Liste der Klassischen Philologen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

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Die Liste der Klassischen Philologen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zählt namhafte Hochschullehrer dieses Faches auf, die an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn wirkten und wirken.

Überblick Bearbeiten

Das Seminar für Klassische Philologie wurde wenige Monate nach Inauguration der Universität Bonn am 19. Februar 1819 gegründet. Vorbild war das Seminar der Universität Göttingen, das 1738 von Johann Matthias Gesner begründet und von 1763 bis 1812 von Christian Gottlob Heyne geführt worden war. Zu den ersten Direktoren des Bonner Seminars wurden Karl Friedrich Heinrich und August Ferdinand Naeke ernannt. Nach Heinrichs Tod trat Friedrich Gottlieb Welcker 1838 in die Direktion des Seminars ein, nach Naekes Tod im selben Jahr wurde ihm im April 1839 Friedrich Ritschl zur Seite gestellt. Welcker und Naeke begründeten 1833 das Rheinisches Museum für Philologie, das seitdem (mit Unterbrechungen) eines der wichtigsten Publikationsorgane der Altertumswissenschaften ist.

Die Zusammenarbeit von Ritschl und Welcker markierte den ersten Höhepunkt der Bonner Schule der Klassischen Philologie. Ritschl erwarb sich in den 36 Jahren seiner Bonner Zeit eine große Schülerschaft; er konzentrierte sich auf die Textkritik lateinischer Autoren. Welcker als Archäologe und Philologe vertrat die Sachphilologie in Bonn. Zu seiner Entlastung wurde 1855 Otto Jahn als Ordinarius berufen. Sein Verhältnis zu Ritschl war persönlich belastet und eskalierte 1865 im Bonner Philologenstreit, in dessen Folge Ritschl Bonn verließ und an die sächsische Universität Leipzig wechselte. Jahn starb vier Jahre später.

Die dritte Phase der Bonner Schule der Philologie war von Ritschls und Jahns Nachfolgern Hermann Usener und Franz Bücheler bestimmt. Usener war ein führender Religionswissenschaftler seiner Zeit, Bücheler war Textkritiker und Realienforscher. Neben ihren beiden Lehrstühlen existierte ein dritter, dessen Inhaber ebenfalls Seminardirektor war. Während die ersten Inhaber dieses Lehrstuhls wenig Ausstrahlung hatten, profilierte sich der dritte Inhaber Anton Elter als wirkungsvoller akademischer Lehrer. Er lehrte auch nach Büchelers und Useners Emeritierung neben ihren Nachfolgern August Brinkmann und Friedrich Marx. Diese drei markieren die vierte Phase der Bonner Schule (ca. 1900–1920), die sich in Ernst Bickel und Christian Jensen fortsetzte.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wahrten die Bonner Klassischen Philologen eine kritische Distanz zur herrschenden Ideologie. Hans Herter, Jensens Nachfolger, war zwar nach außen dem Regime angepasst (Mitglied der SA, des NSLB, der NSDAP und des NSDDB), hielt seine Forschungs- und Lehrtätigkeit jedoch frei von nationalsozialistischen Einflüssen. Er blieb nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Amt und wurde 1967 emeritiert.

In der Nachkriegszeit verbreiterte sich das Spektrum der Philologie in Bonn. Ernst Bickels Nachfolger Wolfgang Schmid behandelte die antike Literatur der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit. 1965 wurde Dieter Schaller als außerplanmäßiger (ab 1967 ordentlicher) Professor für Mittel- und Neulateinische Philologie berufen. Schaller leitete das Mittellateinische Seminar bis zu seiner Emeritierung 1994 und darüber hinaus bis 1997 kommissarisch, das Mittellateinische Seminar wurde aufgelöst. Sein Nachfolger wurde 1997 Marc Laureys. Von 1973 bis 2007 war auch die Byzantinistik am Bonner Seminar mit einer Professur vertreten, die Erich Trapp innehatte. Den Bereich Neogräzistik vertrat von 1968 bis 2006 Elsie Mathiopoulou-Tornaritou als akademische Rätin und Honorarprofessorin. Seit ihrem Ruhestand werden neugriechische Sprachkurse von Lehrbeauftragten erteilt.

