Pyramide (Geometrie)

Körper der Geometrie

In der Geometrie ist eine Pyramide ein geometrischer Körper (genauer ein Polyeder), dessen Kanten aus den Kanten eines ebenen Polygons (der Grundfläche) und den Verbindungsstrecken der Ecken des Polygons mit einem nicht in der Polygonebene gelegenen Punkt (der Spitze) bestehen. Im bekanntesten Fall ist das Polygon ein Quadrat und die Spitze ein Punkt senkrecht über dem Mittelpunkt des Quadrates. In diesem Fall entsteht eine gerade quadratische Pyramide. Liegt nicht über dem Mittelpunkt des Quadrats, liegt eine schiefe quadratische Pyramide vor.

Gerade quadratische Pyramide
Schiefe quadratische Pyramide
Unregelmäßige schiefe Pyramiden mit konvexem (links) bzw. konkavem Polygon

Bezeichnungen:
Die Gesamtheit der Seitenflächen einer Pyramide (= Oberfläche) besteht aus dem gegebenen Polygon, der Grundfläche, und aus Dreiecken mit dem gemeinsamen Punkt . Die Dreiecke bilden zusammen den Mantel der Pyramide. Die Kanten des Polygons heißen Grundkanten und die Kanten durch Seitenkanten.

Ist das Polygon regelmäßig, d. h., sind die Kanten gleich lang und liegen die Ecken auf einem Kreis mit Mittelpunkt , so heißt die Pyramide regelmäßig. Ist zusätzlich der Lotfußpunkt von auf die Kreisebene, so heißt die Pyramide gerade. Die Dreiecke sind dann alle kongruent und gleichschenklig. Alle anderen Pyramiden heißen schief.[1]

Der Begriff gerade Pyramide wird nicht einheitlich verwendet. Die englische Wikipedia verlangt nur, dass der Lotfußpunkt der Spitze mit dem geometrischen Schwerpunkt zusammenfällt.

Verbindung zu einem Kegel: Ersetzt man das Polygon durch eine Kurve, z. B. einen Kreis, und verbindet jeden Punkt der Kurve mit der Spitze, erhält man einen Kegel.

Eigenschaften Bearbeiten

Allgemein Bearbeiten

Hat das Polygon   Ecken, den Flächeninhalt   und ist die Höhe der Pyramide  , so gilt:[2]

  1. Anzahl der Ecken:  
  2. Anzahl der Flächen:  
  3. Anzahl der Kanten:  
  4. Volumen:  
  5. Der Schwerpunkt   der Pyramide teilt die Strecke zwischen dem Mittelpunkt der Grundfläche   und der Spitze   im Verhältnis  .

Im Fall   nennt man die Pyramide Tetraeder.

Gerade quadratische Pyramide Bearbeiten

 
Gerade quadratische Pyramide: Bezeichnungen

Es sei   die Quadratlänge und   die Höhe der Pyramide.

Geometrische Eigenschaften Bearbeiten

 
Höhe der Dreiecke:  
Dreiecksfläche:  
Länge der Kanten durch die Spitze:  
Volumen:  
Oberfläche:  
Höhe des Schwerpunkts   über dem Mittelpunkt der Grundfläche  :  

Weitere Eigenschaften enthält der Abschnitt Formeln für regelmäßige Pyramiden.

Johnson-Körper Bearbeiten

 
Links: Johnson-Körper
Rechts: Pyramide mit maximalem Volumen bei vorgegebener Oberfläche

Eine quadratische Pyramide, deren vier dreieckige Seitenflächen gleichseitig sind, ist der einfachste Johnson-Körper, abgekürzt mit  . In diesem Fall gilt   und die Pyramide ist ein halbes reguläres Oktaeder. Verdoppelt man die Höhe, erhält man die Pyramide mit maximalem Volumen bei vorgegebener Oberfläche.

Maximales Volumen Bearbeiten

Unter allen quadratischen Pyramiden mit vorgegebener Oberfläche   hat diejenige das größte Volumen, für die

  und damit  

gilt. Ihr Volumen ist dann  .

Zum Nachweis löse man   nach   auf, setze es in   ein und bestimme das lokale Maximum von  .

Formeln für regelmäßige Pyramiden Bearbeiten

Tabelle Bearbeiten

Die Tabelle enthält Formeln für geometrische Eigenschaften einer allgemeinen regelmäßigen gerade Pyramide (2. Spalte). In der 3. und 4. Spalte speziell für die Fälle   und  .

