Sarah-Lee Heinrich

deutsche Politikerin (Grüne Jugend)

Sarah-Lee Heinrich (* 22. März 2001 in Iserlohn)[1] ist eine deutsche Politikerin. Sie war von Oktober 2021 bis Oktober 2023 eine Bundessprecherin der Grünen Jugend.

Sarah-Lee Heinrich (2023)

Werdegang

Ausbildung

Heinrich besuchte das Pestalozzi-Gymnasium in Unna und machte dort 2019 Abitur.[2][3] Mit etwa 15 Jahren wurde sie Schulsprecherin des Gymnasiums.[4][5] Ab 2017 wurde sie vom Schülerstipendienprogramm „Ruhrtalente“ gefördert.[5]

Von 2019 bis 2020 studierte sie an der Universität Bonn Politik, Soziologie und Philosophie. Sie wechselte zum Wintersemester 2020 an die Universität Köln, um dort Sozialwissenschaften zu studieren. Sie ist die erste in ihrer Familie, die studiert.[6]

Politische Tätigkeit

Nach einem Praktikum bei den Grünen in Unna begann sie, sich politisch zu engagieren. Anfang 2017 trat sie der Grünen Jugend bei und gründete die Ortsgruppe Unna.[7] Von 2017 bis 2019 war sie deren Sprecherin.[8] Erste mediale Aufmerksamkeit erlangte Heinrich im Jahr 2018, als sie in einem Tweet das Hartz-IV-System basierend auf persönlichen Erfahrungen scharf kritisierte: Sie selbst wurde von ihrer alleinerziehenden Mutter großgezogen, die Geringverdienerin war und dann Hartz IV erhielt.[8][9] Bis 2019 war sie Sprecherin der Grünen Jugend Ruhr und von 2019 bis 2021 Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend und zuständig für das Mitgliedermagazin.[10]

Auf dem 55. Bundeskongress der Grünen Jugend am 9. Oktober 2021 wurde Heinrich mit 93,8 % der Stimmen[1] zur Bundessprecherin und Timon Dzienus zum Bundessprecher der Grünen Jugend gewählt.[11] Ausgehend von einer koordinierten Kampagne durch rechte Accounts in den sozialen Medien[12] wurden nach ihrer Wahl als diskriminierend und gewalterfüllt gewertete Tweets von ihr diskutiert, die sie im Alter von 13 und 14 Jahren verfasst und zwischenzeitlich wieder gelöscht hatte.[13][14] Heinrich bezeichnete diese Tweets später als „falsch und verletzend“[13] und eine weitere Äußerung[15] als „die falschen Worte“.[13] Auf dem darauffolgenden Bundeskongress am 1. Oktober 2022 wurde Heinrich erneut als Sprecherin bestätigt.[16]

Themen und politische Positionen

Heinrichs Kernthemen sind die soziale Ungleichheit und die gesellschaftliche Spaltung mit einem besonderen Fokus auf dem Hartz-IV-System, bei dem sie höhere Regelsätze und eine Abschaffung der Sanktionen fordert,[17] sowie einen Antirassismus, der unternehmerische Ausbeutung und die soziale Frage in den Blick nehmen sollte.[10] Sie möchte das Klassenbewusstsein stärken und betont, dass man als weißer Mann nicht automatisch privilegiert sei, wie es manchmal fälschlicherweise angenommen werde, sondern auch aufgrund einer prekären Beschäftigungssituation benachteiligt sein könne.[18] Zur Bekämpfung der Klimakrise stellt sie dabei Systemkritik statt Konsumkritik in den Vordergrund, da Menschen aus ärmeren Verhältnissen es sich oft nicht leisten könnten, ihren Konsum an ethische Vorstellungen anzupassen.[19] Sie beschreibt die soziale Spaltung als verbindendes Element diverser aktueller Krisen,[10] und fordert, dass soziale und ökologische Fragen stärker zusammengedacht werden sollten.[20] Sie gibt an, von der in den USA entstandenen „moderne[n] Form der Klassenpolitik“ inspiriert worden zu sein, wobei sie die Wahlkämpfe von Bernie Sanders 2016 und 2020 sowie die Aktivistin Alexandria Ocasio-Cortez als Vorbilder nennt.[18][21]