Liste der Klassischen Philologen Bearbeiten

Angegeben ist in der ersten Spalte der Name der Person und ihre Lebensdaten, in der zweiten Spalte wird der Eintritt in die Universität angegeben, in der dritten Spalte das Ausscheiden. Spalte vier nennt die höchste an der Universität Bonn erreichte Position. An anderen Universitäten kann der entsprechende Dozent eine noch weitergehende wissenschaftliche Karriere gemacht haben. Die nächste Spalte nennt Besonderheiten, den Werdegang oder andere Angaben in Bezug auf die Universität oder das Seminar. In der letzten Spalte stehen Bilder der Dozenten.

Wissenschaftler von bis Funktionen Bemerkungen Bild
Karl Friedrich Heinrich (1774–1838) 1818 1838 Ordinarius Heyne-Schüler, zuvor Professor in Kiel
August Ferdinand Naeke (1788–1838) 1818 1838 Ordinarius Schüler von Gottfried Hermann in Leipzig; Spezialist für griechische Tragödie; zunächst Extraordinarius, seit 1820 Ordinarius
Friedrich Gottlieb Welcker (1784–1868) 1819 1861 Ordinarius persönlicher Ordinarius für Philologie und Archäologie, 1819–1854 Bibliotheksdirektor, 1838–1861 Mitdirektor des Seminars; Spezialist für griechische Literatur, Religion und Kunst  
Heinrich Wilhelm Grauert (1804–1852) 1826 1827 Privatdozent Historiker und Philologe, wechselte nach Münster, später nach Wien
Franz Ritter (1803–1875) 1828 1875 Extraordinarius Gymnasiallehrer, 1828 habilitiert, 1833 Extraordinarius; lehrte bis zu seinem Tod nebenamtlich an der Universität
Laurenz Lersch (1811–1849) 1836 1849 Extraordinarius Privatdozent, 1848 Extraordinarius; gründete 1841 den Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande
Friedrich Heimsoeth (1814–1877) 1837 1877 Ordinarius Privatdozent, 1848 Extraordinarius, 1865 Ordinarius, 1869 Mitleiter des Seminars, 1869/70 Rektor der Universität; Spezialist für archaische griechische Literatur,
Friedrich Ritschl (1806–1876) 1839 1865 Ordinarius Nachfolger Naekes und Seminardirektor, Spezialist für lateinische Textkritik und Sprachgeschichte, Begründer einer bedeutenden latinistischen Schule; wechselte nach Leipzig  
Ludwig Schopen (1799–1867) 1840 1867 Ordinarius Lehrer am Bonner Gymnasium, 1840 Extraordinarius, 1844 Ordinarius  
Ludwig von Urlichs (1813–1889) 1840 1847 Extraordinarius Privatdozent, Adjunkt am Kunstmuseum, 1844 Extraordinarius; wechselte nach Greifswald, später nach Würzburg  
Leopold Schmidt (1824–1892) 1847 1863 Extraordinarius Privatdozent, 1857 Extraordinarius; Spezialist für Pindar und neugriechische Volkslieder; wechselte nach Marburg  
Otto Jahn (1813–1869) 1855 1869 Ordinarius prospektiver Nachfolger Welckers, 1861–1869 Seminardirektor; vertrat gleichermaßen Philologie und Archäologie  
August Reifferscheid (1835–1887) 1860 1868 Extraordinarius Privatdozent, 1867 Extraordinarius; Spezialist für Kirchenväter; wechselte nach Breslau, später nach Straßburg
Jacob Bernays (1824–1881) 1866 1881 Extraordinarius Ritschl-Schüler, Spezialist für griechische Philosophie, Geistes- und Wissenschaftsgeschichte; wegen seines jüdischen Glaubens nur außerordentlicher Professor
Hermann Usener (1834–1905) 1866 1902 Ordinarius Nachfolger Ritschls, Spezialist für griechische Literatur und Religionsgeschichte; Begründer einer religionswissenschaftlichen Schule  
Karl Dilthey (1839–1907) 1866 1867 Privatdozent Philologe und Archäologe, wechselte nach Zürich, später nach Göttingen  
Lucian Müller (1836–1898) 1867 1870 Privatdozent Metriker, wechselte nach St. Petersburg
Eduard Hiller (1844–1891) 1868 1874 Privatdozent 1869 habilitiert; wechselte nach Greifswald, später nach Halle  
