bearbeiten

Deutscher Bund Bearbeiten

  • 30. August: In Aachen äußert sich sozialer Protest über vor allem durch das Trucksystem hervorgerufene miserable Lebensbedingungen in Unruhen. Die Bürgerwehr stellt „Ruhe und Ordnung“ wieder her.
  • 16. September: Nach der willkürlichen Verhaftung mehrerer Schneidergesellen bricht in Berlin die Schneiderrevolution aus. Sie wird bis zum 20. September gewaltsam vom Militär niedergeschlagen.
 
Karl II. von Braunschweig
  • 7. September: Bei einem Aufstand in Braunschweig wird Herzog Karl II. vertrieben und das erste Braunschweiger Schloss niedergebrannt
  • 24. bis 28. Dezember: Während der Münchner Weihnachtstumulte kommt es zu mehreren Zusammenstößen zwischen Studenten und Handwerksburschen einerseits sowie Soldaten der Münchner Garnison und bürgerlicher Landwehr andererseits. Der Anlass der Auseinandersetzungen ist die temporäre Verhaftung zweier Studenten. Die Professoren Friedrich Thiersch und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling können am 29. Dezember mäßigend auf die Studentenschaft einwirken. Harsche Bestrafungen durch König Ludwig I. von Bayern wie kollektive Universitäts- und Stadtverweise werden nach wenigen Tagen wieder aufgehoben.

Schweiz Bearbeiten

  • Ab September gibt es in den meisten Schweizer Kantonen Volksaufstände, welche die aristokratischen Regimes stürzen und in rund der Hälfte der Kantone bis 1831 zu liberalen Verfassungen führen.
 
Heinrich Fischer sammelt vor seinem Wirtshaus in Merenschwand die ersten Freiwilligen für den Zug nach Aarau.

Novemberaufstand in Polen Bearbeiten

 
Einnahme des Warschauer Arsenals
  • 29. November: In Warschau beginnt, orientiert am Beispiel der französischen Julirevolution, der Novemberaufstand in Polen gegen die russische Herrschaft. Eine Gruppe von Verschwörern, unter ihnen Ludwik Mierosławski, greift den Belvedere-Palast an, mit dem Ziel den faktischen Vizekönig Konstantin Pawlowitsch Romanow, den Bruder des Zaren, zu töten. Der schlecht geplante Anschlag misslingt, die russischen Truppen und Großfürst Konstantin Pawlowitsch Romanow ziehen sich jedoch überrascht aus Polen zurück. Nun beginnen sich auch hohe polnische Offiziere und führende Politiker am Aufstand zu beteiligen. Die Fürsten Franciszek Ksawery Drucki-Lubecki und Adam Jerzy Czartoryski versuchen die Unruhen zu beenden und verhandeln mit dem Großfürsten.
  • 3. Dezember: Eine vorläufige Regierung unter Beteiligung des Historikers Joachim Lelewel wird gegründet. Józef Chłopicki wird Oberbefehlshaber der Armee.
  • 5. Dezember: Józef Chłopicki wird zum Diktator ernannt und am 18. Dezember vom Sejm in dieser Position bestätigt. Chłopicki glaubt nicht an einen polnischen Sieg und versucht daher in Verhandlungen mit dem Russischen Zaren Konzessionen für Polen zu erreichen.

Sonstige Ergebnisse in Europa Bearbeiten

Griechenland Bearbeiten

Großbritannien Bearbeiten

Serbien Bearbeiten

Afrika Bearbeiten

Eroberung Algeriens Bearbeiten

  • 14. Juni: Französische Truppen unter dem Befehl des Comte de Bourmont landen im heutigen Algerien und beginnen mit der Eroberung des Landes, die sich zuerst gegen Algier richtet.
  • 5. Juli: Frankreich kann mit seinen Truppen das bekämpfte Algier einnehmen, was den Auftakt zur weiteren Eroberung Algeriens bildet. Es folgt die Eroberung von Oran und Beleb el-Anab. Unter Abd el-Kader, der die Berber im Westen des Landes einigt, bildet sich Widerstand gegen die französischen Angriffe.
  • 1. Oktober: In Nordafrika stellt die französische Kolonialarmee das erste Zuaven-Korps auf. Die Söldner zeichnen sich durch ihre Tapferkeit aus.

Asien Bearbeiten

Russisches Kaiserreich Bearbeiten

Japan Bearbeiten

  • In Japan fand 1830 eine Wallfahrt zu den Ise-Schreinen statt. Obwohl solche Pilgerreisen sich etwa alle 60 Jahren wiederholten, gehörte diejenige von 1830 zu den drei größten ihrer Art in der japanischen Edo-Zeit. Angeblich machten sich 5 Millionen Pilger auf den Weg nach Ise. In durchschnittlichen Jahren waren es lediglich 300.000 bis 400.000 Personen.[1]

Amerika Bearbeiten

Der Zerfall Großkolumbiens Bearbeiten

 
Juan José Flores
 
Groß-Kolumbien und dessen Nachfolgerstaat Neu-Granada

Mexiko Bearbeiten

  • 8. April: Mexiko untersagt den USA die weitere Kolonisation von Texas.