Kurz vor der Bundestagswahl 2021 kritisierte sie SPD und Grüne, sich zu stark auf eine mögliche Ampelkoalition zu fixieren. Eine solche Koalition würde zu einem „progressiven Neoliberalismus“ führen. Sie forderte stattdessen mehr Offenheit für ein Bündnis mit der Linkspartei.[22] In der Regierungszeit kritisierte sie ihre Partei für eine zu geringe Beachtung sozialer Fragen. Die Grünen hätten beim Koalitionsvertrag mehr auf Finanzierungs- und Verteilungsfragen achten sollen, etwa die Einführung einer Vermögenssteuer, um mehr soziale Projekte durchführen zu können. Ferner kritisierte sie die von den Grünen mitgetragenen Verschärfungen der EU-Asylpolitik.[23]

Politischen Wandel erreiche man ihrer Ansicht nach am besten durch den Aufbau starker gesellschaftlicher Bewegungen, die Forderungen an die Politik stellen. So engagierte sie sich in ihrer Zeit als Sprecherin der Grünen Jugend für gemeinsame Kampagnen von Verdi und Fridays For Future.[23] 2023 veröffentlichte sie zusammen mit Ines Schwerdtner, Lukas Scholle, Şeyda Kurt, Andrej Holm und Maurice Höfgen das Buch „GENUG!“, das einen politischen Kurswechsel fordert. Heinrich schreib dabei über die Systematik der Armut in Deutschland.[24][25]

Mitgliedschaften

Heinrich war in ihrer Jugend als Teamerin in der evangelischen Kirche aktiv. Sie ist nach eigenen Angaben Atheistin.[26] Heinrich ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di[27], der EVG-Jugend und der Falken sowie ein Vorstandsmitglied des Institut Solidarische Moderne.[28]

