Dieter Kühn (Schriftsteller)

deutscher Schriftsteller

Dieter Kühn (* 1. Februar 1935 in Köln; † 25. Juli 2015[1] in Brühl (Rheinland)) war ein deutscher Schriftsteller.

Dieter Kühn, 2011

Leben Bearbeiten

Dieter Kühn besuchte die Volksschule in Herrsching am Ammersee und das Gymnasium in München. Nach dem Umzug der Familie nach Düren im Jahre 1949 legte er am dortigen Stiftischen Gymnasium 1955 das Abitur ab und studierte anschließend Germanistik und Anglistik an den Universitäten in Freiburg im Breisgau, München und Bonn. Anschließend besuchte er die Vereinigten Staaten und war ein Jahr lang Assistent am Haverford College. 1964 wurde er mit einer Arbeit über Robert Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften promoviert. Seit 1965 war Kühn Schriftsteller. 1993 hielt Kühn an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität die Frankfurter Poetik-Vorlesungen.

Dieter Kühns umfangreiches Werk umfasst Romane, Erzählungen, Biografien, Kinderbücher, Essays, Gedichte, Theaterstücke und Hörspiele, bei deren Realisierung er teilweise auch selbst Regie führte. Außerdem ist er als Übersetzer mittelhochdeutscher Klassiker hervorgetreten. Ich Wolkenstein, seine Biographie Oswalds von Wolkenstein, und seine Übertragungen des Parzival von Wolfram von Eschenbach sowie des Tristan von Gottfried von Straßburg waren „eine literarische Sensation, weil sie einen völlig neuen Zugang zum Mittelalter eröffneten“.[2]

 
Grab auf dem Friedhof Melaten

Dieter Kühn war Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland. Er lebte zuletzt in Brühl bei Köln und wurde am 31. Juli 2015 auf dem Friedhof Melaten (Flur 28 Nr. 95) in Köln beigesetzt.

Im Juli 2016 wurde bekannt, dass Kühns Nachlass als Schenkung an das Deutsche Literaturarchiv Marbach ging.[3]

Werke Bearbeiten

Bücher Bearbeiten

In Kühns Schaffen können die Grenzen zwischen den Genres, besonders die zwischen fiktionaler und Sachliteratur, nur unter Vorbehalt gezogen werden, da die meisten seiner Schriften biographische Elemente enthalten, wobei das Spektrum alle möglichen Spielarten umfasst, von streng wissenschaftlicher Darstellung über freie literarische Ausgestaltung bis hin zu kontrafaktischer Spekulation. Daher ist die im Folgenden vorgenommene Systematisierung eher als grobe Überblickshilfe denn als belastbare Literaturwissenschaft zu verstehen.

Das Mittelalter-Quartett (Reihenfolge nicht chronologisch, sondern nach Kühns Festlegung im Begleitschreiben, enthalten im Anhang des Dritten Buches)

Lebensgeschichten / biographische Schriften

Romane

  • Ausflüge im Fesselballon. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1971.
  • Stanislaw der Schweiger. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975, ISBN 3-518-03493-6.
  • Die Kammer des schwarzen Lichts. Roman. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984.
  • Der König von Grönland. Ein Künstlerroman. S. Fischer, Frankfurt 1997.

Erzählungen

  • Siam-Siam. Ein Abenteuerbuch. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972.
  • Festspiel für Rothäute. Erzählung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974.
  • Ludwigslust. Erzählungen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977.
  • Und der Sultan von Oman. Erzählung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979.
  • Der wilde Gesang der Kaiserin Elisabeth. S. Fischer, Frankfurt am Main 1982.
  • Der Himalaya im Wintergarten. Erzählungen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984.
  • Flaschenpost für Goethe, Insel, Frankfurt am Main 1985.
  • Bettines letzte Liebschaften. Insel, Frankfurt am Main 1986.
  • Die Minute eines Segelfalters. Erzählung. Insel, Frankfurt am Main/Leipzig 1992.

