Sasha Marianna Salzmann

deutsche nichtbinäre Dramatikerin, Essayistin, Kuratorin und Romanautorin
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Sasha Marianna Salzmann (auch Marianna Salzmann; geb. 21. August 1985 in Wolgograd, Sowjetunion) ist eine nichtbinäre deutsche Dramatikerin, Essayistin, Kuratorin und Romanautorin. Sie ist Hausautorin am Maxim-Gorki-Theater Berlin und leitete dort von 2013 bis 2015 die Studiobühne.

Sasha Marianna Salzmann auf der Frankfurter Buchmesse 2017

Marianna Salzmann wuchs in Moskau auf. Im Alter von zehn Jahren emigrierte sie 1995 mit ihrer Familie als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland. 2002 gründete Salzmann das Kultur- und Gesellschaftsmagazin freitext (zusammen mit Deniz Utlu und anderen); bis 2013 war sie Mitherausgeberin und Redakteurin. Ab 2005 studierte Salzmann Literatur, Theater und Medien an der Universität Hildesheim und ab 2008 Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin.[1][2][3] Zusammen mit dem Musiktheater-Kollektiv forteblau entwickelte Salzmann Projekte für Gehörlose, Schwerhörende und Hörende.[4]

Während ihres Studiums in Berlin gewann ihr erstes abendfüllendes Theaterstück Weißbrotmusik 2009 den Exil-DramatikerInnenpreis der Wiener Wortstaetten. 2012 wurde sie für das Stück Muttermale Fenster Blau mit dem Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker ausgezeichnet.[5]

Salzmanns Abschlussstück an der Universität der Künste Muttersprache Mameloschn wurde 2013 als bestes neues Stück des Jahres mit dem Mülheimer Publikumspreis geehrt.[6][5]

Nach dem Abschluss ihres Studiums des Szenischen Schreibens gründete Salzmann zusammen mit Maxi Obexer das Neue Institut für Dramatisches Schreiben.[3]

Seit 2013 wurde Salzmann Hausautorin des Maxim-Gorki-Theaters Berlin. Als Kopf der freien Künstlergruppe Conflict Zone Arts Asylum leitete sie dort das „Studio Я“. Der Theaterkritiker Dirk Pilz meinte 2014 in der Berliner Zeitung: „Früher war das Maxim Gorki Theater ein Postmigranten-Theater, jetzt ist es ein Desintegrations-Theater. Desintegration bedeutet: Ich mache nicht mit. Es bedeutet aber gerade nicht: Ich halte mich raus.“[7] Stefan Grund schrieb 2015 in Die Welt: „Das Maxim-Gorki-Theater ist das ‚Theater des Jahres‘. Das liegt auch an Marianna Salzmann, die dort die spannendste Experimentierbühne Deutschlands leitet […] das ‚Studio Ya‘ (der letzte Buchstabe im kyrillischen Alphabet und das russische Wort für ‚ich‘)“.[8][9] 2016 besprach die Theaterzeitschrift Die Deutsche Bühne die vier Köpfe der Saison 2015/16 im Schauspiel: „Salzmann ist mit ihrem sensiblen Blick auf eine brutale Gegenwart und ihren biographischen Blicken zurück vielleicht die deutschsprachige Theaterautorin der Stunde.“[10][9]

Zusammen mit Max Czollek initiierte Salzmann 2016 den Desintegrationskongress[3] und 2017 die Radikalen Jüdischen Kulturtage, zwei soziale Plastiken, in denen sich internationale Künstlerinnen und Künstler mit Fragen zeitgenössischer jüdischer Identität beschäftigten. Salzmann war Co-Kuratorin des Programms und inszenierte selbst Die Geschichte vom Leben und Sterben des neuen Juppi Ja Jey Juden, einen Theatermonolog von Sivan Ben Yishai.[11][12]

Ihr 2022 mit dem Hermann-Hesse-Literaturpreis ausgezeichneter Roman Im Menschen muss alles herrlich sein wird in einer Theaterfassung, die von Salzmann selbst erstellt wurde, am 27. Oktober 2022 am Hamburger Thalia-Theater von Regisseur Hakan Savaş Mican uraufgeführt und in einer weiteren Premiere im November am Theater Magdeburg in der Regie von Alice Buddeberg gespielt.[13]

Persönliches

Als Jugendliche nahm Salzmann den Vornamen Sasha an,[14][15] als ihr Urgroßvater gleichen Namens starb.[5]

In einem Artikel zur Pride Week 2016 erklärte sich Salzmann als queer;[16] 2020 beschrieb sie ihre Geschlechtsidentität als genderfluid (nichtbinär).[17][14] Auf der eigenen Website nutzt Salzmann bei Berufsbezeichnungen das Gendersternchen („Mitherausgeber*in, Hausautor*in“);[18] das macht auch das Maxim-Gorki-Theater („Autor*in, Essayist*in, Theatermacher*in und Kurator*in“) und verwendet das geschlechtsneutrale Doppelpronomen mit Sternchen: sie*er.[2]

