Gleichung fünften Grades

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Eine Gleichung fünften Grades oder quintische Gleichung ist in der Mathematik eine Polynomgleichung vom Grad fünf, hat also die Form

wobei die Koeffizienten und Elemente eines Körpers (typischerweise die rationalen, reellen oder komplexen Zahlen), mit sind. Man spricht dann von einer Gleichung „über“ diesem Körper.

Polynom vom Grad 5:
f(x) = (x+4)(x+2)(x+1)(x-1)(x-3)/20+2

Geschichte

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Das Auflösen von Polynomgleichungen durch endliche Wurzelausdrücke (Radikale) ist ein altes Problem. Nachdem 1545 Gerolamo Cardano in seinem Buch Ars magna de Regulis Algebraicis Lösungen für die allgemeinen Gleichungen bis einschließlich 4. Grades veröffentlicht hatte, konzentrierten sich die Anstrengungen auf die Lösung der allgemeinen Gleichung 5. Grades. 1771 fand Gianfrancesco Malfatti als erster einen Lösungsweg, der allerdings nur im Fall der Auflösbarkeit durch Wurzelausdrücke funktioniert. Paolo Ruffini veröffentlichte 1799 einen lückenhaften Beweis für die Unauflösbarkeit der allgemeinen Gleichung 5. Grades. Da Ruffini für die damalige Zeit ungewohnte Argumente verwendete, die heute der Gruppentheorie zugeordnet werden, wurde sein Beweis zunächst nicht akzeptiert. 1824 gelang Niels Henrik Abel ein vollständiger Beweis dafür, dass die allgemeine Gleichung 5. Grades nicht durch Radikale auflösbar ist (Satz von Abel-Ruffini). In der Galoistheorie lässt sich der Beweis verkürzt so darstellen: Die Galoisgruppe der allgemeinen Gleichung  -ten Grades hat die alternierende Gruppe   als Faktor, und diese Gruppe ist einfach für   (vgl. Ikosaedergruppe), also nicht auflösbar. Charles Hermite gelang es 1858, die allgemeine Gleichung 5. Grades in jacobischen Thetafunktionen (aber natürlich nicht in Radikalen) zu lösen.

Lösbare Gleichungen fünften Grades

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Voraussetzungen für die Lösbarkeit

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Manche Gleichungen fünften Grades können mit Wurzeln gelöst werden, etwa  , die in der Form   faktorisiert werden kann. Andere Gleichungen wie etwa   können nicht durch Wurzeln gelöst werden. Évariste Galois entwickelte um 1830 Methoden, um zu bestimmen, ob eine gegebene Gleichung in Wurzeln lösbar ist (siehe Galoistheorie). Aufbauend auf diesen prinzipiellen Resultaten bewiesen George Paxton Young[1] und Carl Runge[2] 1885 ein explizites Kriterium dafür, ob eine gegebene Gleichung fünften Grades mit Wurzeln lösbar ist (vgl. die Arbeit von Lazard für einen modernen Zugang). Sie zeigten, dass eine irreduzible Gleichung fünften Grades mit rationalen Koeffizienten in Bring-Jerrard-Form[3]

 

genau dann mit Wurzeln lösbar ist, wenn sie die Form

 

mit rationalem   und   besitzt. Im Jahre 1994 fanden Blair Spearman und Kenneth S. Williams die Darstellung

 

für  . Die Beziehung zwischen den beiden Parametrisierungen kann durch die Gleichung

 

mit

 

hergestellt werden. Im Fall der negativen Quadratwurzel erhält man bei geeigneter Skalierung die erste Parametrisierung, bei positiver Quadratwurzel die zweite mit  . Daher ist es eine notwendige (aber keine hinreichende) Bedingung für eine lösbare Gleichung fünften Grades der Form

 

mit rationalem  ,  und  , dass die Gleichung

 

eine rationale Lösung   hat.

Mit Hilfe von Tschirnhaus-Transformationen ist es möglich, jede Gleichung fünften Grades in Bring-Jerrard Form zu bringen, daher geben sowohl die Parametrisierungen von Runge und Young als auch von Spearman und Williams notwendige und hinreichende Bedingungen, um zu prüfen, ob eine beliebige Gleichung fünften Grades in Radikalen zu lösen ist.