Auszeichnungen

Weblinks

Commons: Sarah-Lee Heinrich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Felix Busjaeger: Sarah-Lee Heinrich: Grüne-Jugend-Sprecherin für Hakenkreuz-Post kritisiert. In: Kreiszeitung. 12. Oktober 2021, abgerufen am 13. Oktober 2021.
  2. Sarah-Lee Heinrich (19). In: hart aber fair. 4. Dezember 2020, abgerufen am 9. Oktober 2021.
  3. Helen Hahne: Sarah-Lee Heinrich: „Kein Kind sollte sich dafür anstrengen müssen, nicht in Armut zu leben“. In: Vogue. 12. Oktober 2020, abgerufen am 9. Oktober 2021.
  4. Maria Cristoph: „Sarah-Lee wuchs in Armut auf und will, dass es keinem Kind so geht wir ihr“ (sic!). In: Vice. 14. Mai 2019, abgerufen am 11. Oktober 2021.
  5. a b Sarah-Lee Heinreich vom PGU – erstes RuhrTalent der Stadt Unna. In: DasProjektUnna. 10. November 2017, abgerufen am 9. Oktober 2021.
  6. Jana Lapper: Aufwachsen mit Hartz IV: „Stay poor please“. In: Die Tageszeitung: taz. 19. September 2019, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 10. Oktober 2021]).
  7. Matthias Biesel: Tochter (17) von Hartz-IV-Empfängerin klagt an: „Ich kann nicht für die Zukunft sparen“. In: DerWesten. 24. August 2018, abgerufen am 9. Oktober 2021.
  8. a b Linda Peikert: »Ich schäme mich nicht mehr«. In: neues deutschland. Abgerufen am 11. Oktober 2021.
  9. Helene Nikita Schreiner: Auf der Suche nach dem Glück: Wie viel Geld macht glücklich? In: Deutschlandfunk Kultur. 10. März 2021, abgerufen am 17. Oktober 2021.
  10. a b c B-S-4: Sarah-Lee Heinrich (55. Bundeskongress der GRÜNEN JUGEND, Antragsgrün). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 10. September 2021; abgerufen am 9. Oktober 2021.
  11. Grüne Jugend stellt Forderungen an Regierung. In: Süddeutsche Zeitung. Abgerufen am 9. Oktober 2021.
  12. Markus Reuter: Dieser Shitstorm entlarvt die, die ihn führen. netzpolitik.org, 11. Oktober 2021, abgerufen am 18. Oktober 2021.
    Carolina Schwarz: Shitstorm gegen Sarah-Lee Heinrich: Rechtsextreme „Cancel Culture“. In: taz. 15. Oktober 2021, abgerufen am 16. Oktober 2021.
    Anfeindungen gegen Sarah-Lee Heinrich - Medienexpertin: Koordinierte Twitter-Kampagnen als Methode. Abgerufen am 14. Februar 2022.
  13. a b c Robert Pausch: „Vielleicht müssten wir lernen, mehr Nachsicht zu üben“. In: Die Zeit. 14. Oktober 2021, abgerufen am 15. Oktober 2021.
  14. Martin Niewendick: Grüne-Jugend-Chefin im Shitstorm: Sarah-Lee Heinrich zeigt Rückgrat – ein bisschen. In: watson. 11. Oktober 2021, abgerufen am 16. Oktober 2021.
    Sarah-Lee Henrich will in der Politik bleiben. In: Der Spiegel. 14. Oktober 2021, abgerufen am 15. Oktober 2021.
    Grüne Jugendsprecherin Heinrich will sich nicht zurückziehen: „Dann hätte der Shitstorm ja sein Ziel erreicht“. In: Der Stern. 15. Oktober 2021, abgerufen am 16. Oktober 2021.
    Stuttgarter Nachrichten, Stuttgart Germany: Trotz Morddrohungen gegen Sarah-Lee Heinrich: Grüne-Jugend-Sprecherin will in der Öffentlichkeit bleiben. Abgerufen am 1. November 2021.
    Silke Mertins: Falsch bleibt falsch. In: taz. 11. Oktober 2021, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  15. KARAKAYA TALK: Fridays for Future: zu weiß? (ab 0:28:16) auf YouTube, 20. November 2019, abgerufen am 14. Oktober 2021.
  16. Joana Rettig: Grüne Jugend: Sarah-Lee Heinrich und Timon Dzienus als Sprecher bestätigt. In: watson. Abgerufen am 5. Oktober 2022.
  17. Joana Lehner: Mit Hartz IV aufgewachsen, jetzt Jung-Politiker: So kämpfen drei junge Menschen gegen die Sozialreform. 27. Juni 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  18. a b Generationenkonflikt - „Fragt nach der Macht, emanzipiert euch!“ In: Freitag. Abgerufen am 6. Januar 2022.
  19. Luisa Neubauer über Konsumkritik und Armut: „Ökologisches Leben sollte kein Privileg sein“. In: watson.de. 16. März 2021, abgerufen am 13. Oktober 2021.
  20. "Ich kann verstehen, dass viele Angst vor weitgehenden Klimamaßnahmen haben". In: Deutschlandfunk Nova. Abgerufen am 14. Februar 2022.
  21. Sarah-Lee Heinrich (Vorsitzende Grüne Jugend) - Jung & Naiv: Folge 539. S. 1h:36min:56s, abgerufen am 6. Januar 2022 (deutsch).
  22. Sarah-Lee Heinrich: Die Ampel steht auf Gelb. In: Jacobin. 13. September 2021, abgerufen am 10. Oktober 2021.
  23. a b Okan Bellikli, Franziska Klemenz: Interview mit Sarah-Lee Heinrich. In: Focus. 20. Oktober 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023.
  24. Stimmen für den Kurswechsel. In: Freitag. 23. Juni 2023, abgerufen am 22. Oktober 2023.
  25. Pauline Jäckels: Krisen von links überwinden. In: Neues Deutschland. Abgerufen am 22. Oktober 2023.
  26. jungundnaiv: Sarah-Lee Heinrich (Grüne Jugend) - Folge 539. In: Jung & Naiv. 29. Oktober 2021, abgerufen am 7. Februar 2023 (deutsch).
  27. Britt-Marie Lakämper: Sarah-Lee Heinrich: Wer ist die Sprecherin der Grünen Jugend? 11. Oktober 2021, abgerufen am 30. Oktober 2021.
  28. Der Vorstand des Instituts. In: Institut Solidarische Moderne. Abgerufen am 2. November 2022.
  29. Edition F Award 2021: Diese Menschen zeigen Wege aus der Krise. In: Handelsblatt. Abgerufen am 29. Oktober 2021.