Orgelbau Christian Gerhardt & Söhne

Orgelbaubetrieb in Boppard am Rhein

Orgelbau Christian Gerhardt & Söhne war ein deutscher Orgelbaubetrieb in Boppard am Rhein. Während des 130-jährigen Bestehens erbaute das Unternehmen zahlreiche Orgeln hauptsächlich für Dorfkirchen in Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Hessen.

Firmenschild an einer frühen Gerhardt-Orgel in Neef (1891)

Geschichte

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Erste Generation

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Die Orgelbauwerkstatt wurde 1888[1] von Christian Gerhardt I. (* 10. Januar 1858 in Dillhausen; † 11. Oktober 1937 in Boppard) gegründet. Gerhardt hatte das Orgelbauhandwerk bei Christian Friedrich Voigt in Wiesbaden-Igstadt und Johannes Klais in Bonn gelernt. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gab der Firmengründer das Unternehmen 1919 an seine Söhne weiter.[2]

Zweite Generation

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1930 wurde der Sohn des Firmengründers Christian Gerhardt II. (* 13. Januar 1889; † 1971) Inhaber des Orgelbauunternehmens.[2] Der Betrieb ging verhältnismäßig spät zum Bau von mechanischen Schleifladenorgeln über, so wurden auch in der bis 1965 andauernden Schaffensperiode von Christian Gerhardt II. durchgehend Orgeln mit elektropneumatischen Kegelladen gebaut.[3]

Dritte Generation

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Von 1965 bis 1993 leitete Heribert Gerhardt (* 15. April 1930 in Boppard, † 17. September 1993 ebenda) das Unternehmen und führte den Bau mechanischer Schleifladen ein.[2]

Vierte Generation

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Nach dem Tod von Heribert Gerhardt 1993 übernahm mit dessen Sohn Christian Gerhardt III. (* 24. April 1971 in Boppard, † 2018) die vierte Generation die Unternehmensleitung. Christian Gerhardt III. hatte das Orgelbauhandwerk bei August Laukhuff in Weikersheim gelernt und 1996 die Meisterprüfung abgelegt. Neben kleineren Neubauten widmete er sich der Restaurierung von Orgeln; er war geprüfter Restaurator im Orgel- und Harmoniumbau.[2] Mit seinem Tod im Jahr 2018 endete der Betrieb.

Entwicklung der Instrumente

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Spieltisch einer frühen Gerhardt-Orgel in Neef (1891)
 
Fernwerks-Salicional in Schillingen (1959)

Die frühen Orgeln aus der Werkstatt Christian Gerhardt & Söhne besitzen noch mechanische Schleifladen in den Manualen, jedoch schon mechanische Kegelladen im Pedal. Es handelt sich nahezu ausschließlich um kleinere ein- bis zweimanualige Instrumente mit historisierenden Prospekten und einer typischen grundtönigen Disposition im Sinne der deutschen Romantik im Orgelbau. Ein charakteristisches Register, welches sich bei zahlreichen Gerhardt-Orgeln aus der ersten Generation findet, ist die Fernflöte 8'. Die 1891 errichtete Orgel in Neef ist ein solches Beispiel für eine der ersten Instrumente aus dem Hause Gerhardt.[4]

In den 1890er Jahren stellte Gerhardt auf den Bau von Instrumenten mit vollpneumatischen Kegelladen um. In diese Zeit fällt auch seine Erfindung der Koppelkegellade, welcher er 1896/97 zum Patent anmeldete. Es handelt sich dabei um eine pneumatische Transmissions- bzw. Extensionslade zur Ansteuerung ein und derselben Pfeifenreihe entweder in unterschiedlicher Fußtonlage oder von einer anderen Klaviatur.[5]

