Carolin Emcke

deutsche Publizistin; Trägerin des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 2016

Carolin Emcke (* 18. August 1967 in Mülheim an der Ruhr) ist eine deutsche Autorin und Publizistin. Im Jahr 2016 wurde sie mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.

Carolin Emcke, Frankfurter Buchmesse 2016

Ihre Eltern sind Manfred Emcke, Industriemanager (unter anderem Vorwerk und Reemtsma) und Berater (unter anderem für das Bundesministerium der Verteidigung), und seine Ehefrau Anita (geborene Siller).[1] Sie wuchs in Wuppertal und Hamburg auf und machte 1986 das Abitur.[2] Daraufhin studierte sie in Frankfurt am Main, an der London School of Economics und an der Harvard University Philosophie, Politik und Geschichte. Sie schloss ihr Studium 1993 mit dem Abschluss Magistra Artium bei Jürgen Habermas ab; ihre Magisterarbeit behandelt das Recht auf Widerstand.[3] Sie war Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes und wurde 1998 in Frankfurt bei Axel Honneth in Philosophie mit der Arbeit Kollektive Identitäten: sozialphilosophische Grundlagen promoviert.

Von 1998 bis 2006 war sie in der Auslandsredaktion des Spiegels tätig und berichtete aus Krisengebieten. 2003/2004 lehrte Emcke als Gastdozentin Politische Theorie an der Yale University in Seminaren über „Theorien der Gewalt“ und „Zeugenschaft von Kriegsverbrechen“. Seit 2004 moderiert sie das mit der Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltete monatliche Diskussionsformat Streitraum an der Berliner Schaubühne.[4][5][6] 2006 und 2007 arbeitete Emcke als Beraterin des Studiengangs Journalismus der Hamburg Media School, seit 2007 ist sie freie Publizistin, u. a. für die ZEIT und die Süddeutsche Zeitung.

Emcke lebt in Berlin und ist mit Silvia Fehrmann liiert, die das Berliner Künstlerprogramm des DAAD leitet.

Zu Themen wie Globalisierung, Theorien der Gewalt, Zeugenschaft, Fotografie und kulturellen Identitäten hält sie regelmäßig Seminare und Vorträge und publiziert dazu. 2007 erinnerte sie in dem Bericht Stumme Gewalt an ihren „Patenonkel“[7] und Freund ihres Vaters, Alfred Herrhausen, der als Vorstandssprecher der Deutschen Bank am 30. November 1989 bei einem Attentat ermordet wurde, das Mitgliedern der dritten Generation der Rote Armee Fraktion zugeschrieben wird. Emcke plädierte in der Veröffentlichung für einen gesellschaftlichen Dialog, an dem sich die Täter beteiligen sollten.[8] Als Ersatz für die gescheiterte Aufklärung des Verbrechens im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren schlug sie nach dem Vorbild der Wahrheits- und Versöhnungskommission in Südafrika vor, durch „Freiheit gegen Aufklärung“ das Schweigen zu brechen: Den Tätern werde unter der Bedingung Amnestie gewährt, dass sie ein umfassendes Geständnis ablegten. Das impliziere beiderseits die Bereitschaft, auf Gewalt, Rache und Verachtung zu verzichten.[9] Carolin Emcke erhielt 2008 für diesen Text und Vorschlag den Theodor-Wolff-Preis.

In dem autobiographischen Buch Wie wir begehren (2013) beschreibt Emcke die Entdeckung ihrer Homosexualität, wobei sie ihre Wünsche formuliert, aber auch die soziale Ausgrenzung als Ergebnis ihres Coming-out diskutiert.[10] Im Januar 2014 führte sie zusammen mit Moritz Müller-Wirth für Die Zeit ein Interview mit Thomas Hitzlsperger über dessen Coming-out.[11][12]