Franz Bücheler (1837–1908) 1870 1905 Ordinarius Nachfolger Jahns, Spezialist für lateinische Literatur, Texteditor und Epigraphiker; Begründer einer latinistischen Schule  
Eduard Lübbert (1830–1889) 1881 1889 Ordinarius Nachfolger Heimsoeths, Professor der Eloquenz (gemeinsam mit Hermann Usener)
Joseph Klein (1838–1899) 1883 1899 Extraordinarius Direktor des Rheinischen Landesmuseums; außerordentlicher Professor für Archäologie
Eduard Schwartz (1858–1940) 1884 1887 Privatdozent Usener- und Wilamowitz-Schüler, Spezialist für Geschichtsschreibung und Kirchenschriftsteller; wechselte nach Rostock, später nach Gießen, Straßburg, Göttingen, Freiburg, nochmals Straßburg und München  
Anton Elter (1858–1925) 1890 1925 Ordinarius als Extraordinarius Nachfolger Lübberts, Professor der Eloquenz, 1892 Ordinarius
Erich Bethe (1863–1940) 1891 1893 Privatdozent Spezialist für griechisches Epos, Tragödie und Dichtung; wechselte nach Rostock, später nach Basel, Gießen und Leipzig
Alfred Körte (1866–1946) 1895 1899 Privatdozent 1896 habilitiert; wechselte nach Greifswald, später nach Basel, Gießen, Freiburg und Leipzig; Spezialist für griechische Komödie  
August Brinkmann (1863–1923) 1902 1923 Ordinarius Nachfolger Useners
Ludwig Deubner (1877–1946) 1903 1906 Privatdozent Spezialist für Religionsgeschichte; wechselte nach Königsberg, später nach Freiburg und Berlin  
Adolf von Mess (1875–1916) 1904 1909 Privatdozent Assistent, 1907 habilitiert; Spezialist für griechisch-römische Geschichtsschreibung; wechselte nach Tübingen
Gino Funaioli (1878–1958) 1905 1913 Lektor hielt italienische und lateinische Sprachkurse ab; wechselte nach Messina, später nach Palermo, Mailand, Bologna und Rom (Sapienza)
Friedrich Marx (1859–1941) 1906 1927 Ordinarius Nachfolger Büchelers, Texteditor
Christian Jensen (1883–1940) 1926 1937 Ordinarius Nachfolger Elters, Papyrologe, Spezialist für hellenistische Dichtung; wechselte nach Berlin  
Erich Reitzenstein (1897–1976) 1926 1937 außerplanmäßiger Professor Hilfsassistent bei Jensen, 1929 habilitiert, 1933 Oberassistent, 1937 nichtbeamteter außerordentlicher Professor; Spezialist für griechische und römische Dichtung; wechselte zum Wintersemester 1937/38 nach Halle
Max Siebourg (1863–1936) 1927 1936 Honorarprofessor Honorarprofessor für Didaktik der Alten Sprachen
Ernst Bickel (1876–1961) 1928 1948 Ordinarius Nachfolger Marx’, Spezialist für griechische Literatur, Rhetorik und Geschichte, 1948–1960 Professor der Eloquenz
Hans Joachim Mette (1906–1986) 1933 1937 Assistent Assistent bei Jensen, 1935 habilitiert; wechselte nach Hamburg
Hans Herter (1899–1984) 1938 1967 Ordinarius Nachfolger Jensens; Spezialist für griechische Philosophie, Geschichtsschreibung und hellenistische Dichtung
Walther Kranz (1884–1960) 1950 1956 Honorarprofessor Honorarprofessor für Didaktik der Alten Sprachen
Felix Scheidweiler (1886–1958) 1955 1958 Honorarprofessor Honorarprofessor für Geschichte der spätgriechischen Literatur; Patristiker, zuvor Oberstudiendirektor in Köln
Ernst Vogt (1930–2017) 1956 1967 außerplanmäßiger Professor Assistent, 1960 habilitiert, 1966 apl. Prof.; Spezialist für griechische Literatur und Wirkungsgeschichte der Antike; wechselte nach Mannheim, später nach München
Franco Munari (1920–1995) 1957 1961 außerplanmäßiger Professor 1961 apl. Prof.; wechselte an die Freie Universität Berlin
Georg Luck (1926–2013) 1962 1972 Ordinarius wechselte an die Johns Hopkins University
Christian Gnilka (* 1936) 1964 1972 außerplanmäßiger Professor 1970 habilitiert, 1971 apl. Prof.; Spezialist für Kirchenschriftsteller; wechselte nach Münster