Vereinigte Staaten von Amerika Bearbeiten

Uruguay Bearbeiten

Wirtschaft Bearbeiten

Wissenschaft Bearbeiten

Technik Bearbeiten

Verkehr Bearbeiten

 
Eröffnungsfahrt der L&MR

Kultur Bearbeiten

Kunst Bearbeiten

 
Die Freiheit führt das Volk
 
Die Söhne Eduards IV., Paul Delaroche

Literatur Bearbeiten

Musik und Theater Bearbeiten

 
Erste Seite des Original-Manuskripts

Gesellschaft Bearbeiten

 
Hauptgebäude des Tivoli mit Rutschbahn, Franz Wolf, 1830

Religion Bearbeiten

Katastrophen Bearbeiten

In Asien und Europa stand das Jahr 1830 im Zeichen einer Cholerapandemie. Da sich die russischen Behörden zu spät zu Quarantäne- und Isolationsmaßnahmen durchrangen, sprang die Cholera im Spätsommer 1830 auf Moskau über. Damit war klar, dass eine weitere Ausbreitung der Pandemie nicht mehr zu stoppen war.[2] Wahrscheinlich exportierten russische Truppen, die der Zar gegen die polnische Novemberrevolution entsandte, die Seuche weiter nach Westen. In Russland selbst bzw. in der Stadt Tambow kam es im November 1830 aufgrund einer bereits 3 Monate andauernden Quarantäne zu einem Aufstand der Bevölkerung. Die Kämpfe hielten drei Tage lang an. Etwa 200 Menschen starben.[3]

 
Das Wiener Hochwasser vom Februar 1830 bildet den historischen Hintergrund zur Wasserfarbenansicht von Eduard Gurk. Zu erkennen ist die überflutete Jägerzeile in der Leopoldstadt. Das Bild entstand um 1830 und wird heute in einem Wiener Kunstmuseum, der Albertina, ausgestellt.

Bei der Cholerabekämpfung in Preußen setzte sich die Position des Direktors der Charité durch: Johann Nepomuk Rust war ein Anhänger der Ansteckungstheorie. Er zweifelte daran, dass klimatische Faktoren für die Ausbreitung der Cholera verantwortlich sein sollten. Auf seine Anregung hin wurde die ostpreußische Grenze militärisch abgeriegelt. Zur besseren Kontrolle der Einreise wurden zusätzliche Wachhäuser auf Hügeln erbaut. Es entstanden ebenfalls Anlagen, in denen über mehrere Wochen hinweg der Gesundheitszustand von Einreisenden aus den Risikogebieten überprüft werden konnte. Auch Güter wurden eine gewisse Zeit in der Quarantäne einbehalten und mit Chlor desinfiziert. Die Maßnahmen halfen tatsächlich die weitere Ausbreitung zu verzögern.[4] In Wien wurde die Cholera durch ein historisches Hochwasser begünstigt: Die fehlende Kanalisation der Wiener Vorstädte bot eine günstige bakterielle Grundlage. In der Stadt sollte die Seuche rund 2.000 Menschen das Leben kosten.[5]

Natur und Umwelt Bearbeiten

  • Der Bodensee ist zeitweilig vollständig zugefroren (Seegfrörni).

Geboren Bearbeiten

Januar/Februar Bearbeiten

 
Seite aus dem Kirchenbuch mit Geburts- und Taufdatum Antonie Biels

März/April Bearbeiten

 
Paul Heyse, ca. 1860

Mai/Juni Bearbeiten

Juli/August Bearbeiten

  • 01. Juli: Paris Gibson, US-amerikanischer Unternehmer und Politiker († 1920)
 
Selbstporträt Camille Pissarro, 1873
 
Erzherzogin Sophie mit dem zweijährigen Franz Joseph

September/Oktober Bearbeiten

 
Isabella von Spanien mit etwa 5 Jahren

November/Dezember Bearbeiten

Genaues Geburtsdatum unbekannt Bearbeiten

Gestorben Bearbeiten

Januar bis April Bearbeiten

Mai bis August Bearbeiten

 
George IV.

September bis Dezember Bearbeiten

 
Simón Bolívar

Genaues Todesdatum unbekannt Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Klaus Antoni: Die Tokugawa-Zeit verstand zu erben. Zu den Ise-Wallfahrten der Edo-Zeit. In: Stanca Scholz-Cionca (Hrsg.), Wasser–Spuren. Festschrift für Wolfram Naumann zum 65. Geburtstag. Harrassowitz, Darmstadt 1998, S. 34–60, hier S. 38.
  2. Kirsten Mörters: Hurra, Cholera! – Die Cholera-Unruhen in St. Petersburg im Sommer 1831, in: Heinz-Dietrich Löwe (Hrsg.), Volksaufstände in Russland. Von der Zeit der Wirren bis zur Grünen Revolution gegen die Sowjetherrschaft. Harrassowitz, Wiesbaden 2006, S. 397–425, hier S. 400–401.
  3. Kirsten Mörters: Hurra, Cholera! – Die Cholera-Unruhen in St. Petersburg im Sommer 1831, in: Heinz-Dietrich Löwe (Hrsg.), Volksaufstände in Russland. Von der Zeit der Wirren bis zur Grünen Revolution gegen die Sowjetherrschaft. Harrassowitz, Wiesbaden 2006, S. 397–425, hier S. 402.
  4. Stefan Winkle: Geißeln der Menschheit. Kulturgeschichte der Seuchen. 3. erw. Ausgabe, Artemis & Winkler, Düsseldorf 2005, S. 171.
  5. Ermar Junker: Vom Amulett zur Vorsorgemedizin. Der Kampf gegen Seuchen in Wien im Wandel der Zeiten. Literas, Graz 2000, S. 57.

Weblinks Bearbeiten

Commons: 1830 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien