Liste der Klassischen Philologen in Gießen

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Die Liste der Klassischen Philologen in Gießen zählt namhafte Hochschullehrer dieses Faches an der Ludwigs-Universität (1607–1945) und an der Justus-Liebig-Universität (seit 1957) auf.

Überblick Bearbeiten

Die Klassische Philologie entwickelte sich in Gießen, wie an anderen Orten auch, aus den Professuren für Rhetorik (professor eloquentiae oder oratoriae) und Poetik (professura poeseos), die auch während der Verlegung der Universität nach Marburg (1624–1650) bestanden. Nach dem Tod des ersten Professors der Poesie, Conrad Bachmann (1646), wurden die Professuren zusammengelegt. Bis ins späte 18. Jahrhundert waren die Inhaber dieses Lehrstuhls hauptsächlich Theologen, selten Historiker und Philologen. Seit dem 19. Jahrhundert etablierte sich die Klassische Philologie in Gießen als eigenständige Disziplin. Sie wurde besonders von Friedrich Gottlieb Welcker vertreten, der von 1809 bis 1816 als persönlicher Ordinarius neben den Professoren der Rhetorik und Poetik lehrte. Unter seiner Federführung wurde am 20. März 1812 das Seminar für Klassische Philologie errichtet, die erste Einrichtung dieser Art an der Gießener Universität. Zu ihrem ersten Direktor wurde der Theologieprofessor Johann Ernst Christian Schmidt ernannt. Die Professur für Rhetorik und Poetik wurde zur Klassischen Philologie umgewidmet. Verschiedene Privatdozenten und außerordentliche Professoren ergänzten die Vorlesungstätigkeit der Ordinarien. Von 1878 bis 1882 beispielsweise leitete Friedrich Schulteß als Extraordinarius die Übungen des neu eingerichteten Proseminars.

Ab den 1890er-Jahren waren die Lehrstühle in Gießen nur jeweils kurze Zeit besetzt und entwickelten sich zu „Durchgangsstationen“ für aufsteigende Philologen. Die wachsende Studentenzahl ab 1900 führte zur Einrichtung einer Assistentenstelle neben den Ordinarien, die von 1903 bis 1945 bestand. Ihre Inhaber waren Hugo Hepding (1903–1904), Wilhelm Gundel (1904–1906), Wilhelm Süß (1906–1909), Hermann Knöllinger (1909–1914), Robert Arnold Fritzsche (1915–1919), Hans Kling (1919–1927), Rudolf Güngerich (1927–1929), Andreas Thierfelder (1929–1930) und Heinrich Otto Schröder (1930–1945). Seit den 20er Jahren zeichneten sich bei den Ordinarien längere Amtszeiten ab.

Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Universität Gießen bei Luftangriffen schwer beschädigt. Der Lehrstuhlinhaber für Latinistik, Andreas Thierfelder, wurde 1943 zur Wehrmacht eingezogen und geriet 1945 in Kriegsgefangenschaft. Der Lehrstuhlinhaber für Gräzistik, Albrecht von Blumenthal, nahm sich kurz vor der Eroberung der Stadt durch die Amerikaner das Leben. 1946 wurde die Universität geschlossen und erst im Jahre 1957 wiedererrichtet. Für die Klassische Philologie wurden 1962 zwei Ordinariate mit den Schwerpunkten Latinistik und Gräzistik eingerichtet, die bis heute bestehen. Neben den Lehrstuhlinhabern sind mehrere Wissenschaftliche Assistenten, Mitarbeiter, Akademische Räte und Lehrbeauftragte am Seminar für Klassische Philologie tätig.

Liste der Professores poeseos et eloquentiae Bearbeiten

Die Professoren wirkten von 1625 bis 1650 in Marburg. Bis 1646 trugen sie den Titel Professor eloquentiae oder oratoriae, ab 1646 (Tod des Professor poeseos Conrad Bachmanns) den Titel Professor eloquentiae et poeseos. Die Inhaber dieser Professoren waren meist Historiker und Theologen und betrieben selten philologische Studien.

