Derivation (Mathematik)

(Weitergeleitet von Differentialalgebra)

In verschiedenen Teilgebieten der Mathematik, insbesondere im Bereich der abstrakten Algebra, bezeichnet man Abbildungen als Derivationen, wenn sie eine bestimmte Funktionalgleichung erfüllen. Diese Gleichung wird als Leibniz-Regel bezeichnet und erinnert an die Produktregel aus der Differentialrechnung. Tatsächlich ist der Begriff der Derivation eine Abstraktion der Ableitung in den Kontext der Algebra. Eine Algebra über einem kommutativen Ring zusammen mit einer Derivation wird auch Differentialalgebra genannt.[1]

Definition

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Es sei   ein kommutativer Ring mit Eins, beispielsweise ein Körper wie   oder  . Außerdem sei   eine  -Algebra. Eine ( -lineare) Derivation (auch  -Derivation) von   ist eine  -lineare Abbildung  , die

  für alle  

erfüllt. Die Eigenschaft  -linear besagt, dass für alle   und   die Gleichungen

 

und

 

gelten. Eine Algebra zusammen mit einer Derivation wird Differentialalgebra genannt.[2] Die Definition schließt Ringe   ein, indem man sie als  -Algebren auffasst.

Bildet   von einer Algebra   in einen in einen Modul oder Bimodul   ab, so wird der Derivation analog definiert: für   muss dann die Leibniz-Regel

 

erfüllt sein.[3][4]

Eigenschaften

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Im Folgenden sei weiterhin   eine Derivation.

  • Ist   eine Algebra mit Einselement  , so gilt  . Damit gilt auch   für alle  .
  • Der Kern einer Derivation ist eine Unteralgebra.
  • Die Menge der Derivationen von   mit Werten in   bildet mit dem Kommutator eine Lie-Algebra: Sind   und   Derivationen, so auch
 
  • Die Verkettung einer Derivation mit sich selbst ist keine Derivation. Die Abbildung
 
ist also keine Derivation, es gilt aber die Leibniz-Regel höherer Ordnung
 
für diese Abbildung mit  .[5]
  • Für ein Element   ist  ,  , eine Derivation. Derivationen dieses Typs heißen innere Derivationen. Die Hochschild-Kohomologie   ist der Quotient des Moduls der Derivationen nach dem Untermodul der inneren Derivationen.
  • In einer kommutativen Algebra   gilt   für alle   und alle nichtnegativen ganzen Zahlen  .

Beispiele

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  • Die Ableitung reeller Funktionen   ist eine Derivation. Dies besagt die Produktregel. Aus der Definition der Derivation und aus dem Abschnitt über die Eigenschaften von Derivationen sieht man, dass sich auch die Faktorregel, die Summenregel, die Potenzregel und die Produktregel für höhere Ableitungen einer Funktion auf Derivationen übertragen.
  • Sei   die Algebra der formalen Potenzreihen. Dann ist die formale Ableitung
 
eine  -lineare Derivation von   mit Werten in  .
  • Sei   eine Mannigfaltigkeit. Dann ist die Cartan-Ableitung eine  -lineare Derivation von   mit Werten im Raum   der 1-Formen auf  .
  • Eine der Umformulierungen der Jacobi-Identität für Lie-Algebren besagt, dass die adjungierte Darstellung durch Derivationen operiert:
 

Derivationen und Kähler-Differentiale

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Per definitionem werden  -lineare Derivationen einer kommutativen Algebra   durch den Modul   der Kähler-Differentiale klassifiziert, d. h., es gibt eine natürliche Bijektion zwischen den  -linearen Derivationen von   mit Werten in einem  -Modul   und den  -linearen Abbildungen  . Jede Derivation   entsteht als Verkettung der universellen Derivation   mit einer  -linearen Abbildung  .[6]

Antiderivationen

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Definition

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Ist   eine  - oder  -graduierte  -Algebra, so heißt eine  -lineare graduierte Abbildung   eine Antiderivation, wenn

 

für alle homogenen Elemente   gilt; dabei bezeichnet   den Grad von  .

Beispiele

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Robert Berger: Differentiale höherer Ordnung und Körpererweiterungen bei Primzahlcharakteristik. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-99905-5, S. 4. (books.google.com)
  2. Thierry Vialar. Handbook of Mathematics. BoD - Books on Demand, 2016, ISBN 978-2-9551990-0-8, S. 714. (books.google.com)
  3. Integral Closure of Ideals, Rings, and Modules. Cambridge University Press, 2006, ISBN 0-521-68860-4, S. 147. (books.google.com)
  4. David Eisenbud: Commutative algebra with a view toward algebraic geometry (= Graduate texts in mathematics. Nr. 150). Springer-Verlag, New York 1995, ISBN 978-0-387-94268-1, S. 383.
  5. Nathan Jacobson: Lie Algebras. Courier Corporation, 1979, ISBN 0-486-63832-4, S. 8. (books.google.com)
  6. David Eisenbud: Commutative algebra with a view toward algebraic geometry (= Graduate texts in mathematics. Nr. 150). Springer-Verlag, New York 1995, ISBN 978-0-387-94268-1, S. 384.