Der numerische Wertebereich (englisch: numerical range) ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der Funktionalanalysis. Einem stetigen linearen Operator oder allgemeiner einem Element einer Banachalgebra wird eine Menge des Grundkörpers zugeordnet. Diese Menge verbindet algebraische Informationen mit Eigenschaften der Norm.

Definitionen

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In diesem Artikel wird der Grundkörper   der komplexen Zahlen verwendet; im Falle der reellen Zahlen ergeben sich an einigen Stellen Komplikationen, die hier der Einfachheit halber ausgeblendet werden. Es sei   eine normierte Algebra über   mit Einselement  . Ein stetiges, lineares Funktional   heißt ein Zustand auf  , falls  , und es sei   die Menge aller Zustände auf  ; diese ist nach dem Satz von Hahn-Banach nicht leer. Für ein Element   heißt

 

der numerische Wertebereich von  .[1]

Da   eine konvexe und nach dem Satz von Banach-Alaoglu schwach-*-kompakte Teilmenge des Dualraums   ist, muss auch der numerische Wertebereich eine konvexe und kompakte Teilmenge in   sein. Daher ist

 

eine endliche Zahl, sie heißt numerischer Radius von  .[2]

Für mehrere Elemente   definiert man einen gemeinsamen numerischen Wertebereich durch die Formel

 

und dieser ist ebenfalls eine konvexe und kompakte Menge.[3]

Unteralgebren

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Man kann zeigen, dass der numerische Wertebereich nicht von der umgebenden Algebra abhängt, das heißt, man kann zu kleineren oder größeren Algebren übergehen, solange diese nur das Einselement und die Elemente   bzw.   enthalten. Das liegt im Wesentlichen daran, dass sich Zustände auf Unteralgebren wegen des Satzes von Hahn-Banach zu Zuständen auf der größeren Algebra fortsetzen lassen. Insbesondere kann man bei einer normierten Algebra zur Vervollständigung übergehen, ohne den numerischen Wertebereich dadurch zu verändern.

Numerischer Index

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Leicht zeigt man, dass der numerische Radius eine Halbnorm ist; es handelt sich aber sogar um eine Norm, denn es gilt[4]

Ist   eine komplexe normierte Algebra, so gilt:
  für alle  .

Dabei ist   die Eulersche Zahl. Daher ist

 

eine Zahl aus dem Intervall   und heißt der numerische Index von  . Für kommutative C*-Algebren ist der numerische Index stets  , für beliebige C*-Algebren kann man zeigen, dass der numerische Index größer-gleich   ist.[5]

Vergleich mit dem Spektrum

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Der numerische Wertebereich hängt nicht nur von der algebraischen Struktur der betrachteten Algebra   ab, sondern über den Zustandsraum auch von der Norm. Geht man zu einer äquivalenten Norm   mit   über, bildet den Zustandsraum bzgl.   und daraus den numerischen Wertebereich, so erhält man möglicherweise eine andere Menge, die daher genauer mit   bzw.   bezeichnet sei. Weiter sei   die Menge aller äquivalenten Algebrennormen mit  .

Das Spektrum   eines Elementes oder das gemeinsame Spektrum   endlich vieler kommutierender Elemente einer komplexen Banachalgebra hingegen hängt nur von der algebraischen Struktur ab und bleibt beim Übergang zu einer äquivalenten Norm erhalten. Daher ist es erstaunlich, dass folgender Zusammenhang besteht, wobei   die konvexe Hülle bezeichne:[6]

Es sei   eine komplexe Banachalgebra, und   seien kommutierende Elemente aus  , dann gilt:
 .

Für das Spektrum und den numerischen Wertebereich eines Elementes   gelten überdies die folgenden Formeln für das Maximum der Realteile:[7]

 

Man beachte zu diesen Formeln, dass in jeder Banachalgebra die Exponentialreihe   gegen ein von   verschiedenes Element konvergiert und daher der natürliche Logarithmus   gebildet werden kann.

Hermitesche Elemente

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Ist   eine C*-Algebra, so haben selbstadjungierte Elemente  , also solche, die   erfüllen, bekanntlich ein reelles Spektrum, allerdings gilt hiervon die Umkehrung nicht. Das ist anders, wenn man vom Spektrum zum numerischen Wertebereich übergeht. Daher liegt es nahe, in den Elementen einer beliebigen komplexen Banachalgebra mit Einselement, deren numerischer Wertebereich in den reellen Zahlen liegt, eine Verallgemeinerung selbstadjungierter Elemente zu sehen. Man nennt solche Elemente hermitesch, sie spielen eine wichtige Rolle im Satz von Vidav-Palmer, der die C*-Algebren unter den Banachalgebren charakterisiert.