Beispiele für lösbare Gleichungen fünften Grades

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Allgemeine Ergebnisse aus der Galois-Theorie

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Eine Gleichung ist genau dann in Radikalen auflösbar, wenn ihre Galoisgruppe eine auflösbare Gruppe ist. Da bei einer Gleichung  -ten Grades mit paarweise verschiedenen Lösungen jeder zur Galoisgruppe gehörende Körperautomorphismus durch die Bilder der   Lösungen eindeutig bestimmt wird, handelt es sich bei der Galoisgruppe um eine Untergruppe der symmetrischen Gruppe  , die aus allen   Permutationen der   Lösungen besteht. Bei einer Gleichung   mit einem irreduziblen Polynom   operiert die Galoisgruppe sogar transitiv auf der Menge der Lösungen.

Eine irreduzible Gleichung vom Primzahlgrad   ist genau dann auflösbar, wenn nach einer Umnummerierung der Lösungen   jeder Automorphismus der Galoisgruppe die Form   mit geeigneten Parametern   besitzt, definiert durch   für alle   (bei den Indizes ist modulo   zu rechnen). Die Galoisgruppe ist dann eine Untergruppe der affinen Gruppe   zum eindimensionalen Vektorraum über dem endlichen Körper mit   Elementen.[4]

Folgerungen für Gleichungen fünften Grades

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Eine irreduzible Gleichung fünften Grades ist genau dann auflösbar, wenn ihre Galoisgruppe, die aufgrund der Irreduzibilität transitiv operieren muss, eine Untergruppe der Gruppe   mit 20 Elementen ist. Solche Untergruppen gibt es nur drei, nämlich die Gruppe   selbst (20 Elemente), die zyklische Untergruppe   (5 Elemente) und die Diedergruppe   (10 Elemente).

Ein Beispiel für eine auflösbare Gleichung, deren Galoisgruppe nur 5 Elemente enthält, ist die bereits von Vandermonde gelöste Gleichung[5]

 .

Ihre fünf reellen Lösungen ergeben sich aus der Kreisteilungsgleichung elften Grades:

  für  .

Obwohl alle fünf Lösungen reell sind, gibt es wie beim Casus irreducibilis der kubischen Gleichungen keine Wurzeldarstellung, deren Radikanden reelle Zahlen sind.

Ein Beispiel für eine auflösbare Gleichung, deren Galoisgruppe 10 Elemente enthält, ist[5]

 .

Die Lösungen sind für  

 ,

wobei   die fünfte Einheitswurzel   bezeichnet.

Eine auflösbare Gleichung fünften Grades, deren Galois-Gruppe 20 Elemente enthält, ist die Gleichung

 .

Diese vermeintlich im Vergleich zu den beiden voranstehend erörterten Beispielen „einfachere“ Gleichung wird erst dann „einfacher“ im Sinn einer kleineren Galoisgruppe, wenn die fünften Einheitswurzeln adjungiert zum Grundkörper werden, wodurch sich die Galoisgruppe auf 5 Elemente reduziert.

Zwei weitere Beispiele von auflösbaren Gleichungen fünften Grades mit einer Galoisgruppe von 20 Elementen sind

 

mit der reellen Wurzel

 

sowie die bereits von Euler gelöste Gleichung[6]

 

mit der reellen Wurzel

 .

