Liste der Stolpersteine in Nassau (Lahn)

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In der Stadt Nassau (Lahn) hat der Künstler Gunter Demnig am 14. Dezember 2010 insgesamt 19 Stolpersteine an elf Standorten verlegt. Sie erinnern an jüdische Bürger der Stadt, die unter der NS-Herrschaft deportiert wurden und den Tod fanden bzw. ermordet wurden. Den 14- bis 80-jährigen Nassauern jüdischen Glaubens war gemeinsam, dass sie nach ihrer Vertreibung aus Nassau ermordet wurden oder nach ihrer Deportation als verschollen galten. Einer – Gustav Stern – hatte die Pogromnacht am 10. November 1938 in Nassau so erschüttert, dass er sich eine Woche später in einem Hotel in Wiesbaden das Leben nahm.[1]

Die Stolpersteine wurden durch private Spenden finanziert sowie durch Spenden der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde, des Geschichtsvereins sowie der Ortsvereine von SPD und CDU.[2] So kam zum Beispiel die Evangelische Kirchengemeinde Nassau für drei der Stolpersteine auf, nämlich für die Stolpersteine von Sara Strauss, Gustav Stern und Kathinka Hofmann.[3] Das Geld für diese drei Steine stammte weitgehend aus dem Erlös eines Konzerts der jüdischen Musikerin Odelia Lazar und dem Liedermacher Jörg Erb. Schüler des Nassauer Schulzentrums übernahmen die Patenschaft für den Stolperstein von Inge Marx, die an der Realschule Nassau unterrichtet wurde und an ihrem 14. Geburtstag in Kowno ermordet worden. Vater Paul Marx war als Lehrer an der Realschule tätig gewesen.[2]

Anlass für das Konzert war ein Gedenkabend, zu dem die Stadt Nassau unter Stadtbürgermeister Armin Wenzel für den 10. November 2009 in die evangelische Johanneskirche eingeladen hatte, um den Opfern der Pogrome gegen Juden zu gedenken und an die Plünderung jüdischer Einrichtungen im Jahr 1938 zu erinnern.[4] Bei dieser Veranstaltung wurde die Idee der Stolperstein-Verlegung vorgestellt.

Den Anstoß zur Verlegung der Stolpersteine hatte die in Tel Aviv geborene Musikerein Odelia Lazar gegeben. Mit Schülern der Realschule in Nassau suchte sie jene Häuser auf, in den einst jüdische Bürger der Stadt gelebt hatten.[2] Am 8. Januar 2010 wurde das Projekt in der Stadthalle der Öffentlichkeit vorgestellt. Dem war ein einstimmiges Votum des Stadtrats für die Verlegung von Stolpersteinen vorausgegangen.[5]

Dieter Wortmann, der Beigeordnete der Stadt Nassau und Ehemann der evangelischen Gemeindepfarrerin von Nassau, Dr. Brigitte Menzel-Wortmann, koordinierte die Suche nach Spendern, die Festlegung der Standorte und die Verlegung der Stolpersteine. Waltraud Becker-Hammerstein und Werner Becker leisteten mit ihrem Buch „Julius Israel Nassau: Juden in einer ländlichen Kleinstadt im 19. und 20. Jahrhundert“ aus dem Jahr 2002 eine wichtige Vorarbeit für die Stolpersteine. In ihrem Buch dokumentieren sie unter anderem, wo in Nassau welche jüdischen Familien gelebt hatten.

Am 26. Januar 2011 verlegte Gunter Demnig im Ortsteil Bergnassau-Scheuern eine Stolperschwelle an der Zufahrt zur Stiftung Scheuern.[6] Die Inschrift erinnert an die mehr als 1000 Menschen mit Beeinträchtigung oder psychischer Erkrankung, die aus der damaligen Zwischenanstalt Scheuern in andere „Heilanstalten“ verlegt wurden und dort starben oder ermordet wurden. Die meisten von ihnen wurden in Hadamar getötet. Die Stolperschwelle im Nassauer Ortsteil war zum Zeitpunkt der Verlegung erst die dritte Stolperschwelle, die Gunter Demnig verlegte. Die beiden anderen hatte er in Frankfurt und Hamburg verlegt.[7]

Die Stolperschwelle wurde im Wesentlichen durch Spenden der Kirchengemeinde der Stiftung Scheuern und des Apothekers Christian Wuth aus Diez finanziert. Die Verlegung durch Gunter Demnig erfolgte vor einer großen Zahl Gästen. Der damalige Direktor, Pfarrer Eckhard Bahlmann, hielt zu Beginn am Mahnmal auf dem Gelände der Stiftung Scheuern eine Andacht im Gedenken an die Opfer der „Euthanasie“-Verbrechen der Nationalsozialisten. Anschließend wurde die Stolperschwelle verlegt.[8] Auch der damalige Leiter der Gedenkstätte Hadamar, Dr. Georg Lilienthal sowie ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde Koblenz waren zugegen. Das Mahnmal erinnert an die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen. In der Stiftung Scheuern verdeutlichte eine Ausstellung das Leben in der „Anstalt Scheuern“ in den 1930er- und 1940er-Jahren. Sie zeigte Bilder aus dem Alltag, aber auch Fotos, die eng mit der nationalsozialistischen Herrschaft und ihren Gewalttaten in Verbindung stehen.

