Ludwig Rehn (auch Louis Rehn; * 13. April 1849 in Allendorf, Kurfürstentum Hessen; † 29. Mai 1930 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Chirurg und erster „Herzchirurg“.

Ludwig Rehn

Leben und Wirken Bearbeiten

Ludwig Rehn war das jüngste von fünf Kindern des Arztes seines Geburtsorts Allendorf. Nach dem Besuch der Klosterschule in Bad Hersfeld studierte er von 1869 bis 1874 – unterbrochen vom Dienst als Kriegsfreiwilliger im Deutsch-Französischen Krieg – Medizin an der Philipps-Universität Marburg. Dort wurde er im Corps Hasso-Nassovia aktiv.[1] 1874 zum Dr. med. promoviert, ließ er sich in Griesheim und später in Rödelheim als praktischer Arzt nieder. Während dieser Zeit arbeitete er auch als Betriebsarzt in der Chemischen Fabrik Griesheim. Bekannt wurde er durch die Aufklärung der Ursachen des Blasenkrebses bei Arbeitern in den ortsansässigen Anilinfabriken[2] (Er hatte 1885 auf die Zusammenhänge zwischen Krebserkrankung und chemischen Einflüssen hingewiesen).

Wie zuvor schon Paul Jules Tillaux gelang Rehn 1884 die erfolgreiche chirurgische Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion (bei Morbus Basedow[3]) durch Entfernung von (sekretbildenden) Teilen der Schilddrüse.[4] Ab 1886 war Rehn Chirurg und später Chefarzt der Chirurgischen Klinik des Städtischen Krankenhauses in Frankfurt am Main.

Am 9. September 1896 gelang Ludwig Rehn die erste erfolgreiche Naht einer Stichwunde am menschlichen Herzen[5] und damit die erste erfolgreiche Herznaht überhaupt.[6] Der Patient war der 22-jährige Gärtnergeselle Wilhelm Justus, der am 6. September in einer Messerstecherei im Nizza, einer Grünanlage am Frankfurter Mainufer, verletzt worden war.[7][8] Ein bei einem solchen Eingriff befürchtetes tödliches Kammerflimmern trat nicht ein und der Patient überlebte Operation und Operationskomplikationen. Der Pioniertat vorangegangen waren erfolgreiche Versuche am Herzen von Kaninchen sowie eine Serie tödlich endender Rettungsversuche beim Menschen, die – ohne dass Rehn davon Kenntnis hatte – sich in Italien und Norwegen ereignet hatten.[9][10] Ab 1914 war er Professor für Chirurgie an der neugegründeten Stiftungsuniversität Frankfurt am Main. Am Ersten Weltkrieg nahm er zuletzt als Obergeneralarzt teil. Rehn starb mit 81 Jahren und wurde auf dem Frankfurter Hauptfriedhof beigesetzt.[11]

Sein Sohn Eduard Rehn und sein Enkel Jörg Rehn waren ebenfalls Chirurgen. Sein Urenkel Götz Rehn leitet das von ihm 1984 gegründete Biounternehmen Alnatura.

Ehrungen Bearbeiten

 
Ehrengrab von Ludwig Rehn auf dem Frankfurter Hauptfriedhof

Veröffentlichungen (Auswahl) Bearbeiten

  • Die chirurgische Behandlung der akuten Appendizitis. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Chrirurgie I. 1901, S. 659 ff.

Literatur Bearbeiten

  • Fritz König: Ludwig Rehn †. In: Münchener Medizinische Wochenschrift. Jahrgang 77, 1930, Nr. 31, August 1930, S. 1330–1332.
  • Reinhard Frost: Rehn, Ludwig. In: Wolfgang Klötzer (Hrsg.): Frankfurter Biographie. Personengeschichtliches Lexikon (= Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission. Band XIX, Nr. 2). Zweiter Band: M–Z. Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-7829-0459-1, S. 177 f.
  • Michael Sachs, A. Encke: Ludwig Rehn (1849–1930) und seine Bedeutung für die Entwicklung der modernen Chirurgie. In: Zentralblatt für Chirurgie. Band 121, 1996, S. 1005–1013.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Ludwig Rehn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kösener Corpslisten 1960, 99/328
  2. Holger Georg Dietrich, Klaus Golka: Bladder tumors and aromatic amines – historical milestones from Ludwig Rehn to Wilhelm Hueper. Frontiers in Bioscience 4 (2012), S. 279–288
  3. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 51.
  4. Otto Westphal, Theodor Wieland, Heinrich Huebschmann: Lebensregler. Von Hormonen, Vitaminen, Fermenten und anderen Wirkstoffen. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1941 (= Frankfurter Bücher. Forschung und Leben. Band 1), S. 22–23.
  5. J. W. Blatchford: Ludwig Rehn: the first successful cardiorrhaphy. In: Ann Thorac Surg. Band 39, 1985, S. 492–495.
  6. Ernst Kern: Sehen – Denken – Handeln eines Chirurgen im 20. Jahrhundert. ecomed, Landsberg am Lech 2000, ISBN 3-609-20149-5, S. 198.
  7. Hermann Mannebach: Hundert Jahre Herzgeschichte. Entwicklung der Kardiologie 1887–1987. Springer, Heidelberg 1988, ISBN 0-387-19299-9, S. 109.
  8. Gert Preiser: Ludwig Rehn und Victor Schmieden. In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Band 59, Frankfurt am Main 1985, S. 423–438.
  9. Rainer Klawki: Die Herzmedizin der letzten 90 Jahre. Explosion einer Wissenschaft. Edition Rarissima, Taunusstein 1988, ISBN 3-926625-03-1.
  10. Friedrich Wilhelm Hehrlein: Herz und große Gefäße. In: Franz X. Sailer, F. W. Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen: Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Dustri-Verlag, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 164–185, hier: S. 168 und 182.
  11. Grab von Ludwig Rehn auf dem Frankfurter Hauptfriedhof (Grab V 143, Lage, Bilder)
  12. Ludwig-Rehn-Preis der mittelrheinischen Chirurgenvereinigung (Memento des Originals vom 31. August 2012 auf WebCite)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mittelrheinischechirurgenvereinigung.de