Josephine Baker
Josephine Baker (gebürtig Freda Josephine McDonald; * 3. Juni 1906 in St. Louis, Missouri; † 12. April 1975 in Paris) war eine Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin. 1937 nahm die gebürtige Amerikanerin die französische Staatsbürgerschaft an.

LebenBearbeiten
Josephine Baker wurde als uneheliche Tochter der Waschfrau Carrie McDonald und des jüdischen Schlagzeugers Eddie Carson in St. Louis, Missouri, geboren. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Von ihrer Mutter wurde sie Tumpie genannt, eine Abwandlung von Humpty Dumpty. 1907 wurde ihr Bruder Richard geboren, und der Vater verließ im gleichen Jahr die Familie. 1911 heiratete die Mutter ein zweites Mal, und Josephine bekam zwei Halbgeschwister aus dieser Ehe. Sie und ihr Bruder Richard wurden von ihrem Stiefvater Arthur Martin adoptiert. Am 2. Juli 1917 erlebte Baker ein Pogrom in East St. Louis mit, bei dem nach unterschiedlichen Berichten bis zu hundert Menschen, vornehmlich Afroamerikaner, ermordet wurden. Dieses Erlebnis prägte sie so stark, dass sie später zu einer engagierten Kämpferin gegen Rassismus wurde. Im Alter von 13 Jahren wurde sie von ihrer Mutter mit dem um viele Jahre älteren Willie Wells verheiratet. Im selben Jahr hatte sie ihre ersten Auftritte als Komparsin im Booker Washington Theatre in St. Louis. Die Ehe mit Wells hielt nur einige Wochen. 1921 heiratete sie den Zugbegleiter Willie Baker, den sie zwar 1925 verließ, dessen Nachnamen sie aber zeitlebens behielt.
Ihre Laufbahn begann mit 16 Jahren am Standard Theatre in Philadelphia. Anschließend ging sie nach New York und erhielt ein Engagement in einer Vaudeville-Truppe, mit der sie ein halbes Jahr durch die USA tourte. Von 1923 bis 1924 war sie Chorus-Girl in der musikalischen Komödie Shuffle Along in New York und trat dann in der schwarzen Revue The Chocolate Dandies auf. In New York machte Baker die Bekanntschaft des damals in den USA äußerst populären und bekannten deutschen Dichters Karl Gustav Vollmoeller. Dieser war seit vielen Jahren als Talentsucher und -förderer für Tänzerinnen und Schauspielerinnen tätig. Er vermittelte Baker Engagements in Berlin und Paris. Nach Auftritten im New Yorker Plantation Club verpflichtete sie sich für La Revue Nègre, die am 2. Oktober 1925 in Paris im Théâtre des Champs-Elysées Premiere hatte.
Mit ihrem Tanz eroberte sie das Pariser Publikum im Sturm, das erstmals einen Charleston zu sehen bekam. André Levinson schrieb begeistert: „Josephine ist kein groteskes schwarzes Tanzgirl mehr, sondern jene Schwarze Venus, die den Dichter Baudelaire in seinen Träumen heimsuchte.“ Weitere Stationen mit La Revue Nègre waren Brüssel und Berlin, wo sie am 14. Januar 1926 im Nelson-Theater am Kurfürstendamm erstmals in Deutschland auftrat. Anlässlich ihres Engagements in Berlin war Baker häufiger Gast in Karl Gustav Vollmoellers Berliner Wohnsitz am Pariser Platz. Wie es bei diesen Treffen zuging, hat Harry Graf Kessler in einigen seiner Tagebucheintragungen festgehalten, so am 13. Februar 1926: „Um eins, nachdem gerade meine Gäste gegangen waren, rief Max Reinhardt an, er sei bei Vollmoeller, sie bäten mich beide, ob ich nicht noch hinkommen könne? Miss Baker sei da, und nun sollten noch fabelhafte Dinge gemacht werden. Ich fuhr also zu Vollmoeller in seinen Harem am Pariser Platz und fand dort außer Reinhardt und Huldschinsky zwischen einem halben Dutzend nackter Mädchen auch Miss Baker, ebenfalls bis auf einen roten Mullschurz völlig nackt, und die kleine Landshoff (eine Nichte von Sammy Fischer) als Junge im Smoking (…) Die nackten Mädchen lagen oder tänzelten zwischen den vier oder fünf Herren im Smoking herum, und die kleine Landshoff, die wirklich wie ein bildschöner Junge aussieht, tanzte mit der Baker moderne Jazztänze zum Grammophon.“ 1926 und 1927 war sie der Star der Folies Bergère. Sie trat in zwei Revuen von Louis Kenarchand auf, in der sie mit ihrem berühmten Bananenröckchen tanzte.