In der zweiten Generation unter Christian Gerhardt II. wurde die vollpneumatische Traktur auch in den 1930er Jahren noch verwendet. Erhaltene und restaurierte Beispiele für die Instrumente aus dieser Zeit zwischen den Weltkriegen sind die Orgeln in St. Johannes Baptist Mosbach (1930) und in St. Johannes Enthauptung Koblenz-Metternich (1934). Während Erstere noch vollständig der Romantik verhaftet ist, finden sich in der Disposition des nur vier Jahre später errichteten Metternicher Instrumentes bereits deutliche Einflüsse der Orgelbewegung.[6][7]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mancherorts mit unkonventionellen Aufstellungskonzepten experimentiert. So sind beispielsweise in Gonnesweiler das Hauptwerk sowie die Pedalregister Subbass 16' und 8' als Schwalbennestorgel an der Seitenwand des Kirchenschiffes aufgehängt, während der Spieltisch, das Positivwerk und das Pedalregister Oktavbass 8' auf der Empore untergebracht sind.[8] Eine weitere Kuriosität findet sich an der 1959 errichteten Gerhardt-Orgel in Schillingen. Das Instrument hat im II. Manual gleich zweimal das Register Salicional 8'. Während das eine ganz regulär auf der Windlade des Positivs untergebracht ist, befindet sich das zweite am anderen Ende der Kirche als Fernwerk in Form von zwei Harfenfeldern links und rechts vom Altarraum.[9]

Entgegen dem vorherrschenden Zeitgeschmack blieb die Firma Gerhardt auch in den 1960er Jahren noch lange dem Freipfeifenprospekt und den elektropneumatischen Kegelladen treu, wie z. B. in den Orgeln in Wolfersweiler (1963), Humes (1965) und Idar-Oberstein (~ 1969). Unter der Leitung von Heribert Gerhardt wurde nach und nach auf den Bau geschlossener Gehäuse und mechanischer Schleifladen umgestellt.[10]

Werkliste (Auswahl)

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Jahr Ort Gebäude Bild Manuale Register Bemerkungen
1890 Münstermaifeld Lehrerseminar II/P 10 1909/10 Umbau durch Johannes Klais. Heute in der Aula des Kurfürst Balduin-Gymnasiums Münstermaifeld.
1891 Neef Kreuzerhöhung
 
II/P 17 original erhalten
1894 Kamp-Bornhofen Klosterkirche St. Marien II/P 17 1949 beim Brand der Klosterkirche zerstört
1894 Kärlich St. Mauritius II/P ?? 1973 in einem technischen Neubau aufgegangen, der allerdings bereits 1994 durch die heutige Mayer-Orgel ersetzt wurde.
1896 Presberg St. Laurentius II/P 14
1897 Boppard Christuskirche II/P 20 1975 durch die heutige Oberlinger-Orgel ersetzt.
1899 Rilchingen-Hanweiler St. Walfridus
 
II/P 12 1953 durch die heutige Späth-Orgel ersetzt.
1899 Kettig St. Bartholomäus
 
II/P 18 Opus 35[11]
1900 Baumholder St. Simon und Judas Thaddäus
 
II/P 17 Neobarockisiert.
~ 1900 Linz am Rhein Evangelische Kirche I/P 12 Seit 1929 in der Evangelischen Kirche Dichtelbach.
1901 Heusweiler Mariä Heimsuchung II/P 28 1955 im Zuge der Kirchenerweiterung abgebaut.
1902 Bassenheim St. Martin
 
II/P 20
1902 Kastellaun Kreuzauffindung
 
II/P 19 Um 1970 tiefgreifender Umbau durch Josef Klein (Obersteinebach); 1999 Austausch eines Klein-Registers durch Orgelbau Mayer; 2020 Renovierung und Restrukturierung der Orgel durch Freiburger Orgelbau Späth auf die heutige Größe von II/30.
1902 Oberwesel Evangelische Kirche
 
I/P 7
1903 Spay St. Lambertus
 
II/P 15
1903 Eisenach (Eifel) St. Martin I/P 10
1903 Saarwellingen St. Blasius II/P 28 1953 durch einen Neubau von Haerpfer & Erman ersetzt, diese wiederum 1995 durch die heutige Walcker-Orgel
1904 Boppard Karmeliterkirche St. Marien II/P 16 1985 ersetzt. Das Gehäuse wurde an die Kirche St. Salvator in Ernst (Mosel) verkauft und dort bei der Restaurierung der Voltmann-Orgel wiederverwendet.
1905 Cochem Kloster Ebernach, Klosterkirche II/P 11 1957 verkauft nach St. Michael Roßbach (Wied).
1907 Leimersdorf St. Stephanus
 