Versionen für Operatoren

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Der Begriff des numerischen Wertebereichs geht auf Vorläufer für Operatoren auf normierten Räumen zurück. Sei   ein normierter Raum und   ein Element aus der Banachalgebra der beschränkten linearen Operatoren auf  . Dann kann man den oben definierten numerischen Wertebereich   des Elementes   der Banachalgebra   bilden. Für Hilberträume   hat Otto Toeplitz bereits 1918 die Menge

 

betrachtet,[8] siehe dazu auch den Artikel Numerischer Wertebereich (Hilbertraum). Das lässt sich auf beliebige normierte Räume verallgemeinern, indem man das Skalarprodukt   durch ein semi-inneres Produkt   ersetzt und

 

definiert. Friedrich L. Bauer untersuchte 1962 die Menge

 

zunächst nur in endlichdimensionalen Räumen,[9] aber dieselbe Definition kann man auch für beliebige normierte Räume verwenden. Zwischen diesen Begriffen besteht der folgende Zusammenhang:[10]

Sei   ein normierter Raum und  , dann gilt:
 .

Für normierte Räume kann man den numerischen Index

 

definieren, der damit nichts anderes als der numerische Index der Banachalgebra   und daher ebenfalls eine Zahl aus dem Intervall   ist. Für Hilberträume der Dimension größer-gleich   kann man zeigen, dass ihr numerischer Index gleich   ist. Der Banachraum   der stetigen Funktionen auf dem kompakten Hausdorffraum   hat den numerischen Index  .

Literatur

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  • Frank Bonsall & John Duncan: Complete Normed Algebras (= Ergebnisse der Mathematik und ihrer Grenzgebiete/N.F. Bd. 80). Springer, Berlin 1973, ISBN 3-540-06386-2.
  • Frank Bonsall & John Duncan: Numerical Ranges of Operators on Normed Spaces and of Elements of Normed Algebras (= London Mathematical Society: Lecture Note Series. Bd. 2). CUP, London 1971, ISBN 0-521-07988-8.
  • Otto Toeplitz: Das algebraische Analogon zu einem Satze von Fejer. In: Mathematische Zeitschrift. Bd. 2, 1918
  • F. L. Bauer: On the field of values subordinate to a norm. In: Numerische Mathematik. Bd. 4, 1962, DOI:10.1007/BF01386300, S. 103–113

Fußnoten

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  1. F. F. Bonsall, J. Duncan: Complete Normed Algebras, §10, Definition 1.
  2. F. F. Bonsall, J. Duncan: Numerical Ranges of Operators on Normed Spaces and of Elements of Normed Algebras, Kapitel 1, §2, Definition 1.
  3. F. F. Bonsall, J. Duncan: Numerical Ranges of Operators on Normed Spaces and of Elements of Normed Algebras, Kapitel 1, §2, Definition 11.
  4. F. F. Bonsall, J. Duncan: Complete Normed Algebras, §10, Theorem 14.
  5. F. F. Bonsall, J. Duncan: Numerical Ranges of Operators on Normed Spaces and of Elements of Normed Algebras, Ende von Kapitel 1, §4.
  6. F. F. Bonsall, J. Duncan: Numerical Ranges of Operators on Normed Spaces and of Elements of Normed Algebras, Kapitel 1, §2, Theorem 13.
  7. F. F. Bonsall, J. Duncan: Numerical Ranges of Operators on Normed Spaces and of Elements of Normed Algebras, Kapitel 1, §2 und §3.
  8. Otto Toeplitz: Das algebraische Analogon zu einem Satze von Fejer, Seiten 187–197.
  9. F. L. Bauer: On the field of values subordinate to a norm. In: Numerische Mathematik. Bd. 4, 1962, DOI:10.1007/BF01386300, S. 103–113
  10. F. F. Bonsall, J. Duncan: Numerical Ranges of Operators on Normed Spaces and of Elements of Normed Algebras. Kapitel 1, §9 Theoreme 4 und 8.