Maïmouna Doucouré

französische Regisseurin und Drehbuchautorin

Maïmouna Doucouré (geboren 1985 in Paris) ist eine französische Regisseurin und Drehbuchautorin. Sie wurde vor allem durch ihren Kurzfilm Maman(s) aus dem Jahr 2017, der auf mehreren renommierten Filmfestivals ausgezeichnet wurde, sowie ihr Spielfilmdebüt Mignonnes aus dem Jahr 2020 bekannt.

Maïmouna Doucouré sitzt vor einer beige-schwarzen Wand. Sie trägt ein schwarzes Oberteil mit schwarz-weißen Streifen und weißen Blütenaufdrücken, an jedem Ohr je einen Ohrstecker, an dem drei flache, gelbbraune Steine hängen, sowie ihre schwarzen Haare als strähnige, bis zum Hals reichende Bobfrisur.
Maïmouna Doucouré beim Dublin International Film Festival 2021

Leben Bearbeiten

Maïmouna Doucouré wurde 1985 im 19. Arrondissement von Paris geboren, wo sie auch aufwuchs. Sie lebte dort zunächst alleine mit ihrer Mutter, da ihr Vater erst einige Jahre nach ihrer Geburt zu seiner Familie zog. Beide Eltern stammten ursprünglich aus dem Senegal. Ihre Mutter arbeitete als Kauffrau, ihr Vater war Mitarbeiter der städtischen Müllabfuhr. Nachdem Doucouré ihr Baccalauréat erhalten hatte, studierte sie an der Universität Pierre und Marie Curie in ihrer Heimatstadt Biologie. Das Studium schloss sie mit der Licence ab.[1]

Karriere Bearbeiten

Anfänge und Durchbruch mit Maman(s) Bearbeiten

Ihren ersten Kurzfilm mit dem Titel Cache-cache veröffentlichte Doucouré im Jahr 2013. In diesem geht es um eine Gruppe Kinder, die in einer Wohnsiedlung lebt und die beschuldigt werden, das Haustier einer älteren Nachbarin entwendet zu haben. Der Film entstand im Rahmen eines Wettbewerbs, der von der Union sociale pour l’habitat veranstaltet wurde, einer Organisation, die sich für vermehrten sozialen Wohnungsbau in Frankreich einsetzt. Mit ihrem Debüt erreichte Doucouré beim Wettbewerb den dritten Platz und erhielt den Preis der Jury beim Kurzfilm-Festival Génération Court in Aubervilliers.[2][3]

2015 produzierte Doucouré einen zweiten Kurzfilm mit dem Titel Maman(s). Er handelt von der achtjährigen Aïda, die mit ihrer Mutter Mariam in einem Vorort von Paris wohnt. Beide erwarten sehnsüchtig die Rückkehr des Vaters Alioune aus dem Senegal, als dieser völlig überraschend mit einer zweiten Ehefrau namens Rama ankommt. Da sowohl sie selbst als auch ihre Mutter mit der neuen Situation nur schwer klarkommen, beschließt Aïda, die Fremde loszuwerden. Der Film ist von Kindheitserinnerungen der Regisseurin inspiriert, die ebenfalls in jungen Jahren mit der Vielehe ihres Vaters konfrontiert wurde.[1] Die Produktion war Teil der Kurzfilm-Initiative Talents en courts, welche von der Centre national du cinéma et de l’image animée, einer französischen Filmförderungsorganisation, und dem Schauspieler Jamel Debbouze ins Leben gerufen wurde.[4]

Für Maman(s), der auf über 200 Filmfestivals aufgeführt wurde, erhielt Doucouré mehrere nationale und internationale Auszeichnungen, unter anderem den Preis für den Besten Kurzfilm auf dem Toronto International Film Festival 2015,[5] dem Sundance Film Festival 2016[6] sowie bei der Césarverleihung 2017.[7] Daneben bekam sie den Hauptpreis beim Filmfestival CinéBanlieue in Saint-Denis, der ihr von der damaligen Kultusministerin Fleur Pellerin überreicht wurde.[8]

