Schiefpolynome sind eine Klasse von mathematischen Objekten. Sie sind eine Verallgemeinerung der gewöhnlichen Polynome mit einer im Allgemeinen nicht kommutativen Multiplikation. Schiefpolynome werden zur algebraischen Modellierung von Differentialgleichungen und Differenzengleichungen eingesetzt.

Geschichte

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Schiefpolynome wurden erstmals von dem norwegischen Mathematiker Øystein Ore betrachtet, der sich vor allem mit Fragen ihrer Faktorisierung beschäftigt hat.[1] Aus diesem Grund werden sie von einigen Autoren auch als Ore-Polynome bezeichnet.

Definitionen und Sätze

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Definition

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Für einen Ring   und einen Endomorphismus   von   ist eine  -Derivation   definiert als eine Abbildung von   in sich selbst mit den Eigenschaften

 

für alle  . Ein Beispiel hierfür sind die unendlich oft differenzierbaren Funktionen   auf den reellen Zahlen mit der Identität als Endomorphismus und der gewöhnlichen Ableitung  .

Der Ring der Schiefpolynome   in der Unbekannten   ist die Menge der formalen Ausdrücke

 

mit Koeffizienten in  . Ist  , so ist   der Grad von    , welcher auch als Ordnung bezeichnet wird.

Die Addition wird wie bei normalen Polynomen gehandhabt. Die Multiplikation wird durch die Gleichung

 

festgelegt. Indem man verlangt, dass Assoziativgesetz und Distributivgesetz gelten sollen, kann man so beliebige Schiefpolynome miteinander multiplizieren.

Diese Multiplikation simuliert das Hintereinanderschalten von Differentialoperatoren. Bezeichnen wir im obigen Beispiel für   die Multiplikation von Links mit   auch einfach wieder mit  , so gilt für ein beliebiges  

 

wobei   entsprechend die Multiplikation mit der Ableitung von   bezeichnet.

Eine formale Definition (und einen Existenzbeweis) für Schiefpolynome gewinnt man mit Hilfe des Ringes der Gruppenendomorphismen des  -Moduls

 

Nun bettet man   ähnlich wie im Beispiel mittels des Monomorphismus   in den Ring der Gruppenmorphismen   ein. Der Schiefpolynomring entspricht dann dem von   und dem Endormorphismus

 

erzeugten Unterring von  . Genauere Erläuterungen hierzu finden sich in Kapitel 0.10 in [2].

Beispiele

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  • Gewöhnliche Polynome erhält man durch   (Identität) und  .
  • Bei   spricht man von Differentialoperatoren. Zum Beispiel sind   die Differentialoperatoren mit unendlich oft differenzierbaren Koeffizienten.
  • Der Ring der Schiebeoperatoren   mit   über Polynomen mit ganzzahligen Koeffizienten

Eigenschaften

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Wenn   nullteilerfrei ist und   injektiv, dann gilt

 

für alle  . Insbesondere ist   also ebenfalls nullteilerfrei.

Sind der Grundring   ein Körper und   ein Automorphismus, so lassen sich links- und rechtsseitige Division mit Rest definieren. Damit lassen sich dann größte gemeinsame Rechtsteiler und größte gemeinsame Linksteiler mittels einer Variante des Euklidischen Algorithmus berechnen.[3]

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  1. Öystein Ore [sic]: Formale Theorie der linearen Differentialgleichungen. (Erster Teil). In: Journal für die reine und angewandte Mathematik. Bd. 167, 1932, S. 221–234, doi:10.1515/crll.1932.167.221.
  2. Paul M. Cohn: Free Rings and their relations (= London Mathematical Society Monographs. 19). 2nd edition. London Academic Press, London u. a. 1985, ISBN 0-12-179152-1.
  3. Manuel Bronstein, Marko Petkovšek: An introduction to pseudo-linear algebra. In: Theoretical Computer Science. Bd. 157, Nr. 1, 1996, S. 3–33, doi:10.1016/0304-3975(95)00173-5.