 
Regelmäßige gerade Pyramiden: Bezeichnungen für die Formeltabelle
Größen einer regelmäßigen Pyramide mit der Höhe h und einem regelmäßigen n-Eck mit Seitenlänge a als Grundfläche
Allgemeiner Fall Quadratische Pyramide Regelmäßige Dreieckspyramide
Volumen      
Oberfläche      
Seitenkantenlänge      
Umkugelradius      
Inkugelradius      
Basiswinkel der gleichschenkligen Dreiecke        
Winkel an der Spitze der gleichschenkligen Dreiecke      
Winkel zwischen Grundfläche und gleichschenkligen Dreiecken      
Winkel zwischen den gleichschenkligen Dreiecken      
Winkel zwischen Seitenkante und Grundfläche      
Raumwinkel an der Grundfläche  
Raumwinkel in der Spitze  

Spezialfälle Bearbeiten

 
Pyramide als Teil eines Ikosaeders

Für bestimmte Werte von   und   ergeben sich Zusammenhänge mit platonischen Körpern:

  • Für   und   ergibt sich das regelmäßige Tetraeder.
  • Für   und   ergibt sich eine quadratische Pyramide, die ein halbes reguläres Oktaeder ist.
  • Für   und   ergibt sich eine regelmäßige fünfseitige Pyramide, die ein Teil des Ikosaeders ist.

Maximales Volumen im Fall n Bearbeiten

 
Pyramiden mit maximalem Volumen bei vorgegebener Oberfläche  ,
rot: Kegel mit derselben Eigenschaft und derselben Oberfläche
 :
 
 

Mit Überlegungen wie für eine gerade quadratische Pyramide (siehe oben) zeigt man:

Unter allen geraden regulären n-seitigen Pyramiden mit vorgegebener Oberfläche   hat diejenige das größte Volumen, für die

 
 

und damit   gilt.

Der Umkreisradius des Basispolygons ist

 .

Das maximale Volumen ist  .

Für   gegen unendlich geht   monoton fallend gegen   und   monoton steigend gegen  . Letzteres ist die Höhe eines Kegels mit maximalem Volumen bei vorgegebener Oberfläche  . (Bei der Grenzwertbildung wird   verwendet.)
Der Radius des Basiskreises des optimalen Kegels ist  ,
seine Höhe   und
sein Volumen  .

Für das Verhältnis der Volumina gilt:

 ,

das für   gegen 1 strebt.

Zusammenhang mit dem Kreiskegel Bearbeiten

 
Pyramide zur Approximation eines Kegels

Regelmäßige Pyramiden, die ein regelmäßiges Vieleck als Grundfläche haben, können verwendet werden, um einen Kreiskegel zu approximieren, der nach Definition einen Kreis als Grundfläche hat.

Wenn das regelmäßige Vieleck   Ecken hat, also ein  -Eck ist, kann formal der Grenzwert für unendlich großes   gebildet werden. Der Kreiskegel kann sozusagen als regelmäßige Pyramide aufgefasst werden, wobei die Grundfläche unendlich viele Ecken und die Seitenlänge des  -Ecks den Grenzwert 0 hat.

Im Folgenden soll auf diese Weise das Volumen des Kreiskegels hergeleitet werden.

Mithilfe der Formel für den Flächeninhalt eines regelmäßigen  -Ecks (siehe Regelmäßiges Polygon – Umfang und Flächeninhalt) ergibt sich für das Volumen   der regelmäßigen Pyramide, wenn der Umkreisradius   des  -Ecks bekannt ist:

 

Um das Volumen des Kreiskegels zu bestimmen, kann der Grenzwert für   gegen unendlich gebildet werden. Dieser Grenzwert ergibt sich mit Hilfe der Formel  :

 
 

Herleitung der Volumenformel für die allgemeine Pyramide Bearbeiten

Für die Herleitung des Volumens einer allgemeinen Pyramide gibt es mehrere Wege:

Berechnung mit Hilfe des Spatprodukts Bearbeiten

Eine von den Vektoren   aufgespannte dreiseitige Pyramide hat das Volumen

 

Elementargeometrische Begründung Bearbeiten

Die erwähnte Volumenformel lässt sich elementargeometrisch in zwei Schritten begründen:

  1. Ein Würfel kann in drei gleiche Pyramiden mit quadratischer Grundfläche zerlegt werden, deren Spitzen in einer Ecke des Würfels zusammenfallen. Die drei Grundflächen sind die drei Seitenflächen des Würfels, die diese gemeinsame Spitze nicht enthalten.
  2. Zwei Pyramiden mit gleicher Grundfläche und gleicher Höhe stimmen im Volumen überein.
Zum Beweis dieser Aussage kann man das Prinzip von Cavalieri und die Gesetze der zentrischen Streckung heranziehen.

Für Pyramiden gilt demzufolge die Volumenformel

 

Begründung mit Hilfe der Integralrechnung Bearbeiten

Der Rauminhalt einer Pyramide mit der Grundfläche   und der Höhe   kann berechnet werden, wenn man sich die Pyramide aus dünnen (infinitesimalen) Schichten der Dicke   parallel zur Grundfläche aufgebaut vorstellt. Eine  -Achse lege man nun durch die Spitze der Pyramide, sodass die Höhe   mit der  -Achse zusammenfällt. Bezeichnet man die Fläche der Schicht im Abstand   von der Spitze mit  , so kann man aus den Gesetzen der zentrischen Streckung eine Formel für   herleiten:

 
 

Daraus ergibt sich das Volumen der Pyramide durch Integration von   bis   nach dem Prinzip von Cavalieri:

 

Vermessung eines Pyramidenbauwerks Bearbeiten

 
Betrachtung aus der Entfernung und Sehwinkelbestimmung in vereinfachter Form

Bei einer großen Pyramide lassen sich die Kantenlängen der Basis direkt gut vermessen, jedoch nicht die Höhe, die nicht direkt zugänglich ist. Im Folgenden sollen die grundsätzlichen Schwierigkeiten dargelegt werden, die nicht so sehr mit der Methodik des Messverfahrens selbst zusammenhängen. Ein einfaches geometrisches Verfahren zur Höhenbestimmung größerer Objekte ist die Betrachtung aus der Entfernung und die Bestimmung des Sehwinkels (in vereinfachter Form durch die nebenstehende Grafik aufgezeigt).