Mignonnes Bearbeiten

Doucourés erster Spielfilm war der 2020 veröffentlichte Mignonnes. Er behandelt die Geschichte der 11-jährigen Amy, die zwischen ihrer konservativen traditionellen Familie und einer Tanzgruppe gleichaltriger, hypersexualisierter Mädchen, der sie sich anschließt, hin- und hergerissen ist.[9] Der Film basiert sowohl auf Doucourés eigener Erfahrung als Kind senegalesischer Einwanderer mit niedrigem sozialen Status[10] als auch auf ihren Eindrücken als Zuschauerin einer Talentshow, auf der einige Mädchen eine sexualisierte Choreografie darboten.[11] Danach habe sie 18 Monate lang Hunderte Mädchen über ihre Erfahrungen mit sexualisierten Bildern und nicht-jugendfreiem Material in sozialen Netzwerken befragt. Das Geschilderte habe sie dazu bewegt, den Film zu produzieren, um ihre Stimme gegen das allgegenwärtige gesellschaftliche Problem der Sexualisierung von Mädchen zu erheben.[12]

Im August 2020 sahen sich Mignonnes und Doucouré einem internationalen Shitstorm ausgesetzt. Der Streaminganbieter Netflix veröffentlichte ein eigenes Poster samt Trailer zum Film, in denen die Darstellerinnen in sexuell provokanten Posen gezeigt wurden. Dies stand im Kontrast zum französischen Plakat und Trailer, in denen die Figuren im neutralen Kontext zu sehen waren.[13] Doucouré wurde deswegen auf sozialen Netzwerken massiv angefeindet. Zahlreiche Nutzer warfen ihr vor, die minderjährigen Darstellerinnen sexualisiert sowie pädophile Neigungen zu haben, weswegen sie Twitter schließlich verließ.[14] Sie wurde jedoch auch von mehreren Personen öffentlich verteidigt, unter anderem der Schauspielerin Tessa Thompson und einigen Filmkritikerinnen, die Netflix scharf kritisierten, da das Marketing die Intention der Regisseurin, die Sexualisierung junger Mädchen zu kritisieren, ins völlige Gegenteil umgekehrt habe.[15][16][17]

In einem Interview mit Deadline im September 2020 schilderte Doucouré, dass sie aufgrund der Kontroverse um Mignonnes in sozialen Netzwerken Morddrohungen sowie beleidigende und drohende Direktnachrichten erhielt. Sie sei davon verwirrt gewesen, da sie sich aufgrund der mehrmaligen Verschiebung des Kinostarts in ihrem Heimatland vollkommen auf das Marketing in Frankreich konzentriert habe und daher nichts von der Kontroverse in den Vereinigten Staaten mitbekam.[18] Doucouré behauptete, die Aufregung darum verstehen zu können, da das amerikanische Poster weder den Film noch seine Botschaft über die Hypersexualisierung von Kindern repräsentiere.[12] Die Regisseurin lobte Netflix dennoch für seine öffentliche Entschuldigung sowie die Tatsache, dass der Co-CEO Ted Sarandos sie telefonisch persönlich um Verzeihung bat.[19]

Weitere Projekte Bearbeiten

Im Dezember 2022 wurde Doucourés zweiter Spielfilm Hawa veröffentlicht. Er handelt von der jugendlichen Außenseiterin Hawa, die Albinismus hat und sich auf den Weg nach Paris begibt. Sie will die ehemalige First Lady der Vereinigten Staaten Michelle Obama, die dort gerade eine Lesereise macht, davon überzeugen, sie zu adoptieren. Der Filmemacherin kam die Idee zum Drehbuch nach der Geburt ihrer behinderten Tochter. Sie habe ihrem Kind damit die Kraft des Selbstvertrauens sowie der Selbstliebe zeigen wollen.[20] In Hawa wirken nur Laiendarsteller mit, neben den beiden Newcomern Sania Halifa und Titouan Gerbier unter anderem die Musikerin Oumou Sangaré sowie der Astronaut Thomas Pesquet. Doucouré stellte ihnen nicht das Skript zum Lesen zur Verfügung, sondern erklärte ihnen die Handlung erst beim Dreh jeder einzelnen Szene.[21]