Am 3. Juni 1927[1] heiratete sie den sizilianischen Steinmetz Giuseppe Pepito Abatino, der bereits zuvor künstlerisch in ihren Shows mitgewirkt hatte. Abatino, der sich als Graf Di Albertini[1] ausgab, wurde darauf ebenfalls Josephine Bakers Manager. Baker trug nun aus Gründen der Publicity als erste schwarze Amerikanerin einen europäischen Adelstitel. Der österreichische Architekt Adolf Loos entwarf 1928 ein Haus für Josephine Baker mit schwarz-weiß gestreifter Marmorfassade, das jedoch nie gebaut wurde. Wegen ihrer unglaublichen Kostüme und Tänze erhielt sie Auftrittsverbote in Wien, Prag, Budapest und München, was sie umso interessanter für das Publikum machte. An Bord des Passagierdampfers Giulio Cesare sang sie in der Kabine für Le Corbusier, der sie nackt zeichnete und daraufhin neue Bauten aus dem Geiste ihres Tanzes forderte; er baute nach der Begegnung die „Villa Savoye“.
Nach einer Tournee durch Osteuropa und Südamerika trat sie vor allem als Sängerin in Erscheinung. J’ai deux amours, Aux Îles Hawai und Pretty Little Baby zählten zu ihren erfolgreichsten Liedern. Sie spielte u. a. die Hauptrolle in den Filmen La Sirène des Tropiques 1927, Zouzou 1934 und Princesse Tam-Tam 1935. Mit den Comedy Harmonists, der Exilgruppe der Comedian Harmonists, nahm sie 1935 in Paris das Lied Sous le Ciel d‘Afrique auf. Schnell wurde sie zur erfolgreichsten US-amerikanischen Unterhalterin in Frankreich, wohingegen sie in den USA unter Rassismus zu leiden hatte. 1936 fiel sie in den USA mit einer Show der Ziegfeld Follies durch, worunter sie sehr litt. 1937 erhielt Josephine Baker durch ihre Heirat mit dem Industriellen Jean Lion die französische Staatsbürgerschaft; die Ehe mit Lion wurde 1942 geschieden.[2]
Den Zweiten Weltkrieg erlebte Baker in Frankreich und Nordafrika. Bei Kriegsbeginn trat sie, als Besitzerin eines Pilotenscheins, den Infirmières Pilotes Secouristes de l'Air (IPSA) bei, einem Korps fliegender Krankenschwestern, das dem französischen Roten Kreuz assistierte.[3] Nach der im Waffenstillstand von Compiègne besiegelten Niederlage Frankreichs im Juni 1940 arbeitete sie für die Résistance und den Geheimdienst. Im Mai 1944 ging Baker zur Luftwaffe des Freien Frankreich und wurde dort Propagandaoffizier, mit dem Dienstgrad Sous-Lieutenant (Leutnant). Für ihre Verdienste erhielt sie 1957 das Croix de Guerre und wurde gleichzeitig in die Ehrenlegion aufgenommen.[4]
1947 heiratete sie ihren Orchesterleiter Jo Bouillon. Sie blieben bis 1957 zusammen, und diese fünfte Ehe wurde 1961 geschieden. Obwohl sie in Frankreich lebte, unterstützte sie die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung schon in den 1950er Jahren. Sie protestierte auf ungewöhnliche Weise gegen Rassismus, indem sie zwölf Waisenkinder unterschiedlicher Hautfarben adoptierte: die Jungen Akio (Koreaner), Janot (Japaner), Luis (Kolumbianer), Jarry (Finne), Jean-Claude („Kanadier“, eigentlich Franzose, 1943–2015),[5] Moïse (Franzose und Jude), Koffi (Ivorer), Mara (Venezolaner), Noël (Franzose) und Brahim (Algerier) sowie die Mädchen Marianne (Französin) und Stellina (Marokkanerin).[6] Auf diese Weise gründete sie eine Familie (von ihr als „Regenbogenfamilie“ bezeichnet), mit der sie, unter manchmal schwierigen finanziellen Bedingungen, auf Schloss Les Milandes im südfranzösischen Perigord lebte. 1956 kündigte sie ihren Rückzug von der Bühne an, feierte aber 1961 schon ihr Comeback und trat 1973 erfolgreich in der Carnegie Hall auf.