Karl August Neuhausen (1939–2017) 1965 2005 Akademischer Oberrat Schmid-Schüler, 1965 promoviert, 1970 Akademischer Oberrat; Spezialist für lateinische Literatur der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit
Klaus Nickau (* 1934) 1965 1970 Privatdozent Assistent, 1969 habilitiert; Spezialist für griechische Grammatiker; wechselte nach Göttingen
Dieter Schaller (1929–2003) 1965 1997 Ordinarius außerplanmäßiger Professor für Mittel- und Neulateinische Philologie, ab 1967 C4-Professor und Leiter des neugegründeten Mittellateinischen Seminars, 1994 emeritiert, bis 1997 kommissarischer Leiter des Mittellateinischen Seminars
Heinz Gerd Ingenkamp (* 1938) 1966 2004 Professor Assistent, 1970 habilitiert, 1971 apl. Prof., 1980 Professor; Spezialist für Antikenrezeption
Hartmut Erbse (1915–2004) 1968 2003 Ordinarius Spezialist für griechische Literatur, 1984 emeritiert
Elsie Mathiopoulou-Tornaritou (1928–2022) 1968 2006 Honorarprofessorin Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Byzantinistik und Neogräzistik, 1972 Akademische Rätin, 1995 Oberrätin, 1996 Honorarprofessorin für Neogräzistik
Ewald Könsgen (* 1941) 1969 1989 Privatdozent Mittellateiner, Assistent 1969, promoviert 1972, habilitiert 1986; wechselte als Professor nach Marburg
Adolf Köhnken (1938–2017) 1970 1992 Ordinarius Privatdozent, 1971 apl. Prof., 1980 Ordinarius; wechselte nach Münster
Heinz Neitzel (* 1938) 1971 2002 Professor Erbse-Schüler, 1973 habilitiert
Willy Schetter (1928–1992) 1972 1992 Ordinarius Nachfolger Lucks; Spezialist für römische Literatur (Literaturtheorie, Text- und Echtheitskritik, Zeitgeschichte)
Erich Trapp (* 1942) 1973 2008 Wissenschaftlicher Rat und Professor Professor für Byzantinistik
Jochem Küppers (* 1946) 1975 1988 Privatdozent Assistent, 1984 habilitiert; wechselte nach Aachen, später nach Gießen und Düsseldorf
Otto Zwierlein (* 1939) 1979 2004 Ordinarius Nachfolger Schmids; Spezialist für lateinische Literatur von der Antike bis zur Neuzeit
Heinz-Lothar Barth (* 1953) 1984 2017 Oberstudienrat im Hochschuldienst
Rainer Jakobi (* 1958) 1987 1993 Privatdozent Zwierlein-Schüler; Assistent, 1993 habilitiert; wechselte nach Halle
Beate Hintzen 1995 Oberstudienrätin im Hochschuldienst; Habilitation an der Universität Innsbruck 2014 Spezialistin für Klassisches Latein und Neulatein
Marc Laureys (* 1963) 1997 Ordinarius Nachfolger Schallers; Spezialist für lateinische Geschichtsschreibung des Spätmittelalters und der Renaissance, Renaissance-Humanismus, antiquarische Studien der Renaissance und des Barocks sowie Überlieferungsgeschichte und Rezeption der antiken Literatur
Thomas A. Schmitz (* 1963) 2003 Ordinarius Spezialist für griechische Lyrik und Rhetorik, Literaturtheorie und Rezeption der antiken Literatur
Dorothee Gall (1953–2023) 2005 2019 Ordinaria Nachfolgerin Zwierleins; Spezialistin für augusteische Dichtung und Renaissance-Literatur
Thomas Riesenweber (* 1975) 2007 2018 Privatdozent Wissenschaftlicher Mitarbeiter, 2012 habilitiert; Spezialist für römische Elegie und Rhetorik sowie Überlieferungsgeschichte und Textkritik; wechselte nach Wuppertal
Gernot Michael Müller (* 1970) 2019 W3-Professor für Latinistik

Literatur Bearbeiten

  • Ernst Bickel, Christian Jensen: Das Philologische Seminar. In: Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn am Rhein. Zweiter Band: Institute und Seminare 1818–1933. Bonn 1933, S. 187–208.
  • Hans Herter, Georg Luck, Wolfgang Schmid: Klassische Philologie. In: 150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818-1968. Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn: Philosophie und Altertumswissenschaften. Bonn 1968, S. 127–214.

Weblinks Bearbeiten