II/P 25
1908 Wellmich St. Martin
 
II/P 16
1908 Gemünden (Hunsrück) St. Peter und Paul
 
I/P 10
~ 1910 Luisenthal (Völklingen) Christkönig
 
I/P 4 Der ursprüngliche Standort und das genaue Baujahr sind unbekannt. Die Orgel wurde zunächst 1922 gebraucht erworben und als Interimsinstrument in St. Eligius Völklingen aufgestellt. Nach dem Bau der neuen Stahlhuth-Orgel im Jahr 1928 wurde die Orgel an die benachbarte Pfarrei Christkönig in Luisenthal verkauft, wo sie bis heute erhalten ist. Um 1970 fand eine Umdisponierung durch die Firma Späth statt.
1910 Hunolstein (Morbach) St. Johannes der Täufer
 
I/P 11
1910 Klotten St. Maximin II/P 23
1910 Namborn Mariä Himmelfahrt
 
II/P 14 1968 Neobarockisierung der Disposition durch Orgelbau Mayer. 2021 technischer Neubau unter Verwendung von Gehäuse und Pfeifenwerk durch Thomas Gaida.
1912 Rhens St. Theresia II/P 25 1983 durch die heutige Mayer-Orgel ersetzt.
1912 Boppard Klosterkirche St. Martin
1921 Hesperingen Assomption de la Bienheureuse-Vierge-Marie II/P ?? 1981 durch einen technischen Neubau derselben Firma ersetzt.
1922 Hangard (Neunkirchen) Heilige Familie II/P ?? 1973 durch die heutige Mayer-Orgel ersetzt.
1923 Bruttig-Fankel St. Magdalena
1924 Boppard Kapelle im Heilig Geist Krankenhaus I/P 6 2016 Rekonstruktion der originalen Disposition durch Orgelbau Raab & Plenz
1925 Elsoff St. Peter und Paul II/P 13
1925 Birkenfeld St. Jakobus
 
II/P 16 1998 ersetzt durch einen technischen Neubau im alten Gehäuse durch die Firma Hugo Mayer Orgelbau.
1926 Auw an der Kyll Mariä Himmelfahrt
 
I/P 5 original erhalten
1926 Freudenburg Heilige Dreifaltigkeit I/P 14 1993 im Zuge der Kirchenrenovierung abgebaut und 2001 durch die heutige Eisenbarth-Orgel ersetzt.
1926 Preist St. Cäcilia I/P 5 1982 durch einen technischen Neubau derselben Firma ersetzt.
1927 Mittelstrimmig St. Philippus und Jakobus   II/P 15 Im historischen Barockgehäuse der Vorgängerorgel von Johann Peter Senft (1778); pneumatische Taschenlade; 2005 restauriert durch Orgelbau Fasen und um die ohnehin schon 1927 vorgesehene Trompete erweitert.[12]
1928 Manubach St. Oswald II/P 10
1929 Ginsheim-Gustavsburg Herz Jesu II/P 14
1929 Trier-Euren St. Helena II/P 21 Neubau unter Verwendung von Prospekt und Pfeifenwerk der Vorgängerorgel von Breidenfeld; 1964 durch die heutige Späth-Orgel ersetzt.
1930 Mosbach (Schaafheim) St. Johannes Baptist II/P 16 2018/2019 Rekonstruktion des Ursprungszustandes durch Orgelbau Andreas Schmidt.
1930 Filsen St. Margaretha II/P 12
1934 Koblenz-Metternich St. Johannes Enthauptung
 
II/P 21 Opusnummer 120
1937 Wehbach St. Petrus II/P 11 [13]
1939 Niederreifenberg St. Georg II/P ?? 1980 durch die heutige Digitalorgel ersetzt.
1941 Lahnstein St. Johannes II/P 13 2012/13 durch die heutige Winterhalter-Orgel ersetzt.
1950 Kamp-Bornhofen Klosterkirche St. Marien
 
II/P 22
1953 Irlich St. Peter und Paul II/P ?? 1983 durch die heutige Mayer-Orgel ersetzt.
1953 Horst (Heinsberg) St. Josef I/P 6
1954 Alken (Untermosel) St. Michael II/P 10
1957 Buchholz (Westerwald) St. Pantaleon I 3
1958 Veldenz St. Marien I/P 4
1959 Schillingen St. Albanus
 