  1. Caspar Fink (1605–1607)
  2. Petrus Hermannus Nigidius (1608–1616)
  3. Christian Liebenthal (1616–1624)
  4. Johannes Kornemann (1625–1627) in Marburg
  5. Theodor Höpingk (1627–1635) in Marburg
  6. Johann Balthasar Schupp (1635–1646) in Marburg
  7. David Christiani (1646–1650) in Marburg
  8. Johann Helwig Sinolt (1650–1653)[1]
  9. Philipp Ludwig Hanneken (1663–1670)
  10. Heinrich Phasian (1671–1694)
  11. Johann Reinhard Hedinger (1694–1699)
  12. Matthias Nicolaus Kortholt (1700–1725)
  13. Johannes Rhenius (1725–1733)[2]
  14. Johann Hermann Benner (1733–1740)
  15. Franz Justus Kortholt (1741–1743)
  16. Ernst Thom (1744–1745)
  17. Heinrich Christoph Nebel (1745–1752)
  18. Johann Gottfried Zentgrav (1753–1762)
  19. Johann Georg Bechtold (1762–1771)
  20. Christian Heinrich Schmid (1771–1800)
  21. Christian Gottlieb Kühnöl (1801–1809)
  22. Friedrich Karl Rumpf (1809–1823)

Liste der Klassischen Philologen Bearbeiten

Die folgende Liste setzt zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein, weil sich die Klassische Philologie zu dieser Zeit in Gießen als eigenständiges Fach etablierte.

Angegeben ist in der ersten Spalte der Name der Person und ihre Lebensdaten, in der zweiten Spalte wird der Eintritt in die Universität angegeben, in der dritten Spalte das Ausscheiden. Spalte vier nennt die höchste an der Universität Gießen erreichte Position. An anderen Universitäten kann der entsprechende Dozent eine noch weitergehende wissenschaftliche Karriere gemacht haben. Die nächste Spalte nennt Besonderheiten, den Werdegang oder andere Angaben in Bezug auf die Universität oder das Seminar. In der letzten Spalte stehen Bilder der Dozenten.