Siehe auch

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Literatur

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  • Niels Henrik Abel, Évariste Galois, Abhandlungen über die Algebraische Auflösung der Gleichungen, Berlin 1889, online.
  • Charles Hermite: Sur la résolution de l'équation du cinquième degré. In: Œuvres de Charles Hermite. Band 2, Seiten 5–21, Gauthier-Villars, 1908 (online verfügbar).
  • Felix Klein: Vorlesungen über das Ikosaeder und die Auflösung der Gleichungen vom fünften Grade. Leipzig 1884, ISBN 0-486-49528-0 (online verfügbar).
  • Leopold Kronecker: Sur la résolution de l'equation du cinquième degré, extrait d'une lettre adressée à M. Hermite. In: Comptes Rendus de l'Académie des Sciences. Band 66 Nr. 1, 1858, Seiten 1150–1152.
  • Blair Spearman und Kenneth S. Williams: Characterization of solvable quintics  . In: American Mathematical Monthly. Band 101, 1994, Seiten 986–992.
  • Bruce Berndt, Blair Spearman, Kenneth S. Williams, Herausgeber (Comments on an unpublished lecture of G. N. Watson On solving the quintic) von G. N. Watson: On solving the quintic. Mathematical Intelligencer, Bd. 24, 2002, Nr.
  • Ian Stewart: Galois Theory. 2. Auflage. Chapman and Hall, 1989, ISBN 0-412-34550-1.
  • Jörg Bewersdorff: Algebra für Einsteiger: Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie, Springer Spektrum, 5. Auflage 2013, ISBN 978-3-658-02261-7, doi:10.1007/978-3-658-02262-4_8. Kapitel 8 beschreibt die Lösung lösbarer Gleichungen fünften Grades in der Form   (Buchkapitel in englischer Übersetzung The solution of equations of the fifth degree ist online verfügbar (Memento vom 31. März 2010 im Internet Archive) (PDF-Datei; 131 kB)) .
  • Victor S. Adamchik und David J. Jeffrey: Polynomial transformations of Tschirnhaus, Bring and Jerrard. In: ACM SIGSAM Bulletin. Band 37 Nr. 3, September 2003, Seiten 90–94 (online verfügbar (PDF-Datei; 140 kB)).
  • Ehrenfried Walther von Tschirnhaus: A method for removing all intermediate terms from a given equation. In: ACM SIGSAM Bulletin. Band 37 Nr. 1, März 2003, Seiten 1–3.
  • Daniel Lazard: Solving quintics in radicals. In: Olav Arnfinn Laudal, Ragni Piene: The Legacy of Niels Henrik Abel. Berlin 2004, Seiten 207–225, ISBN 3-540-43826-2.
  • Peter Pesic: Abels Beweis. Springer 2005, ISBN 3-540-22285-5.
  • Jean-Pierre Tignol: Galois' Theory of Algebraic Equations. World Scientific, 2004, ISBN 981-02-4541-6, doi:10.1142/9789812384904.
  • D. S. Dummit Solving solvable quintics, Mathematics of Computation, Band 57, 1991, S. 387–402 (Corrigenda Band 59, 1992, S. 309)
  • Nikolaos Bagis: On the solution of the general quintic using the Rogers-Ramanujan continued fraction. Pella, Makedonien, Griechenland, 2015.
  • Prasolov, V.V. (2004). "5 Galois Theory Theorem 5.4.5(a)". Polynomials. Algorithms and Computation in Mathematics. 11. Springer. pp. 181 – 218.
  • Viktor Prasolov (Прасолов) und Yuri Solovyev (Соловьёв): Elliptic Functions and Elliptic Integrals. Volume 170, Rhode Island 1991. pp. 149 – 159.
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Einzelnachweise

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  1. Young, G. P.: Solution of Solvable Irreducible Quintic Equations, Without the Aid of a Resolvent Sextic. In: Amer. J. Math. Band 7, Seiten 170–177, 1885.
  2. Runge, C.: Über die auflösbaren Gleichungen von der Form  . In: Acta Math. Band 7, Seiten 173–186, 1885, doi:10.1007/BF02402200.
  3. George Jerrard fand eine Methode, in Gleichungen  -ten Grades durch eine polynomiale Transformation die Terme der Ordnung   zu eliminieren, was auf die Bring-Jerrard Form im Fall   führt. Für Gleichungen fünften Grades sind dabei nur Gleichungen bis zum vierten Grad zu lösen. Für Gleichungen fünften Grades ist die Methode, was Jerrard nicht bekannt war, schon von Erland Samuel Bring 1786 gefunden worden. Die Bring-Jerrard Form für Gleichungen 5. Grades wurde von Charles Hermite für die Lösung der Gleichung 5. Grades mittels elliptischer Modulfunktionen benutzt.
  4. Emil Artin: Galois Theory. S. 77 ff.
  5. a b Jörg Bewersdorff: Algebra für Einsteiger. Von der Gleichungsauflösung zur Galois-Theorie. 6. Auflage. Springer-Spektrum, 2019, ISBN 978-3-658-26151-1, Kap. 9, doi:10.1007/978-3-658-26152-8.
  6. Rüdiger Thiele: Leonhard Euler, BSB B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig, 1982, S. 103