1960 wurde Josephine Baker Mitglied der Freimaurerei in der Loge Nouvelle Jérusalem der Grande Loge Féminine de France.[7][8]
Am 8. April 1975 war die Premiere ihrer Show Joséphine im Pariser "Bobino"-Theater, in dem sie ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum feierte. Von dieser letzten Show gibt es einen Audiomitschnitt, der auf einer Doppel-LP und später auch auf CD veröffentlicht wurde. Kurz darauf erlitt sie eine Gehirnblutung, an deren Folgen sie am 12. April in Paris starb. An der katholischen Trauerfeier in La Madeleine in Paris nahmen Gracia Patricia von Monaco[9] und der französische Kulturstaatssekretär Michel Guy teil. Sie wurde auf dem Cimetière de Monaco in Monaco begraben und mit einem französischen Militärbegräbnis geehrt.[10]
Josephine Baker schrieb mehrere Autobiografien, die jeweils eine andere Geschichte über ihre Karriere und ihre Familie erzählen.
FilmografieBearbeiten
- 1927: Die Frauen von Folies Bergère
- 1927: Die Königin der Revue (La revue des revues)
- 1927: Papitou (La sirène des tropiques)
- 1928: Le pompier des Folies Bergère
- 1929: La folie du jour
- 1934: Zouzou
- 1935: Princesse Tam-Tam
- 1940: Moulin Rouge
- 1945: Fausse alerte
- 1954: An jedem Finger zehn
- 1955: Carosello del varietà
- 1963: Grüße aus Zürich
Über BakerBearbeiten
- Joséphine Baker. Schwarze Diva in einer weißen Welt. Film von Annette von Wangenheim über Leben und Werk Bakers aus schwarzer Perspektive, WDR/3sat, 2006[11]
- Joséphine Baker, Ikone der Befreiung. Dokumentation von Ilana Navaro, Frankreich, 2017, 54 Minuten, dt. Fassung gesendet auf Arte, 2019
Auszeichnungen und EhrungenBearbeiten
- Ritter der Ehrenlegion - Décret du 9 décembre 1957
- Médaille de la Résistance mit Rosette
- Im 14. Pariser Arr. wurde ein Platz nach ihr benannt.
- Die NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) widmete ihr den 20. Mai, als Ehrung ihrer Dienste im Kampf gegen den Rassismus.[12]
Siehe auchBearbeiten
LiteraturBearbeiten
- Jean-Claude Baker, Chris Chase: Josephine. 2001 ISBN 0-8154-1172-3.
- Josephine Baker, Marcel Sauvage: Ich tue, was mir paßt. Vom Mississippi zu den Folies Bergere. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1983 ISBN 3-596-22472-1.
- Joséphine Baker: Der schwarze Stern Europas: Memoiren, hrsg. von Marcel Sauvage, Übersetzung: Lilly Ackermann, Meyer & Jessen, München 1928.
- Bruno Frank: Politische Novelle. Stuttgart 1951, S. 33–40. – Darstellung eines Auftritts von Becky Floyd alias Josephine Baker im Spielkasiono von Cannes
- Lynn Haney: Naked at the Feast: The Biography of Josephine Baker. Robson Books 2003, ISBN 1-86105-507-2.
- Phyllis Rose: Josephine Baker oder Wie eine Frau die Welt erobert: Biographie. Droemer Knaur, München 1994, ISBN 3-426-75016-3.
- Ean Wood: The Josephine Baker Story. Santuary Publishing 2002, ISBN 1-86074-394-3.
- Ean Wood: La folie Joséphine Baker. Ud-Union Distribution 2003 (Reihe J’ai Lu), ISBN 2-290-32410-8.
