Ein (quadratischer) Variationsprozess ist ein spezieller stochastischer Prozess in der Wahrscheinlichkeitstheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Er wird aus einem weiteren Prozess (einem Martingal oder einem lokalen Martingal) gewonnen und erlaubt im Falle diskreter Indexmengen beispielsweise äquivalente Formulierungen des Martingalkonvergenzsatzes. Im zeitstetigen Fall entsprechen die Pfade des quadratischen Variationsprozesses fast sicher der quadratischen Variation der Pfade des zugrundeliegenden Prozesses.

In der stochastischen Analysis treten quadratische Variationsprozesse als Integratoren im Ito-Integral auf.

Definition bei diskreter Indexmenge

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Gegeben sei eine Filtrierung   und sei   ein quadratintegrierbares Martingal.

Dann heißt derjenige vorhersagbare Prozess  , durch den der stochastische Prozess

 

zu einem Martingal wird, der quadratische Variationsprozess von  . Er ist eindeutig bestimmt.[1]

Definition bei stetiger Indexmenge

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Stetige lokale Martingale

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Gegeben sei ein stetiges lokales Martingal  . Dann heißt der stetige, monoton wachsende und adaptierte Prozess   mit  , mit dem der Prozess

 

zu einem stetigen lokalen Martingal wird, der (vorhersagbare) quadratische Variationsprozess von  . Er ist eindeutig bestimmt.[2]

Der Prozess wird auch Scharfe-Klammer-Prozess oder Winkelklammer-Prozess genannt.

Semimartingale

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Mit Hilfe des stochastischen Integrals kann die Definition der quadratischen Variation auf Semimartingale erweitert werden:

Für ein Semimartingal   mit   ist die optionale quadratische Variation   definiert durch

 

wobei   ist. Ist   lokal integrierbar, dann ist die (vorhersagbare) quadratische Variation   definiert als der Kompensator von  .

Da die optionale quadratische Variation   im Gegensatz zur vorhersagbaren quadratischen Variation   immer existiert, wird bevorzugt ersteres verwendet.

Ist   sogar ein stetiges lokales Martingal, dann ist   ein stetiges lokales Martingal und folglich ist   ein stetiges lokales Martingal und  . Somit ist die Definition für Semimartingale konsistent mit der Definition für stetige lokale Martingale.[3]

Adaptierte Càdlàg-Prozesse

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Für einen adaptierten Càdlàg-Prozess   ist die quadratische Variation definiert als derjenige adaptierte càdlàg-Prozess  , sofern er überhaupt existiert, der für jede Folge reeller Zahlen   mit   und für jede Folge   von Partitionen des Intervalls   mit   erfüllt, dass

 

in Wahrscheinlichkeit.[4]

Quadratische Kovariation

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Seien   adaptierte Càdlàg-Prozesse, dann ist die quadratische Kovariation   definiert über die Polarisationsformel

 

Insbesondere ist die quadratische Kovariation eine symmetrische Bilinearform.

Darstellung

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Aus der Doob-Zerlegung folgt direkt

 ,

woraus sich die Darstellung

 .

herleiten lässt.

Beispiel

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Gegeben sei eine Folge von unabhängig identisch verteilten Zufallsvariablen   mit   und  .

Dann ist

 

ein Martingal bezüglich der kanonischen Filtrierung und quadratintegrierbar.

Mittels der zweiten der beiden obigen Darstellungen und   sowie   folgt

 ,

nach den Rechenregeln für bedingte Erwartungswerte, da die   nach Voraussetzung unabhängig sind. In diesem Fall ist der quadratische Variationsprozess rein deterministisch. Im Allgemeinen ist dies nicht der Fall.

Eigenschaften

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Diskrete Indexmenge

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Aus der zweiten der obigen beiden Darstellungen erhält man durch Bildung des Erwartungswertes direkt

 

Da aber nach dem Martingalkonvergenzsatz gilt, dass ein Martingal genau dann fast sicher und im quadratischen Mittel konvergiert, wenn es im quadratischen Mittel beschränkt ist, folgt die Aussage

Es ist   genau dann, wenn   im quadratischen Mittel konvergiert.[5]

Etwas schwächer gilt noch

Ist   fast sicher, so konvergiert   fast sicher.[6]

Außerdem ist der quadratische Variationsprozess eines gestoppten Prozesses der gestoppte quadratische Variationsprozess, es gilt somit die Vertauschungsrelation

 

für Stoppzeiten  .

Stetige Indexmenge

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Seien   Semimartingale.

  •   ist adaptiert, monoton wachsend und càdlàg.
  •   ist vorhersagbar und von endlicher Variation. Dies folgt unmittelbar aus dem Satz von Rao.
  •   und  , wobei   die Strungestelle von   im Punkt   ist.
  • Für jede Stoppzeit   gilt  .
  • Es gilt die partielle Integration:  .
  • Falls   lokale Martingale sind, ist   ein lokales Martingal. Dies folgt unmittelbar aus der partiellen Integration.
  • Für jede Folge reeller Zahlen   mit   und für jede Folge   von Partitionen des Intervalls   mit   gilt  in Wahrscheinlichkeit.

Die letzte Eigenschaft der quadratischen (Ko-)Variation für Semimartingale rechtfertigt die Definition der quadratischen Variation für allgemeine adaptierte Càdlàg-Prozesse.[7]

Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 210.
  2. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 513.
  3. Philipp Protter: Stochastic Integration and Differential Equations A New Approach. 2. korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 1990, ISBN 978-3-662-02619-9, S. 58, 98, 106 (302 S.).
  4. Philipp Protter: Stochastic Integration and Differential Equations A New Approach. 2. korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 1990, ISBN 978-3-662-02619-9, S. 215 (302 S.).
  5. Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. 2014, S. 275.
  6. Klenke: Wahrscheinlichkeitstheorie. 2013, S. 227.
  7. Philipp Protter: Stochastic Integration and Differential Equations A New Approach. 2. korrigierte Auflage. Springer-Verlag, Berlin / Heidelberg 1990, ISBN 978-3-662-02619-9, S. 59, 61, 97.