Wissenschaftler von bis Funktionen Bemerkungen Bild
Heinrich Friedrich Pfannkuche (1765–1832) 1803 1832 Ordinarius Professor der griechischen Sprache und Literatur
Friedrich Karl Rumpf (1772–1823) 1809 1823 Ordinarius Professor der Poesie und Beredsamkeit
Friedrich Gottlieb Welcker (1784–1868) 1809 1816 Ordinarius persönlicher Ordinarius für griechische Literatur und Archäologie (erstes archäologisches Ordinariat weltweit); wechselte nach Göttingen, 1819 nach Bonn  
Friedrich Gotthilf Osann (1794–1858) 1825 1858 Ordinarius Nachfolger Rumpfs, ab 1827 Direktor des philologischen Seminars
Heinrich Christian Michael Rettig (1795–1836) 1829 1833 Privatdozent Gymnasiallehrer, der parallel an der Universität lehrte; wechselte 1833 nach Zürich
Friedrich Wilhelm Otto (1805–1866) 1833 1864 Extraordinarius erst Collaborator, ab 1853 außerordentlicher Professor
Adolf Theodor Hermann Fritzsche (1818–1878) 1844 1850 Extraordinarius Privatdozent, 1849 außerordentlicher Professor; wechselte nach Leipzig  
Anton Lutterbeck (1812–1882) 1859 1877 Ordinarius Theologe, trat von der katholischen Theologie zur Philologie über
Ludwig Lange (1825–1885) 1859 1871 Ordinarius Nachfolger Osanns, verfasste in Gießen zahlreiche Sammelwerke, darunter die dreibändigen Römischen Alterthümer (1856–1871); wechselte nach Leipzig
Ludwig Schwabe (1835–1908) 1859 1863 Extraordinarius Habilitation 1859 in Gießen, 1863 außerordentlicher Professor; wechselte als Ordinarius nach Dorpat
Franz Umpfenbach (1835–1885) 1860 1862 Privatdozent Habilitation 1860 in Gießen; lebte nach einer mehrjährigen Bildungsreise durch Italien als Privatgelehrter in München
Eduard Lübbert (1830–1889) 1865 1874 Ordinarius Habilitation 1865 in Gießen; wurde 1871 zum Nachfolger Langes ernannt; wechselte 1874 nach Kiel
Wilhelm Clemm (1843–1883) 1868 1883 Ordinarius Habilitation 1867 in Gießen, 1871 außerordentlicher Professor; erhielt 1874 ein neu eingerichtetes zweites Ordinariat für Klassische Philologie
Adolf Philippi (1843–1918) 1874 1893 Ordinarius Nachfolger Lübberts; legte infolge einer langwierigen Sinnkrise 1893 seine Professur nieder, verfasste einen „Nachruf“ auf sich selbst und widmete sich kunsthistorischen Studien
Hermann Schiller (1839–1902) 1876 1899 Ordinarius Geheimer Oberschulrat, Mitglied des Großherzoglich Hessischen Innenministeriums und Direktor des Großherzoglichen Gymnasiums in Gießen, zugleich ordentlicher Professor der Pädagogik; beschäftigte sich mit römischer Geschichte sowie Didaktik und Methodik des altsprachlichen Unterrichts; 1899 wegen seiner öffentlichen Kritik am hessischen Schulwesen entlassen
Friedrich Schulteß (1851–1919) 1878 1882 Extraordinarius Oberlehrer am Gymnasium, zugleich außerordentlicher Professor der Klassischen Philologie; leitete die Übungen des neu eingerichteten Proseminars; wechselte nach Straßburg, später nach Hamburg als Direktor des Johanneums
Peter Dettweiler (1856–1907) 1883 1890 Extraordinarius Leiter des Proseminars, 1887 außerordentlicher Professor
Johannes Schmidt (1850–1894) 1883 1892 Ordinarius Nachfolger Clemms, bedeutender Epigraphiker; wechselte 1892 nach Königsberg, wo er kurz darauf starb
Georg Ferdinand Dümmler (1859–1896) 1887 1890 Privatdozent Archäologe und Philologe, wechselte 1890 als Ordinarius nach Basel  
Richard Reitzenstein (1861–1931) 1892 1893 Ordinarius Nachfolger Schmidt für zwei Semester; bedeutender Papyrologe; wechselte nach Straßburg
Gotthold Gundermann (1856–1921) 1893 1902 Ordinarius Nachfolger Reitzensteins; beschäftigte sich hauptsächlich mit Glossensammlungen; wechselte nach Tübingen
Eduard Schwartz (1858–1940) 1893 1897 Ordinarius Nachfolger Philippis; Herausgeber und Erklärer der Kirchenhistoriker, Wissenschaftsorganisator; wechselte nach Straßburg  
Albrecht Dieterich (1866–1908) 1897 1903 Ordinarius Nachfolger Schwartz’; Religionswissenschaftler und Volkskundler; wechselte nach Heidelberg  
Richard Wünsch (1869–1915) 1902 1907 Ordinarius Nachfolger Gundermanns, Religionswissenschaftler und Hymnenforscher; wechselte nach Königsberg
Erich Bethe (1863–1940) 1903 1906 Ordinarius Nachfolger Dieterichs; Sagen- und Erzähltheoretiker; wechselte nach Leipzig
Hugo Hepding (1878–1959) 1903 1941 Extraordinarius Dieterich-Schüler; Bibliothekar, 1910 habilitiert, 1915 außerordentlicher Professor; 1941 Vorlesungsverbot
Alfred Körte (1866–1946) 1906 1913 Ordinarius Nachfolger Bethes; Menanderforscher und Archäologe; wechselte nach Freiburg im Breisgau  
Otto Immisch (1862–1936) 1907 1913 Ordinarius Nachfolger Wünschs; Lyrik- und Komödienforscher; wechselte nach Königsberg, 1914 nach Freiburg im Breisgau  
Hermann Knöllinger (1883–1914) 1909 1914 Assistent Cicero-Forscher, fiel im Ersten Weltkrieg
Rudolf Herzog (1871–1953) 1913 1936 Ordinarius Nachfolger Körtes, wegen Kriegseinsatzes im Ersten Weltkrieg zeitweise durch Karl Kalbfleisch vertreten; Philologe, Archäologe und Medizinhistoriker; bis 1945 Vorsitzender des Deutschen Gymnasialvereins
Karl Kalbfleisch (1868–1946) 1913 1934 Ordinarius Nachfolger Immischs; Medizinhistoriker und Papyrologe
Wilhelm Gundel (1880–1945) 1914 1945 Extraordinarius Gymnasiallehrer, 1914 habilitiert, 1920 nebenamtlicher Extraordinarius, vertrat ab 1943 Thierfelders Lehrstuhl
Robert Arnold Fritzsche (1868–1939) 1915 1919 Assistent Bibliothekar, nebenamtlicher Assistent
Hans Kling (1893–nach 1957) 1919 1927 Assistent Kalbfleisch-Schüler, Papyrologe, wechselte als Gymnasiallehrer nach Bensheim
Rudolf Güngerich (1900–1975) 1927 1929 Assistent wechselte an die Universität Würzburg
Wilhelm Süß (1882–1969) 1934 1940 Ordinarius Nachfolger Kalbfleischs; wechselte nach Breslau
Hildebrecht Hommel (1899–1996) 1936 1937 Lehrstuhlvertreter vertrat den Lehrstuhl Herzogs; wechselte als Ordinarius nach Heidelberg
Albrecht von Blumenthal (1889–1945) 1937 1945 Ordinarius Nachfolger Herzogs, bis 1940 persönlicher Ordinarius; Spezialist für griechische Dichtung und Sprachwissenschaft, Mitglied des George-Kreises und der NSDAP (ab 1940)
Heinrich Otto Schröder (1906–1987) 1930 1945 Oberassistent Spezialist für griechische und römische Kirchenväter, 1939 habilitiert und zum Oberassistenten ernannt
Andreas Thierfelder (1903–1986) 1941 1943 Ordinarius Nachfolger von Süß; 1943 zum Kriegsdienst in Ägypten eingezogen, anschließend in britischer Gefangenschaft; ging 1950 als Ordinarius nach Mainz
Gerhard Müller (1907–1988) 1962 1976 Ordinarius Gründungsprofessor für Gräzistik
Vinzenz Buchheit (1923–2008) 1962 1989 Ordinarius Gründungsprofessor für Latinistik
Joachim Adamietz (1934–1996) 1963 1988 Professor Lektor, 1970 habilitiert, 1971 H2-Professor; Latinist, Spezialist für römische Rhetorik, Satire und Epos
Egert Pöhlmann (* 1933) 1976 1980 Ordinarius Nachfolger Müllers
Manfred Landfester (1937–2024) 1980 2002 Ordinarius Nachfolger Pöhlmanns
Jochem Küppers (* 1946) 1990 1997 Ordinarius Nachfolger Buchheits; wechselte nach Düsseldorf
Peter Kuhlmann (* 1965) 1995 2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter 1995 Lehrbeauftragter, ab 1997 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich 434 „Erinnerungskulturen“; wechselte nach der Habilitation (2000) nach Düsseldorf  
Ulrike Egelhaaf-Gaiser (* 1967) 1999 2005 Wissenschaftliche Assistentin Habilitation 2005; seit dem 1. Januar 2006 Leiterin des Sonderforschungsbereiches „Erinnerungskulturen“; wechselte nach Göttingen
Helmut Krasser (* 1959) 1999 Ordinarius Nachfolger Küppers’
Dennis Pausch (* 1976) 2000 2011 Privatdozent Wissenschaftlicher Mitarbeiter, 2006 Akademischer Rat auf Zeit, 2010 habilitiert; wechselte nach Regensburg, später nach Dresden
Peter von Möllendorff (* 1963) 2003 Ordinarius Nachfolger Landfesters