Sachliteratur

  • Analogie und Variation. Zur Analyse von Robert Musils Roman ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘. Dissertation. Bouvier, Bonn 1965. (= Bonner Arbeiten zur deutschen Literatur Band 13)
  • Musik & Gesellschaft. Tsamas-Verlag, Bad Homburg 1971.
  • Grenzen des Widerstands. Essays. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972.
  • Unternehmen Rammbock. Planspielstudie zur Wirkung gesellschaftskritischer Literatur. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1974.
  • Luftkrieg als Abenteuer. Kampfschrift. (Reihe Hanser, 180) Carl Hanser Verlag, München 1975, ISBN 3-446-12000-9.
  • Löwenmusik. Essays. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979.
  • Auf der Zeitachse. Vier Konzepte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980.
  • Herr Neidhart. Insel, Frankfurt am Main 1981.
  • Schillers Schreibtisch in Buchenwald. Bericht. S. Fischer, Frankfurt am Main 2005.
  • Ein Mozart in Galizien. Erzählte Geschichte. S. Fischer, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-10-041515-8.[4]
  • Den Musil spreng ich in die Luft. Gefälschte Geschichten? S. Fischer, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-10-041516-5.[5]

Kinderbücher

  • Mit dem Zauberpferd nach London. Kinderroman. Luchterhand, Darmstadt/Neuwied 1973.
  • Achmeds Geheimsprache. Mit Bildern von Kurt Halbritter. Verlag Gertraud Middelhauve, Velber bei Hannover 1976.
  • Die Geisterhand. Mit Bildern von Dirk Zimmer. Insel, Frankfurt am Main 1978.
  • Der Herr der fliegenden Fische. Ein Märchen. S. Fischer, Frankfurt am Main 1979.
  • Es fliegt ein Pferd ins Abendland. Kinderroman. Mit Bildern von Margit Pawle. Fischer TB, Frankfurt am Main 1994.
  • Der fliegende König der Fische. Mit Bildern von Armin Daniel. Fischer, Frankfurt am Main 1996.
  • Prinz Achmed und die Pferde des Sultans. Mit Bildern von Margit Pawle. Fischer, Frankfurt am Main 1996.
  • Das Geheimnis der Delphinbucht. Fischer, Frankfurt am Main 1998.

Hörspieltexte

  • Das Ärgernis. Hörspiel. Gemeinschaftsproduktion des Saarländischen Rundfunks mit dem Hessischen Rundfunk. Saarbrücken u. Frankfurt am Main 1966.
  • Goldberg-Variationen. [Vier] Hörspieltexte mit Materialien. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976.
  • Op der Parkbank. Verlag Greven, Köln 1976.
  • Galaktisches Rauschen. 6 Hörspiele. Nachwort von Heinrich Vormweg. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1980.
  • Mit Flügelohren: Mein Hörspielbuch. Fischer, Frankfurt am Main 2003.

Dramatik

  • Präparationen. Zwei Stücke über ein Thema: Simulation. Präparation eines Opfers. Theaterverlag Kurt Desch, Wien/München/Basel ohne Jahr.
  • Scheingefechte. Komödie (Neufassung). Theaterverlag Kurt Desch, Wien/München/Basel ohne Jahr.
  • Keine Wahrheit über Jericho. Schauspiel. Theaterverlag Kurt Desch, Wien/München/Basel 1964.
  • Boulevardtheater oder: Ordnung muß sein. Komödie. Verlag Kurt Desch, München/Basel/Wien 1971.
  • Ein Schrank wird belagert. Schauspiel. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976.
  • Herbstmanöver. In: Spectaculum 27. Neun moderne Theaterstücke. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1976.
  • Separatvorstellung. Schauspiel. Fischer, Frankfurt am Main 1978.

Lyrik

  • Schriftbilder, Bilderschrift. Privatdruck der Anker-Teppichfabrik Gebrüder Schoeller, Düren 1979.
  • Schnee und Schwefel. Gedichte. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1982.

Autobiographie

Hörspiele (Auswahl) Bearbeiten

(Die ARD-Hörspieldatenbank[10] listet über 70 verschiedene Titel des Autors Dieter Kühn, die seit 1960 im deutschen Rundfunk gesendet wurden.)

Herausgeberschaft Bearbeiten

  • Johann Most: Ein Sozialist in Deutschland. Carl Hanser Verlag, München 1974.
  • mit Ludwig Harig: Netzer kam aus der Tiefe des Raumes. Notwendige Beiträge zur Fußballweltmeisterschaft. Carl Hanser Verlag, München 1974.
  • Eduard Pöppig: In der Nähe des ewigen Schnees. Eine Anden-Reise im 19. Jahrhundert. Insel, Frankfurt am Main 1975.
  • Bettina von Arnim: Aus meinem Leben. Zusammengestellt und kommentiert von Dieter Kühn. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1982.