Name Adresse Inschrift Datum der Verlegung Foto
Sara Strauss Kettenbrückstraße 2 Hier wohnte Sara Strauss, geb. Liebmann, Jg. 1868, deportiert 1942, Theresienstadt, tot 17.9.1942 14.12.2010
Gustav Anger Obertal 14

Hier wohnte Gustav Anger, Jg. 1896, deportiert 1942, ermordet 1942 in Auschwitz 14.12.2010
Paul Marx Kirchstraße 4 Hier wohnte Paul Marx, Jg. 1891, deportiert 1941, Kowno, ermordet 25.11.1941 14.12.2010
Inge Marx Kirchstraße 4 Hier wohnte Inge Marx, Jg. 1927, deportiert 1941, Kowno, ermordet 25.11.1941 14.12.2010
Irma Marx Kirchstraße 4 Hier wohnte Irma Marx, geb. Goldschmidt, Jg. 1898, deportiert 1941, Kowno, ermordet 25.11.1941 14.12.2010
Elise Goldschmidt Kirchstraße 4 Hier wohnte Elise Goldschmidt, geb. Rosenthal, Jg. 1868, deportiert 1941, Kowno, ermordet 25.11.1941 14.12.2010
Salomon Hofmann Gerhart-Hauptmann-Straße 6

Hier wohnte Salomon Hofmann, Jg. 1863, deportiert 1942, Theresienstadt, tot 9.7.1943 14.12.2010
Kathinka Hofmann Gerhart-Hauptmann-Straße 6

Hier wohnte Kathinka Hofmann, geb. Katz, Jg. 1878, deportiert 1942, Theresienstadt, ermordet 1944 in Auschwitz 14.12.2010
Lina Israel Amtsstraße 2 Hier wohnte Lina Israel, geb. Kaufmann, Jg, 1878, deportiert 1942, ermordet 1942 im besetzten Polen 14.12.2010
Leopold Israel Obertal 3

Hier wohnte Leopold Israel, Jg. 1868, deportiert 1942, Theresienstadt, tot 12.3.1943 14.12.2010
Amalie Lindheimer Bachgasse 1

Hier wohnte Amalie Lindheimer, Jg. 1878, deportiert 1942, Theresienstadt, tot 1942 14.12.2010
Johanna Lindheimer Bachgasse 1

Hier wohnte Johanna Lindheimer, Jg. 1874, deportiert 1942, Theresienstadt, tot 2.4.1943 14.12.2010
Recha Lindheimer Bachgasse 1

Hier wohnte Recha Lindheimer, geb. Stern, Jg. 1889, deportiert 1942, ermordet 1942 in Auschwitz 14.12.2010
Bertha Rubens Bachgasse 1

Hier wohnte Bertha Rubens, geb. Lindheimer, Jg. 1911, deportiert 1942, ermordet 1942 in Auschwitz 14.12.2010
Helene Hirsch Oranienstraße 2

Hier wohnte Helene Hirsch, geb. Lindheimer, Jg. 1922, deportiert 1942, Auschwitz, ermordet 5.11.1942 14.12.2010
Otto Löw Freiherr-vom-Stein-Straße 8

Hier wohnte Otto Löw, Jg. 1879, deportiert 1942, Lublin, ermordet 18.6.1942, Sobibor 14.12.2010
Rosalie Löw Freiherr-vom-Stein-Straße 8

Hier wohnte Rosalie Löw, geb. Landau, Jg, 1885, deportiert 1942, Lublin, ermordet 18.6.1942, Sobibor 14.12.2010
Emma Rosenthal Bahnhofstraße 4 Hier wohnte Emma Rosenthal, geb. Heilbronn, Jg. 1884, deportiert 1941, ermordet 1941 in Lodz 14.12.2010
Gustav Stern Emser Str. 14/16

Hier wohnte Gustav Stern, Jg. 1854, gedemnütigt/entrechtet, Flucht in den Tod, 18.11.1938, Wiesbaden 14.12.2010
Am Burgberg 5

Mehr als 1000 Menschen wurden von den Nationalsozialisten zwischen 1941 und 1945 aus der zur Zwischenanstalt umfunktionierten Landesanstalt Scheuern in andere ‚Heilanstalten‘ überwiesen und dort ermordet. Die meisten in Hadamar. 27.1.2011

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Bernd-Christoph Matern: Stolpersteine erinnern in Nassau an Biografie jüdischer Mitbürger. Abgerufen am 22. Februar 2024.
  2. a b c Carlo Rosenkranz: Ein Stein für jedes Menschenleben. In: Rhein-Lahn-Zeitung. Mittelrhein-Verlag, Koblenz 15. Dezember 2010.
  3. Schreiben der Evangelischen Kirchengemeinde an den Koordinator der Aktion Stolpersteine vom 9. Februar 2010.
  4. Bernd-Christoph Matern: Pogrom-Jahrestag in Nassau: Texte gegen das Schweigen. In: http://www.rhein-lahn-evangelisch.de. Evangelisches Dekanat Nassauer Land, abgerufen am 22. Februar 2024.
  5. Carlo Rosenkranz: Erinnerung an die Nassauer Jufen. Stolperstein-Projekt wird vorgestellt. In: Rhein-Lahn-Zeitung. Mittelrhein-Verlag, Koblenz 7. Januar 2010.
  6. Evangelische Kirche an Rhein und Lahn - Vor Heimen Scheuern erinnert Stolperschwelle an Holocaust-Opfer. Abgerufen am 14. Februar 2024.
  7. Carlo Rosenkranz: Schwelle erinnert an mehr als 1000 Ermordete. Künstler Gunter Demnig verlegt große Variante der Stolpersteine. In: Rhein-Lahn-Zeitung. Mittelrhein-Verlag, Koblenz 12. Januar 2011, S. 18.
  8. Bernd-Christoph Matern: Vor Heimen Scheuern erinnert Stolperschwelle an Holocaust-Opfer. Abgerufen am 22. Februar 2024.