Mitte 2018 antwortete Salzmann auf die Frage nach gendergerechter Sprache: „Der Diskurs um sogenannte geschlechtergerechte Sprache ist ein Diskurs um Machthegemonien: Wir haben das dritte Geschlecht anerkannt (mal wieder), und die Ausbeutung der Frau wird langsam zum Mainstream-Thema (mal wieder) – warum glaubt man, auf dem Feld der Sprache all diese Entwicklungen ignorieren zu können? Marginalisierte gehören in der Sprache abgebildet. Auch im Schriftbild. Sprache ist unser aller Spiegel, sie zeigt, wer wir sein wollen und wie wir zueinander stehen“ (siehe auch Gendern im Literaturbetrieb).[19]

Während ihres Aufenthaltes in Istanbul 2012/2013 als Stipendiatin der deutschen Kulturakademie Tarabya begann Salzmann mit der Arbeit an ihrem ersten Roman, den sie in den Folgejahren während regelmäßiger Türkeiaufenthalte beendete. 2017 erschien der Roman Außer sich, er handelt von einem Zwillingspaar, das erst in einer kleinen Zweizimmerwohnung im Moskau der Postsowjetjahre und dann in einem Asylbewerberheim in der westdeutschen Provinz aufwächst. Das Romandebüt erzählt gleichzeitig eine jüdische Familiengeschichte über vier Generationen und springt dabei durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts – von Wolgograd nach Moskau, nach Czernowitz, Almaty und Grosny und dann über Berlin und die deutsche Provinz nach Istanbul, Odessa und zurück. Die erzählerische Herausforderung bestand für Salzmann darin, weder eine lineare noch eine zielgerichtete Geschichte zu erzählen und dabei deren Plausibilität und inneren Aufbau nicht aufzugeben.[20]

Salzmann erhielt für ihr Romandebüt den Literaturpreis der Jürgen Ponto-Stiftung 2017.[21] Die Jury würdigte das Werk als „gewagte wie gelungene Gratwanderung zwischen kulturellen und geschlechtlichen Identitäten“ und als „ein facettenreiches Generationspanorama von der Sowjetunion im 20. Jahrhundert bis ins Europa der Gegenwart“.[22] Im selben Jahr stand Außer sich auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. 2018 folgte der Mara-Cassens-Preis für das „in tiefster Weise provozierende Romandebüt“. Außer sich wurde in 15 Sprachen übersetzt (Stand: Ende 2021).

Ihr zweiter Roman Im Menschen muss alles herrlich sein erschien im September 2021. Der Roman handelt von zwei Müttern und zwei Töchtern. Ort der Handlung sind die Sowjetunion in den 1970er bis 90er Jahren und das heutige Berlin. Wolfgang Schneider schrieb im Tagesspiegel: „Das Gelungene des Romans sind die detailsatt erzählten biographischen Linien. Offenbar liegt das Epische Salzmann mehr als das Dramatische. Zu loben ist die sinnlich konkrete Sprache, die der Fülle der Eindrücke und Gefühle jederzeit gerecht wird. Eigenwillige, allegorisch aufgeladene Bilder kehren wieder und prägen sich ein“.[23] Der Roman stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2021.[24]

Zu ihren Vorbildern zählt Salzmann die US-amerikanische Schriftstellerin Toni Morrison.[25]

