Im mathematischen Teilgebiet der Algebra ist die Bloch-Gruppe ein Ansatz zur expliziten Beschreibung der 3. algebraischen K-Theorie von Körpern. Sie ist auch von Bedeutung bei der Untersuchung von Dilogarithmen, bei der Formalisierung des 3. Hilbertschen Problems und in der Topologie 3-dimensionaler hyperbolischer Mannigfaltigkeiten.

Definition Bearbeiten

Es sei   ein Körper und

 

die von   formal erzeugte freie abelsche Gruppe. Wir bezeichnen mit   das   entsprechende Element von  .

Die Prä-Bloch-Gruppe   ist als Quotient von   modulo der von allen "5-Term-Relationen"

 

erzeugten Untergruppe definiert.

Ein Homomorphismus

 

wird definiert durch

 

für  . Man rechnet nach, dass   einen wohldefinierten Homomorphismus

 

induziert. Dieser Homomorphismus wird wegen des Zusammenhangs zu Hilberts 3. Problem als Dehn-Invariante bezeichnet.

Die Bloch-Gruppe   ist als Kern von   definiert.

Aus der Definition der Bloch-Gruppe und dem Satz von Matsumoto folgt, dass die Blochgruppe Teil einer exakten Sequenz

 

ist. Diese Sequenz wird als Bloch-Suslin-Komplex bezeichnet und gelegentlich auch als Definition der Bloch-Gruppe verwendet.

Geometrische Interpretation Bearbeiten

Es sei   die projektive Gerade über dem Körper   und

 

der Kettenkomplex, dessen  -te Gruppe   die von den  -Tupeln

 

paarweise verschiedener Punkte   formal erzeugte freie abelsche Gruppe und dessen Differential   durch die Formel

 

gegeben ist. Dann ist[1]

 

für die Wirkung von   auf  .

Insbesondere hat man einen kanonischen Homomorphismus

 ,

der von der durch

 

gegebenen Abbildung

 

induziert wird. (Die Wahl von   als Basispunkt ist willkürlich, Wahl eines anderen Basispunktes würde ebenfalls einen Homomorphismus induzieren.) Das Bild dieses Homomorphismus liegt sogar in  .

Unter dem Isomorphismus   entspricht ein 4-Tupel von Elementen aus   seinem Doppelverhältnis. Entsprechend bildet also der Homomorphismus

 

ein 4-Tupel   auf das Doppelverhältnis der 4 Punkte   ab.

Bloch-Wigner-Folge Bearbeiten

Für algebraisch abgeschlossene Körper  gibt es eine exakte Sequenz

 ,

wobei   die Einheitswurzeln in   bezeichnet.[2]

Eine unmittelbare Konsequenz ist die exakte Sequenz

 .

Für   erhält man die exakte Sequenz

 .

Um den  -Summanden zu integrieren, definierte W. Neumann für   die erweiterte Bloch-Gruppe  . Diese ist isomorph zu  .

Bloch-Gruppe und Bloch-Wigner-Dilogarithmus Bearbeiten

Der für   definierte Bloch-Wigner-Dilogarithmus

 

erfüllt die Funktionalgleichung

 

und definiert deshalb eine wohldefinierte Abbildung

 .

Der Bloch-Wigner-Dilogarithmus ist die einzige messbare Abbildung  , die die Funktionalgleichung

 

für alle   erfüllt. Man kann die Definition der Bloch-Gruppe also auch interpretieren als die minimale Gruppe, auf der der Bloch-Wigner-Dilogarithmus wohldefiniert ist. Verallgemeinerungen dieses Ansatzes für höhere Polylogarithmen führen zu Definitionen höherer Bloch-Gruppen.

Algebraische Eigenschaften Bearbeiten

Wenn   unendlich ist, dann hängt das Element

 

nicht von   ab. Es wird mit   bezeichnet und erfüllt die Relation  .[3]

Wenn   algebraisch abgeschlossen ist, dann ist   eine teilbare Gruppe. Weiterhin gelten dann für   die Relationen

 
 

und man kann Symbole   einführen, mit denen alle 5-Term-Relationen Gültigkeit behalten.

Insbesondere gilt   für algebraisch abgeschlossene, unendliche Körper. Aus den obigen Relationen folgt dann   für alle z.