Übersetzungen Bearbeiten

  • Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde des Gottfried von Straßburg. Bearbeitet von Dieter Kühn, unter Mitarbeit von Lambertus Okken. Insel Verlag, Frankfurt am Main u. Leipzig 1991.
  • Neidhart von Reuental: Liederbuch für Neidhart. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1983.
  • Wolfram von Eschenbach: Parzival. Nach der Ausgabe Karl Lachmanns revidiert und kommentiert von Eberhard Nellmann. Übertragen von Dieter Kühn. Bände I und II in 2 Bänden. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 1994.

Adaptionen Bearbeiten

Hörspiele Bearbeiten

  • Mit dem Zauberpferd nach London. Hörspielbearbeitung und Regie: Charlotte Niemann. Radio Bremen / Deutsche Grammophon 1977
  • Geheimagent Marlowe. Regie: Thomas Leutzbach. Westdeutscher Rundfunk 2007[11]

Hörbücher Bearbeiten

  • Der Herr der fliegenden Fische. Sprecher: Klaus Havenstein. Bayerischer Rundfunk 1979, ISBN 978-3-89835-508-7.
  • Wolfram von Eschenbach: Parzival. Übertragen von Dieter Kühn, Sprecher: Bernt Hahn, Peter Fitz, Bernd Kuschmann, Andreas Pietschmann und Dieter Kühn. WDR-3-Radio-Projekt (1998). Patmos Hörbuch, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-491-91231-1.

Auszeichnungen Bearbeiten

Film Bearbeiten

  • Dieter Kühn – kein Zimmer mit Seeblick, Produktion: Claus Spahn, WDR, 1994

Literatur Bearbeiten

  • Romana Rathmanner: Die Biographie in Dieter Kühns Werken. Diplomarbeit. Wien 1988.
  • Konstanze Streese: „Cric?“ – „Crac!“ Vier literarische Versuche, mit dem Kolonialismus umzugehen. (= New York University Ottendorfer series. N.F. 38). Lang, Bern u. a. 1991, ISBN 3-261-04345-8.
  • Werner Klüppelholz, Helmut Scheuer (Hrsg.): Dieter Kühn. (= Suhrkamp-Taschenbuch; 2113, Materialien). Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-38613-1.
  • Hee-Kwon Jang: Experiment mit der Geschichte. Zur Erzählform der biographischen Romane Dieter Kühns. Univ. Diss. Bielefeld 2000.
  • Ofelia Martí-Peña, Brigitte Eggelte (Hrsg.): Dieter Kühn. Ein Treffen mit dem Schriftsteller über sein Werk. Lang, Bern u. a. 2001, ISBN 3-906758-35-4.
  • Stephanie Hüncken: Dieter Kühn und die Biographik. Modernes Erzählen zwischen Kunst und Wissenschaft. (= Kasseler Studien. 8). Carl Böschen Verlag, Siegen 2003, ISBN 3-932212-60-6.
  • Nathalie Jacoby: Mögliche Leben. Zur formalen Integration von fiktiven und faktischen Elementen in der Literatur am Beispiel der zeitgenössischen fiktionalen Biographie. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur. 1851). Lang, Bern u. a. 2005, ISBN 3-906770-47-8.
  • Christian Klein: Dieter Kühn. In: Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): Kindlers Literatur Lexikon. 3. Auflage. Band 9, Metzler, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-476-04000-8, S. 478–480.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Dieter Kühn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Schriftsteller Dieter Kühn gestorben
  2. Tilman Spreckelsen: Durch eine blank geputzte Scheibe zeigte er uns das Mittelalter. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 27. Juli 2015, S. 9.
  3. Schenkung: Dieter Kühns Nachlass geht nach Marbach, boersenblatt.net, 13. Juli 2016, abgerufen am 13. Juli 2016.
  4. Digitalisat bei Google Books (auszugsweise)
  5. So war es und nicht anders. In: FAZ. 16. November 2011, S. 30.
  6. ARD-Hörspieldatenbank. Abgerufen am 21. November 2018.
  7. ARD-Hörspieldatenbank. Abgerufen am 21. November 2018.
  8. BR Hörspiel Pool - Kühn, Lemsomd
  9. ARD-Hörspieldatenbank. Abgerufen am 21. November 2018.
  10. https://hoerspiele.dra.de
  11. Geheimagent Marlowe (1/3) - Krimi im elisabethanischen Zeitalter. Abgerufen am 11. Oktober 2023.
  12. Preisträger 2014: Dieter Kühn erhält Carl-Zuckmayer-Medaille. 14. November 2013, archiviert vom Original am 14. November 2013;.