II/P 20 Eine Besonderheit der Orgel ist der als Fernwerk ausgeführte Salicional, welcher sich links und rechts des Altarraumes an der Wand befindet.
1962 Gonnesweiler Heilig Geist
 
II/P 12 Das Hauptwerk befindet sich als Schwalbennest an der Seitenwand der Kirche; Opusnummer 171
1963 Wolfersweiler St. Laurentius
 
II/P 14 Opusnummer 172
1963 Daisbach (Aarbergen) St. Josef I/P 8
1964 Espenschied (Lorch) St. Nikolaus
 
II/P 10 (11) 2021 Erneuerung der Elektrik durch Hugo Mayer Orgelbau
1965 Humes (Eppelborn) Mariä Himmelfahrt
 
II/P 14 1972 Umbau bzw. Erweiterung durch dieselbe Firma.
1966 Mudenbach Evangelische Kirche I/P 3 Seit 1976 in Mudenbach; Eine Besonderheit der Orgel ist, dass sie bei zwei Manualregistern (Gedackt 8’ und Principal 4’) sowohl eine Sub- als auch Superoktavkoppel besitzt. Das Pedal besitzt einen Subbass 16’.[14]
1966 Biebernheim Maria Regina Caeli
1967 Oberleuken St. Gangolf
 
II/P 10
~ 1969 Idar-Oberstein St. Walburga II/P 22
1969 Peterswald-Löffelscheid Mariä Heimsuchung I/P 4 vollpneumatische Kegellade (!) mit Sub- und Superoktavkoppel; 2010 durch die Erbauerfirma restauriert. Opusnummer 234
1982 Preist St. Cäcilia I/P 8 Technischer Neubau der vorhandenen Gerhardt-Orgel aus dem Jahr 1926.
1984 Hesperingen Assomption de la Bienheureuse-Vierge-Marie II/P 18 (19) Technischer Neubau einer vorhandenen Gerhardt-Orgel von 1921.
1995 Pfaffenheck St. Nikolaus I/P 6 Meisterstück von Christian Gerhardt III.
Seit 1997 in Pfaffenheck.

Quelle:[15]

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Commons: Orgelbau Christian Gerhardt & Söhne – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Gründungsjahr 1888 in einer Orgeldokumentation von Erhard Wacker über die Orgelgeschichte der Apollinariskirche Remagen
  2. a b c d Bernhard H. Bonkhoff: Historische Orgeln im Saarland (= Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde. Band 271). Schnell & Steiner, Regensburg 2015, ISBN 978-3-7954-2856-3.
  3. vgl. Werkliste
  4. Die Gerhardt-Orgel in Neef auf Organindex.de
  5. Zeitschrift für Instrumentenbau (= 17. Jahrgang). Paul de Wit, Leipzig 1897, S. 395.
  6. Die Gerhardt-Orgel in Mosbach auf der Website des Orgelbauers Andreas Schmidt
  7. Die Gerhardt-Orgel in Koblenz-Metternich auf Organindex.de
  8. Gerhardt-Orgel in Gonnesweiler auf Organindex.de
  9. Die Gerhardt-Orgel in Schillingen auf Organindex.de
  10. Beschreibung der Entwicklung der Instrumente auf Grundlage des hier vorliegenden Auszugs der Werkliste und der Instrumente auf Organindex.de
  11. Franz Bösken, Hermann Fischer, Matthias Thömmes: Quellen und Forschungen zur Orgelgeschichte des Mittelrheins (= Beiträge zur Mittelrheinischen Musikgeschichte. Band 40). Band 4: Regierungsbezirke Koblenz und Trier, Kreise Altenkirchen und Neuwied. Schott, Mainz 2005, ISBN 978-3-7957-1342-3, S. 474.
  12. Die Gerhardt-Orgel in Grenderich auf der Website von Orgelbau Fasen.
  13. Beschreibung der Gerhardt-Orgel in Wehbach auf der Website von Vogtländischer Orgelbau Thomas Wolf
  14. Beschreibung der Gerhardt-Orgel in Mudenbach
  15. Gerhardt-Orgeln auf Organindex.de