Von 2014 bis 2016 gehörte sie der ersten Jury des Bayerischen Buchpreises an.[13] Zudem ist sie Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Sie gehört zu den Unterstützern der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde. Seit 2017 veranstaltet Emcke die Reihe ABC der Demokratie in der Cumberlandschen Galerie des Staatstheaters Hannover, die viermal pro Jahr stattfindet.[14] 2020 moderierte sie den Musik-Podcast Stereo beim NDR.[15] Im Juni 2021 wurde eine Stelle in Emckes Gastrede auf dem virtuellen Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen von CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak als Verharmlosung des Antisemitismus kritisiert, er nahm den Vorwurf jedoch nach einem Telefonat mit Emcke zurück.[16][17][18][19] Im September 2021 kuratierte sie das Projekt Archiv der Flucht am Berliner Haus der Kulturen der Welt.[20]

Ihr Buch Gegen den Hass wurde von der Universität Freiburg für das Projekt Eine Uni – ein Buch ausgewählt.[21]

 
Erika Mann Lecture 2024

2024 hielt Carolin Emcke die im Jahr zuvor von der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität ins Leben gerufene Erika Mann Lecture. Darin untersuchte sie Gründe für Empathielosigkeit.[22]

Auszeichnungen

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Emcke wurde am 23. Oktober 2016 in der Paulskirche anlässlich der Frankfurter Buchmesse mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet; ihre Laudatorin war ihre Doktormutter Seyla Benhabib.[23][24][25][26][27]