Theater

Auszeichnungen

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Commons: Sasha Marianna Salzmann – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Profil: Marianna Salzmann. (Memento vom 1. Mai 2010 im Internet Archive) In: Staatsschauspiel-Dresden.de. 2010, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  2. a b Profil: Sasha Marianna Salzmann. In: Gorki.de. 2021, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  3. a b c d e f g h i j k l m n Profil: Sasha Marianna Salzmann. In: VerlagDerAutoren.de. Abgerufen am 5. Dezember 2021.
  4. Programmankündigung: geistern folgen – Musiktheaterstück für Hörende und Gehörlose. (Memento vom 11. Oktober 2009 im Internet Archive) In: Taubenschlag.de. Oktober 2009, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  5. a b c Eva Demmelhuber: Sasha Marianna Salzmann: „Außer sich“ – Shooting-Star der deutschen Literaturszene. In: Bayern 2. 26. November 2017, abgerufen am 5. Dezember 2021 („Den Namen Sasha nimmt sie an, als ihr Urgroßvater gleichen Namens stirbt“).
  6. a b Tobias Becker: Migrationskomödie „Wir Zöpfe“: Das Biest atmet schwer unter seinem haarigen Pelz. In: Der Spiegel. 5. Februar 2015, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  7. Dirk Pilz: Maxim-Gorki-Theater: Her mit dem Zaunpfahl! In: Berliner Zeitung. 22. Januar 2014, abgerufen am 5. Dezember 2021 (bezahlpflichtig).
  8. Stefan Grund: Kultur: Die Ya-Sagerin aus Berlin. In: Die Welt. 8. Juli 2015, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  9. a b Matthias Bischoff: Starke Stimmen. In: Deutschland.de. 6. Oktober 2017, abgerufen am 6. Dezember 2021 (Abschnitt: Sasha Marianna Salzmann; Frankfurter Service in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, Berlin).
  10. Detlev Baur: Die Köpfe der Saison 2015/16 im Schauspiel: Marianna Salzmann. In: Die Deutsche Bühne. Nr. 9, 2016, S. 63 (PDF: 621 kB, 2 Seiten auf die-deutsche-buehne.de).
  11. Patrick Wildermann: Radikale Jüdische Kulturtage: Die Lichtanknipserin. In: Der Tagesspiegel. 2. November 2017, abgerufen am 19. Dezember 2021.
  12. Maxim-Gorki-Theater: Die Geschichte vom Leben und Sterben des neuen Juppi Ja Jey Juden. In: Gorki.de. Abgerufen am 19. Dezember 2021.
  13. Auszeichnungen für Sasha Marianna Salzmann, nachtkritik.de vom 18. Oktober 2022, abgerufen am 19. Oktober 2022
  14. a b Irmtraud Gutschke: Alles ist im Fluss. In: Der Freitag. 1. Oktober 2021, abgerufen am 5. Dezember 2021 (Ausgabe 38/2021); Zitat: „Sasha Marianna Salzmanns bezeichnet sich als genderfluid. Auch ihre Romanfiguren bewegen sich zwischen Welten […] Autorin […], die schon als Jugendliche den Mut hatte, sich Sasha zu nennen und überhaupt mit Namen zu experimentieren. Denn Menschen reagieren auf Namen“.
  15. Eintrag: Sasha Marianna Salzmann. In: Munzinger.de. Abgerufen am 9. Dezember 2021.
  16. Sasha Marianna Salzmann: Queere Standortbestimmung: Wofür wir stehen, wofür wir tanzen. In: Der Tagesspiegel. 22. Juli 2016, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  17. Sasha Marianna Salzmann im Gespräch mit Masha Gessen: Amerikas fehlerhafte Idee von Demokratie. In: Der Tagesspiegel. 1. November 2020, abgerufen am 5. Dezember 2021; Zitat: „Gessen identifiziert sich als nonbinär, genau wie Sasha Marianna Salzmann. Salzmann lebt in Berlin und ist Theaterautor*in, Essayist*in und Romancier.“
  18. Sasha Marianna Salzmann: Vita. Persönliche Website, 2021, abgerufen am 5. Dezember 2021.
  19. Eva Menasse, Ingo Schulze u. a.: Gendergerechte Sprache: Wie halten Sie es mit dem Gender? (Memento vom 8. Februar 2021 im Internet Archive) In: Die Zeit. 7. Juni 2018, abgerufen am 5. Dezember 2021 (Abschnitt: Sasha Marianna Salzmann).
  20. Hubert Winkels: Literatur: Verwandlungsstress. In: Süddeutsche Zeitung. 10. September 2017, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  21. a b Veranstaltungsankündigung: Literaturpreis 2017 der Jürgen Ponto-Stiftung an Sasha Marianna Salzmann. In: Literaturhaus Frankfurt. 29. November 2017, abgerufen am 6. Dezember 2021.
  22. a b Mitteilung: „Wir Zöpfe“ von Marianna Salzmann. (Memento vom 3. Januar 2015 im Internet Archive) In: Gorki.de. Januar 2015, abgerufen am 6. März 2021.
  23. Wolfgang Schneider: In den Wirren der Umbruchszeit. In: Der Tagesspiegel. 11. September 2021, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  24. Redaktion: Deutscher Buchpreis: Die Longlist 2021. In: Börsenblatt.net. 24. August 2021, abgerufen am 22. Oktober 2021.
  25. Podcast von Sandra Kegel mit Sasha Marianna Salzmann: Für mich ist Schreiben eine Art Schreien auf YouTube (FAZ-Kanal), 22. Oktober 2021, abgerufen am 14. Januar 2022 (20:38 Minuten, hier ab Minute 6:00; 190.000 Abonnenten).
  26. Video von kultivision: Marianna Salzmann über „Muttersprache Mameloschn“ auf YouTube, 13. Mai 2013, abgerufen am 6. März 2021 (5:32 Minuten; Interview von Alexander Viktorin und Max Büch).
  27. Sasha Marianna Salzmann erhält den Hermann-Hesse-Literaturpreis 2022 | BuchMarkt. 28. September 2022, abgerufen am 29. September 2022 (deutsch).
  28. Andrea Rapp ist neue Vizepräsidentin der Akademie. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, 10. März 2023, abgerufen am 15. März 2023.
  29. Kleist-Preis für Sasha Marianna Salzmann, deutschlandfunk (03.05.2024), abgerufen am 3. Mai 2024