Im Abstand   von der unteren Pyramidenkante wird die Spitze der Pyramide unter dem gemessenen Winkel   angepeilt. Der Abstand des Beobachtungspunktes von der Pyramidenspitze in horizontaler Linie ist somit der um die halbe Grundseite vermehrte Abstand von der Pyramidenkante   Die Höhe   ergibt sich aus der Formel in der Grafik. Damit wäre die Bestimmung der Höhe kein großes Problem. Es gibt jedoch folgende Schwierigkeiten:

  • Die Spitze der Pyramide liegt nicht unbedingt exakt über dem Mittelpunkt der Grundfläche.
  • Die Länge der Basiskante der Pyramide ist nicht sauber bestimmbar (abgebrochene Steine, Erosion).
  • Die Spitze ist nicht mehr vorhanden (abgetragen).
  • Der Neigungswinkel der Pyramide ist schwer bestimmbar (Abtragung, Erosion).

Das entspricht bei den bekannten großen Pyramiden weitgehend der Realität. Es muss definiert werden, von welchem Bodenniveau aus die Höhe der Pyramide gelten soll, also wo ihre Basis angenommen wird; von dieser aus muss die Höhenabweichung des Beobachtungspunktes, an dem   gemessen wird, genau berücksichtigt werden. Die Winkelmessung selbst kann in der Regel sehr präzise ausgeführt werden. Angenommen, die Basislänge   der Pyramide ließe sich nicht genauer als auf 30 cm und damit die Entfernung   zum Messpunkt nicht genauer als auf 15 cm bestimmen. Dadurch würde bei einem Sehwinkel   von angenommenen 35° die Höhe um den Betrag von etwa 10 cm ungenau sein. Außerdem soll noch der Neigungswinkel   der Seitenfläche bestimmt werden. Eine hypothetische große Pyramide der Basislänge von 200 m und einer Höhe von 140 m hätte bei einer Ungenauigkeit der Höhenangabe von 10 cm eine Ungenauigkeit der Neigungswinkelangabe von etwa einer Bogenminute (54°27′44″ bei   gegenüber 54°26′34″ mit  ). Das gilt nun für Pyramiden, deren Spitze noch vorhanden ist. Die Realität sieht aber anders aus. Die Höhenbestimmung gibt also nicht die ursprüngliche Höhe wieder, sondern die Höhe der abgetragenen Pyramide.

 
Problem bei Extrapolation

Die Spitze muss also extrapoliert werden. Das nebenstehende Bild zeigt schematisch das Problem. Sowohl die Seitenflächen als auch die Spitze sind durch Abriss und Verwitterung deutlich abgetragen:

Die Höhe   wäre daher gemäß der Formel aus der direkten Bestimmung des Neigungswinkels   zugänglich. Wie ersichtlich, ist die Bestimmung mit großen Fehlern behaftet. Eine Ausnahme bildet die Chephren-Pyramide, weil diese im oberen Teil noch die originalen Decksteine hat. Der Winkel   ist dadurch genauer bestimmbar als bei den anderen Pyramiden. Das erklärt die gute Übereinstimmung verschiedener Autoren hinsichtlich des Neigungswinkels.

Damit wird klar, dass bei realen Pyramiden weder die Höhe auf den Zentimeter noch der Neigungswinkel auf die Bogensekunde exakt angegeben werden kann.

Verwandte Begriffe Bearbeiten

Verwandte Formen in der Geometrie sind der Pyramidenstumpf (eine parallel zur Grundfläche „abgeschnittene“ Pyramide) und die Doppelpyramide (ein Polyeder aus zwei spiegelsymmetrischen Pyramiden mit derselben Grundfläche).

Eine Hyperpyramide ist eine Verallgemeinerung auf   Dimensionen. Die in diesem Artikel beschriebene Pyramide ist eine dreidimensionale Hyperpyramide. Eine zweidimensionale Hyperpyramide wäre ein Dreieck, eine vierdimensionale ein Pentachoron.

Mit der Pyramide in der Architektur befasst sich der Artikel Pyramide (Bauwerk).

Weblinks Bearbeiten

Commons: Pyramids (geometry) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kleine Enzyklopädie Mathematik. 2. völlig überarbeitete Auflage, Harri Deutsch, Thun (CH)/ Frankfurt 1977, ISBN 3-87144-323-9, S. 208.
  2. Hans-Joachim Bartsch: Mathematische Formeln. 5., unveränderter Nachdruck der 11. Auflage, Buch- und Zeit-Verlagsgesellschaft, Köln 1977, S. 152.