Ende 2022 gab Studiocanal bekannt, Doucouré als Drehbuchautorin und Regisseurin für eine geplante Filmbiografie über Josephine Baker verpflichtet zu haben. Die Dreharbeiten starteten im Jahr 2023, wobei die genaue Handlung, Besetzung sowie der Veröffentlichungstermin bislang nicht bekannt sind.[22]

Im Jahr 2024 wurde sie beim 77. Filmfestival von Cannes als Jurymitglied der Sektion Un Certain Regard bestimmt.[23]

Filmografie Bearbeiten

  • 2009: Coeur de femmes (Kurzfilm, Darstellerin)
  • 2011: Le Jour où tout a basculé (Fernsehserie, Darstellerin Folge 1x12)
  • 2013: Cache-cache (Kurzfilm)
  • 2015: Maman(s) (Kurzfilm)
  • 2020: Mignonnes
  • 2022: Hawa

Auszeichnungen und Nominierungen (Auswahl) Bearbeiten

AFI Fest
  • Nominierung für den Großen Preis der Jury in der Kategorie Real-Kurzfilm, für Maman(s)
César
Gotham Award
  • Gotham Awards 2020
  • Nominierung in der Kategorie Bester internationaler Film, für Mignonnes (zusammen mit Zangro)[26]
  • Nominierung für den Publikumspreis, für Mignonnes (zusammen mit Zangro)[27]
Internationale Filmfestspiele Berlin
  • Nominierung für den Gläsernen Bären der Sektion Generation Kplus, für Mignonnes
  • Nominierung für den Großen Preis der Internationalen Jury der Sektion Generation Kplus in der Kategorie Bester Film, für Mignonnes
Molodist
  • Nominierung in der Kategorie Bester internationaler Kurzfilm, für Maman(s)
Prix Lumières
Sundance Film Festival
  • Auszeichnung für den Besten internationalen Kurzfilm, für Maman(s)
  • Nominierung für den Großen Preis der Jury in der Kategorie Kurzfilm, für Maman(s)
  • Auszeichnung für die Beste Regie eines internationalen Dramas, für Mignonnes
  • Nominierung für den Großen Preis der Jury in der Kategorie Internationales Drama, für Mignonnes
Toronto International Film Festival
  • Auszeichnung für den Besten Kurzfilm (zusammen mit Sokhna Diallo), für Maman(s)
  • Nominierung für den Platform Prize, für Hawa