Anwendungen Bearbeiten

Bloch-Gruppe und Homologie der linearen Gruppe Bearbeiten

Anwendung des durch die Wirkung von   auf der projektiven Geraden   definierten kanonischen Homomorphismus   (siehe die geometrische Interpretation oben) liefert einen Isomorphismus[4]

 ,

wobei   die die Gruppe der monomialen Matrizen bezeichnet.

Für größere   erhält man einen Isomorphismus[5]

 

für das oben definierte Element   der Ordnung maximal 6.

Eine explizite Realisierung von   liefert die von Neumann definierte erweiterte Bloch-Gruppe  .

Bloch-Gruppe und K-Theorie Bearbeiten

Dieselbe Abbildung induziert einen Isomorphismus

 

wobei   die Anwendung der Plus-Konstruktion auf den klassifizierenden Raum   bezeichnet.

Bezeichne   die Milnorsche K-Theorie, dann hat man nach Suslin eine exakte Sequenz

 

mit K3(K)ind = coker(K3M(K) → K3(K)) und Tor(K*, K*)~ die eindeutige nichttriviale Erweiterung von Tor(K*, K*) mit Z/2, oder äquivalent

 ,

wobei   die Gruppe der Einheitswurzeln von K und   die nichttriviale Erweiterung von   mit   (bzw. in Charakteristik 2:  ) bezeichnet.

Bloch-Gruppe und hyperbolische Geometrie Bearbeiten

Für   ist   die von den nicht-ausgearteten idealen hyperbolischen Simplizes frei erzeugte abelsche Gruppe. Das einem Simplex unter dem Isomorphismus

 

entsprechende Element   ist das Doppelverhältnis der 4 Ecken, der Bloch-Wigner-Dilogarithmus   gibt das Volumen des idealen Simplexes.

Man kann dies verwenden zur Definition einer Invariante hyperbolischer 3-Mannigfaltigkeiten. Sei   eine hyperbolische 3-Mannigfaltigkeit mit einer idealen Triangulierung und seien   die Doppelverhältnisse der Simplizes, dann ist

 

ein Element von   (die Dehn-Invariante ist Null) und definiert eine Invariante der Mannigfaltigkeit, aus der man unter anderem durch Anwendung des Bloch-Wigner-Dilogarithmus das hyperbolische Volumen der Mannigfaltigkeit berechnen kann.

Bloch-Gruppe und sekundäre charakteristische Klassen Bearbeiten

Mittels der Bloch-Gruppe und des Rogers-Dilogarithmus kann man explizite Formeln für die sekundären charakteristische Klassen   und   angeben, wobei man für den Realteil von   den erweiterten Rogers-Dilogarithmus und die erweiterte Bloch-Gruppe benötigt.

Literatur Bearbeiten

  • Spencer Bloch: Higher regulators, algebraic K-theory, and zeta functions of elliptic curves. CRM Monograph Series, 11. American Mathematical Society, Providence, RI, 2000. ISBN 0-8218-2114-8
  • Johan Dupont, Chi Han Sah: Scissors congruences. II. J. Pure Appl. Algebra 25 (1982), no. 2, 159–195.
  • Andrei Suslin: K3 of a field, and the Bloch group. (Russisch, ins Englische übersetzt in: Proc. Steklov Inst. Math. 1991, no. 4, 217–239.) Galois theory, rings, algebraic groups and their applications (russisch). Trudy Mat. Inst. Steklov. 183 (1990), 180–199, 229.
  • Johan Dupont: Scissors congruences, group homology and characteristic classes. Nankai Tracts in Mathematics, 1. World Scientific Publishing Co., Inc., River Edge, NJ, 2001. ISBN 981-02-4507-6; 981-02-4508-4

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Suslin, op.cit., Lemma 2.2
  2. Die Folge ist eine Umformulierung eines unveröffentlichten Resultats von Bloch und Wigner, ein Beweis findet sich in Dupont-Sah, op.cit., siehe auch Dupont, op.cit., Theorem 8.19
  3. Suslin, op.cit., Lemma 1.3
  4. Suslin, op.cit., Theorem 2.1
  5. Suslin, op.cit., Theorem 4.1