Lehrstuhlinhaber Bearbeiten

Ludwigs-Universität (bis 1945) Bearbeiten

Erstes Ordinariat:

  1. Friedrich Carl Rumpf (1809–1823)
  2. Friedrich Gotthilf Osann (1825–1858)
  3. Ludwig Lange (1859–1871)
  4. Eduard Lübbert (1871–1874)
  5. Adolf Philippi (1874–1893)
  6. Eduard Schwartz (1893–1897)
  7. Albrecht Dieterich (1897–1903)
  8. Erich Bethe (1903–1906)
  9. Alfred Körte (1906–1913)
  10. Rudolf Herzog (1913–1936)
  11. Albrecht von Blumenthal (1940–1945)

Zweites Ordinariat:

  1. Heinrich Friedrich Pfannkuche (1803–1832)
  2. Wilhelm Clemm (1874–1883)
  3. Johannes Schmidt (1883–1892)
  4. Richard Reitzenstein (1892–1893)
  5. Gotthold Gundermann (1893–1902)
  6. Richard Wünsch (1902–1907)
  7. Otto Immisch (1907–1913)
  8. Karl Kalbfleisch (1913–1934)
  9. Wilhelm Süß (1934–1940)
  10. Andreas Thierfelder (1941–1943)

Justus-Liebig-Universität (seit 1957) Bearbeiten

Ordinarius für Gräzistik:

  1. Gerhard Müller (1962–1976)
  2. Egert Pöhlmann (1976–1980)
  3. Manfred Landfester (1980–2002)
  4. Peter von Möllendorff (seit 2003)

Ordinarius für Latinistik:

  1. Vinzenz Buchheit (1962–1989)
  2. Jochem Küppers (1990–1997)
  3. Helmut Krasser (seit 1999)

Literatur Bearbeiten

  • Hans Georg Gundel: Die Klassische Philologie an der Universität Gießen im 20. Jh., in: Heinz Hungerland (Hrsg.): Ludwigs-Universität – Justus Liebig-Hochschule, 1607–1957: Festschrift zur 350-Jahrfeier, Giessen 1957, S. 192–221. Volltext (PDF; 2,2 MB)

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Die zehnjährige Lücke nach seinem Ausscheiden ist nicht geklärt. Gundel (1957) 215.
  2. Vergleiche den Eintrag zu Johannes Rhenius in Kalliope