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Claire Diao: Les mamans de Maïmouna Doucouré. In: Bondy Blog. 28. Januar 2015, abgerufen am 27. August 2020 (französisch).
  2. Arnaud Laporte: Maïmouna Doucouré : "Pour moi Dieu était sur le toit de la cité". In: France Culture. 24. August 2020, abgerufen am 27. August 2020 (französisch).
  3. Melanie Goodfellow: Director Maïmouna Doucouré reveals the “shocking” inspiration behind Sundance drama ‘Cuties’. In: Screen International. 24. Januar 2020, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  4. Emmanuel Tellier: Regardez “Maman(s)”, le film multiprimé de Maïmouna Doucouré, révélée par Talents en courts. In: Télérama. 12. April 2016, abgerufen am 27. August 2020 (französisch).
  5. a b Norman Wilner: TIFF 2015: And The Winners Are … In: Now. 20. September 2015, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  6. a b Martin Dale: Netflix Buys World Rights to Maimouna Doucouré’s Sundance-Player ‘Cuties’. In: Variety. 14. Januar 2020, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  7. a b Jordan Mintzer, Rhonda Richford: Cesar Awards: 'Elle' Takes Top Prizes of Best Film, Best Actress. In: The Hollywood Reporter. 24. Februar 2017, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  8. Maman(s) de Maïmouna Doucouré - Grand Prix Cinébanlieue 2015. In: Ciné Banlieue. Abgerufen am 27. August 2020 (französisch).
  9. David Rooney: 'Cuties' ('Mignonnes'): Film Review | Sundance 2020. In: The Hollywood Reporter. 23. Januar 2020, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  10. Maïmouna Doucouré: “‘Mignonnes’ is a universal film”. In: Archyde. 16. August 2020, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  11. Alex Marshall: Netflix, Accused of Sexualizing Girls, Pulls Artwork for ‘Cuties’. In: The New York Times. 21. August 2020, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  12. a b Suyin Haynes: ‘This Film Is Sounding an Alarm.’ What Cuties Director Maïmouna Doucouré Wants Critics to Know About Her New Film. In: Time. 4. September 2020, abgerufen am 9. September 2020 (englisch).
  13. Netflix fait polémique avec la promotion américaine du film « Mignonnes ». In: Le Point. 21. August 2020, abgerufen am 22. August 2020 (französisch).
  14. Bethany Minelle: Cuties: Netflix pulls 'inappropriate' image promoting schoolgirl dance film. In: Sky News. 21. April 2020, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  15. Zack Sharf: Tessa Thompson and More Defend ‘Cuties,’ Criticize Netflix’s Marketing for Creating Outrage. In: IndieWire. 21. August 2020, abgerufen am 26. August 2020 (englisch).
  16. Joanna Williams: In defence of Netflix’s ‘Cuties’. In: The Spectator. 21. August 2020, abgerufen am 26. August 2020 (englisch).
  17. Caz Armstrong: “Cuties” and Netflix’s Betrayal of Maïmouna Doucouré. In: In Their Own League. 21. August 2020, abgerufen am 26. August 2020 (englisch).
  18. Cuties director 'received death threats' over Netflix film poster. In: BBC News. 4. September 2020, abgerufen am 9. September 2020 (englisch).
  19. Tom Grater: ‘Cuties’ Director Says She Received Death Threats After Netflix Poster Backlash; Ted Sarandos Called Her To Apologize. In: Deadline.com. 3. September 2020, abgerufen am 9. September 2020 (englisch).
  20. Jeremy Kay: ‘Cuties’ director Maimouna Doucouré on her new project ‘Hawa’. In: Screen Daily. 8. September 2022, abgerufen am 9. April 2024 (englisch).
  21. Elsa Keslassy: ‘Cuties’ Helmer Maimouna Doucoure on Directing Modern Fable ‘Hawa’ with a Cast of Newcomers. In: Variety. 9. Dezember 2022, abgerufen am 9. April 2024 (englisch).
  22. Elsa Keslassy, John Hopewell: Studiocanal Sets ‘Cuties’ Helmer Maïmouna Doucouré to Direct Josephine Baker Biopic Feature (EXCLUSIVE). In: Variety. 3. November 2022, abgerufen am 9. April 2024 (englisch).
  23. The Un Certain Regard Jury of the 77th Festival de Cannes. In: festival-cannes.com, 24. April 2024 (abgerufen am 25. April 2024).
  24. Denise Petski: AFI Fest 2015 Unveils Full Lineup Of Films. In: Deadline.com. 21. Oktober 2015, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  25. César 2021 : retrouvez la liste de toutes les nominations. In: Télérama. 12. März 2021, abgerufen am 9. April 2024 (französisch).
  26. Joey Nolfi: Chadwick Boseman lands 2020 Gotham Awards nomination, First Cow leads. In: Entertainment Weekly. 12. November 2020, abgerufen am 9. April 2024 (englisch).
  27. Hilary Lewis: Gotham Awards: ‘Nomadland’ Wins Best Feature, Audience Award. In: The Hollywood Reporter. 11. Januar 2021, abgerufen am 9. April 2024 (englisch).
  28. 29.02.2020 Gläserne Bären und die Preise des Deutschen Kinderhilfswerkes bei Generation Kplus. In: Internationale Filmfestspiele Berlin 2020. 29. Februar 2020, abgerufen am 27. August 2020.
  29. Maman(s). In: Unifrance. Abgerufen am 9. April 2024 (französisch).
  30. Melanie Goodfellow: ‘Love Affair(s)’, ‘DNA’, ‘Two Of Us’ top France’s Lumière awards. In: Screen Daily. 19. Januar 2021, abgerufen am 9. April 2024 (englisch).
  31. Sheena Scott: Netflix Apologizes For Inappropriate Marketing Of French Film ‘Cuties’. In: Forbes. 20. August 2020, abgerufen am 27. August 2020 (englisch).
  32. Ryan Lattanzio: TIFF Unveils Platform Lineup: New Films from ‘Cuties’ Director, Frances O’Connor, and More. In: IndieWire. 3. August 2022, abgerufen am 9. April 2024 (englisch).