Schriften

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Interviews

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Commons: Carolin Emcke – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Manfred Emcke im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar) Siehe auch Friederike Sattler: Herrhausen. Banker, Querdenker, Global Player. Ein deutsches Leben. Siedler, München 2019, S. 233 f., 345 und 528 f., ISBN 978-3-8275-0082-3.
  2. Carolin Emcke. In: Internationales Biographisches Archiv 42/2016 vom 18. Oktober 2016 (abgerufen via Munzinger Online).
  3. Carolin Emcke: Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF. Mit Beiträgen von Winfried Hassemer und Wolfgang Kraushaar, S. Fischer, Frankfurt 2008, S. 28.
  4. Streitraum Aktuell. Archiviert vom Original am 11. Juli 2016; abgerufen am 17. August 2016.
  5. Streitraum’s Videos on Vimeo. In: vimeo.com. 20. März 2020, abgerufen am 9. März 2022 (englisch).
  6. Streitraum. In: carolin-emcke.de. Abgerufen am 23. Oktober 2016.
  7. Sie nennt ihn ihren Patenonkel. Siehe Carolin Emcke: Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF. Mit Beiträgen von Winfried Hassemer und Wolfgang Kraushaar, S. Fischer, Frankfurt 2008, S. 11, 24, 25 und 128. Im religiösen Sinn war er nicht ihr Patenonkel, denn ihre Taufe erfolgte einen Tag vor ihrer Konfirmation, da habe es keine Paten gebraucht. Er war ihr allerdings nah, so Emcke, daher die Bezeichnung „Patenonkel“. Siehe Stumme Gewalt. Nachdenken über die RAF. Mit Beiträgen von Winfried Hassemer und Wolfgang Kraushaar, S. Fischer, Frankfurt 2008, S. 38.
  8. Interview: „Ich möchte, dass die Täter sprechen“. In: Zeit Online, 14. Mai 2008; abgerufen am 6. Juli 2010.
  9. Carolin Emcke: Stumme Gewalt.. In: Die Zeit, Nr. 37/2007.
  10. „Wie wir begehren“ – Carolin Emcke über homosexuelles Leben in Deutschland. In: Der Tagesspiegel, 28. November 2013; abgerufen am 26. Juni 2016.
  11. Carolin Emcke, Moritz Müller-Wirth: Thomas Hitzlsperger: „Homosexualität wird im Fußball ignoriert“. In: Die Zeit. Nr. 3, 2014 (zeit.de [abgerufen am 31. Oktober 2016]).
  12. Christoph Rohlwing: Homosexualität im deutschen Profifußball: Schwulenfreie Zone Fußballplatz? Tectum Wissenschaftsverlag, 2015, ISBN 978-3-8288-6315-6 (google.de [abgerufen am 23. Juni 2021]).
  13. Website Bayerischer Buchpreis 2016; abgerufen am 26. Juni 2016.
  14. ABC der Demokratie. (Memento des Originals vom 1. Oktober 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stnds.de Auf der Website der Stiftung Niedersachsen, abgerufen am 1. Oktober 2017.
  15. NDR: Stereo - Der Musik-Podcast mit Carolin Emcke. Abgerufen am 19. Dezember 2020.
  16. WELT: Grünen-Parteitag: Rednerin vergleicht Klimaforscher mit Juden. In: DIE WELT. 12. Juni 2021 (welt.de [abgerufen am 15. Juni 2021]).
  17. Antisemitismusvorwurf gegen Emcke - Das Feindbild ist beliebig austauschbar. Abgerufen am 15. Juni 2021.
  18. pat: Shitstorm nach Bericht über angeblichen Holocaust-Vergleich. In: Spiegel. 12. Juni 2021, abgerufen am 12. Juni 2021.
  19. Süddeutsche Zeitung: Ziemiak nimmt Antisemitismus-Vorwürfe gegen Emcke zurück. Abgerufen am 22. Juni 2021.
  20. Haus der Kulturen der Welt: Archiv der Flucht. 19. August 2021, abgerufen am 31. August 2021.
  21. Eine Uni - ein Buch: Stimmen „Gegen den Hass“ auf YouTube, 27. Oktober 2021, abgerufen am 9. März 2022.
  22. Antje Weber: „Wir verteilen Verletzbarkeit“, in: Süddeutsche Zeitung vom 12. Juli 2024, R 12
  23. Entgegnung auf Carolin Emcke: Was Gauck vermisste – die Nation. In: Welt Online. Abgerufen am 25. Oktober 2016.
  24. a b Carolin Emcke erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2016. friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de; abgerufen am 24. Juni 2016.
  25. Friedenspreisträgerin Carolin Emcke: Der Anti-Dylan. In: Spiegel online. Abgerufen am 3. Juni 2018.
  26. Judith Von Sternburg: Carolin Emcke: Optimismus gegen Fanatismus. In: fr-online.de. (fr.de [abgerufen am 25. Oktober 2016]).
  27. Die Gute und die Bösen. (tagesspiegel.de [abgerufen am 25. Oktober 2016]).
  28. Ernst-Bloch-Preis 2006 (pdf). Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. Oktober 2007; abgerufen am 8. Januar 2014.
  29. Theodor-Wolff-Preis 2008, prämiierter Text, Bewertung der Jury und Vita. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 19. September 2011; abgerufen am 8. Januar 2014.
  30. Carolin Emcke: Islamgegner: Liberaler Rassismus. In: Die Zeit. Nr. 9, 2010 (zeit.de).
  31. Annette Milz: Die Journalisten des Jahres 2010. 21. Dezember 2010, abgerufen am 22. Dezember 2010.
  32. Dokumentation des Merck-Preises für Carolin Emcke auf der Website der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, abgerufen am 9. März 2022
  33. Lessing-Preis 2015 geht an Reporterin Carolin Emcke. Kurznachrichten des Deutschlandradio Kultur, 24. August 2014; abgerufen am 24. August 2014.
  34. Brückenpreis geht an Carolin Emcke. In: mittelbayerische.de. 30. Juli 2019, abgerufen am 31. Juli 2019.
  35. Ministerpräsident Armin Laschet verleiht den Landesverdienstorden an zehn Bürgerinnen und Bürger. Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Juli 2020, abgerufen am 1. Juli 2020.
  36. Wuppertaler Poetikdozentur für faktuales Erzählen. Archiv. Universität Wuppertal, abgerufen am 3. März 2024.
  37. Glas der Vernunft Aktuelles vom 15. Februar 2024: Der Kasseler Bürgerpreis "Das Glas der Vernunft" wird am 29. September 2024 an die Autorin und Publizistin Dr. Carolin Emcke übergeben., abgerufen am 15. Februar 2024