- Das fabelhafte Leben der Josephine Baker – Hörbuch mit Regina Lemnitz, Manfred Lehmann, Hans Teuscher, Barbara Becker u. a. 3 CD / 229 Minuten, Duo-phon Records, Berlin 2006, ISBN 3-937127-10-0.
- Frederik D. Tunnat: Karl Vollmoeller: Dichter und Kulturmanager – eine Biographie. tredition, [Hamburg] 2008, ISBN 978-3-86850-000-4 (darin ist über die Beziehung zwischen Josephine Baker und ihrem Förderer Karl Vollmoeller nachzulesen).
- Die furchtlose Frau. In: Die Zeit, Nr. 1/2005
- J wie Josephine. In: Magazin der Berliner Zeitung, 6./7. Oktober 2007.
- Patricia Hruby Powell, Christian Robinson: Josephine. Das schillernde Leben von Josephine Baker, Leipzig 2018, ISBN 978-3-86502-404-6.
- Mona Horncastle: Josephine Baker. Weltstar - Freiheitskämpferin - Ikone. Molden-Verlag, Wien 2020, ISBN 978-3-22215-046-3.
WeblinksBearbeiten
- Literatur von und über Josephine Baker im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Miriam Shahd: Josephine Baker. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
- Josephine Baker in der Internet Movie Database (englisch)
- Josephine Baker. In: FemBio. Frauen-Biographieforschung (mit Literaturangaben und Zitaten).
- Foto von Josephine Baker auf silentladies.tumblr.com
- Von der Küchenhilfe aus dem New Yorker Schwarzenviertel zur Tänzerin und engagierten Kämpferin für Mitmenschlichkeit: Josephine Baker, von Gisela Notz, Sozial.Geschichte Online, 7, 2012, S. 121–139
EinzelnachweiseBearbeiten
- ↑ a b Josefine Baker – Gräfin. In: Badener Zeitung, 29. Juni 1927, S. 5.
- ↑ Stiftung Deutsches Historisches Museum: Gerade auf LeMO gesehen: LeMO Bestand: Biografie. In: www.dhm.de. Abgerufen am 26. August 2016.
- ↑ Charles Onana: Joséphine Baker contre Hitler: la star noire de la France libre. Editions Duboiris, Paris 2006, ISBN 978-2-9522315-7-2, S. 57.
- ↑ Pascale Chardonnet, Françoise Firmin: Joséphine Baker, la résistante. In: histoire-vesinet.org. April 2014, abgerufen am 25. Februar 2021 (französisch).
- ↑ Bruce Weber: Jean-Claude Baker, a Restaurateur, Dies at 71. In: The New York Times, 15. Januar 2015 (englisch) abgerufen am 16. Januar 2015.
- ↑ Lkwdpl.org (Memento vom 18. Januar 2009 im Internet Archive) abgerufen 10. Mai 2009.
- ↑ Alexander Emanuely: Zwei flammende Sterne. Antonie Bernasconi und Joséphine Baker. In: Forschungsgesellschaft Quator Coronati Wien (Hrsg.): Quatuor Coronati Berichte. Wiener Jahrbuch für historische Freimaurerforschung. Wien 2016. S. 394–417.
- ↑ Ausgabe 11 (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) des Initiations Magazine.
- ↑ Her highness the Princess of Monaco at Josephine Baker's funeral. Paris, Madeleine church, 1975. | Paris en images. (Nicht mehr online verfügbar.) In: www.parisenimages.fr. Archiviert vom Original am 26. August 2016; abgerufen am 26. August 2016.
- ↑ Grab von Josephine Baker knerger.de.
- ↑ annettevonwangenheim.de.
- ↑ Biography - The Official Licensing Website of Josephine Baker. In: Josephine Baker. Abgerufen am 29. September 2020 (amerikanisches Englisch).
Personendaten | |
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NAME | Baker, Josephine |
ALTERNATIVNAMEN | McDonald, Freda Josephine (Geburtsname) |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanische Tänzerin, Sängerin und Schauspielerin |
GEBURTSDATUM | 3. Juni 1906 |
GEBURTSORT | St. Louis, USA |
STERBEDATUM | 12. April 1975 |
STERBEORT | Paris |