Satz von Kolmogorow-Riesz

mathematischer Satz

Der Satz von Kolmogorow-Riesz (nach Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow und Marcel Riesz) ist ein Lehrsatz aus dem mathematischen Teilgebiet der Funktionalanalysis, der ein Kompaktheitskriterium für Teilmengen von Lp-Räumen darstellt. Dieser Satz wird, je nach Verallgemeinerungsgrad, auch Satz von M. Riesz, Satz von Kolmogorow-Fréchet-Riesz oder Satz von Kolmogorow-Riesz-Weil genannt, womit auch Beiträge der Mathematiker Maurice René Fréchet und André Weil gewürdigt werden, auch die Namen Jakob Davidowitsch Tamarkin und A. N. Tulajkov werden von einigen Autoren erwähnt, wobei Letzterer den Sonderfall behandelt hatte.[1] Derartige Kompaktheitskriterien haben viele Anwendungen, insbesondere in der Theorie der partiellen Differentialgleichungen.

Der Folgenraum lp

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Die Situation für die Folgenräume   stellt sich besonders einfach dar, der folgende Satz wurde 1908 für   von Fréchet bewiesen[2][3]:

Eine Teilmenge   ( ) ist genau dann präkompakt, wenn die folgenden beiden Bedingungen erfüllt sind:

  •  . Dabei ist   die  -te Komponente von  .
  •  .

Funktionenräume Lp

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Aufwändiger sind Kompaktheitskriterien für Lp-Räume über nicht-diskreten Grundmengen. Mittels Zurückführung auf den Satz von Arzelà-Ascoli kann man zeigen[4]:

Satz von Kolmogorow-Riesz: Eine Teilmenge  ,  , ist genau dann präkompakt, wenn

  •   ist beschränkt bezüglich der Norm  ,
  •  .

Dabei ist   für   außerhalb des Einheitsintervalls, um in obiger Formel   bilden zu können. Ein analoger Satz gilt natürlich für   für beliebige  .

Eine Ausdehnung dieses Satzes auf unbeschränkte Gebiete erfordert eine zusätzliche Bedingung[5]:

Satz von M. Riesz: Eine Teilmenge   ( ) ist genau dann präkompakt, wenn

  •   ist beschränkt bezüglich der Norm  ,
  •  ,
  •  .

Dabei steht   für die Kugel um 0 mit Radius  .

Lokalkompakte abelsche Gruppen

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Der Satz von M. Riesz lässt sich nicht auf Lp-Räume über beliebigen Maßräumen verallgemeinern, da in der zweiten Bedingung des Kompaktheitskriteriums von der Addition und damit von der Gruppenstruktur des   Gebrauch gemacht wird. Sei nun   eine lokalkompakte abelsche Gruppe und   sei ein Haarsches Maß auf  . Ist   ein Banachraum, so kann man wie oben den Raum   aller messbaren Funktionen   mit   bilden. Die Norm   macht   zu einem Banachraum. Dies verallgemeinert offenbar die oben betrachteten  -Räume. Statt der Kugeln um 0 betrachten wir hier ein bzgl. der Vereinigung gerichtetes Netz   kompakter Mengen in  , so dass jede kompakte Menge aus   in einer Menge aus   enthalten ist.

Nicolae Dinculeanu hat folgende Verallgemeinerung obigen Kompaktheitskriteriums bewiesen[6]:

Satz: Eine Teilmenge   ( ,   lokalkompakte abelsche Gruppe,   Banachraum) ist genau dann präkompakt, wenn

  • Für alle messbaren Teilmengen   mit   ist   präkompakt,
  •  ,
  •  .

Diese Version wurde für den Fall  , also für skalarwertige Funktionen, von M. Riesz bewiesen. Eine auf Kolmogorow und J. D. Tamarkin zurückgehende Version, die eine Approximation der Eins verwendet, wurde ebenfalls von N. Dinculeanu auf den Banachraum-wertigen Fall verallgemeinert. Für die folgende Darstellung dieses Ergebnisses sei   eine Nullumgebungsbasis aus relativ kompakten, offenen Mengen in  . Zu jedem   wähle eine Funktion  , die beschränkt, messbar uns symmetrisch (d. h.  ) ist mit Träger in   und  . Man kann zum Beispiel   wählen, wobei   die charakteristische Funktion von   sei. Für   und   sei die Faltung   definiert. Dann ist  ,   und  ; das heißt, das Netz   ist in diesem Sinne eine Approximation der Eins. Es gilt folgender

Satz: Eine Teilmenge   ( ,   lokalkompakte abelsche Gruppe,   Banachraum) ist genau dann präkompakt, wenn

  • Für alle messbaren Teilmengen   mit   ist   präkompakt,
  •  ,
  •  .

In den früheren Fassungen für   und   wurden die Netze   und   verwendet. Wendet man diesen Satz auf die lokalkompakte abelsche Gruppe   an, so ist die erste Bedingung äquivalent zu  , denn jede Menge endlichen Maßes ist endlich; die zweite Bedingung ist leer, wenn man das Netz   wählt, und die letzte Bedingung wird zu  , wenn man   setzt. Mit einer geeigneten Isomorphie zwischen   und   erhält man genau den eingangs zitierten Satz über  -Räume.

Weitere Verallgemeinerungen

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Weitere Verallgemeinerungen auf nicht-kommutative lokalkompakte Gruppen wurden von Josh Isralowitz[7] gefunden. Eine Ausweitung von Kompaktheitskriterien dieses Typs auf andere über lokalkompakten Gruppen definierte Funktionenräume findet sich bei Hans G. Feichtinger.[8]

Einzelnachweise

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  1. H. Hanche-Olsen, Helge Holden: The Kolmogorov–Riesz Compactness Theorem, 4. A Bit of History
  2. M. Fréchet: Essai de geometrie analytique, Nouv. ann. Math. 4 (1908) 97–116, 289–317.
  3. Joseph Wloka: Funktionalanalysis und Anwendungen, §22, Satz1
  4. Jürgen Appell, Martin Väth: Elemente der Funktionalanalysis. Vektorräume, Operatoren und Fixpunktsätze, Satz 3.2
  5. Joseph Wloka: Funktionalanalysis und Anwendungen, §22, Satz 3
  6. N. Dinculeanu: On Kolmogorov-Tamarkin and M. Riesz Compactness Criteria in Function Spaces Over a Locally Compact Group, J. Math. Anal. Appl. 87 (1982), Seiten 67–85
  7. Josh Isralowitz: A characterization of norm compactness in the Bochner space Lp(G;B) for an arbitrary locally compact group, J. Math. Anal. Appl. 323,2 (2005), Seiten 1007–1017
  8. Hans G. Feichtinger: Compactness in Translation Invariant Banach Spaces of Distributions and Compact Multipliers, Journal of Mathematical Analysis and Applications (1984), Band 102, Seiten 289–327, Theorem 2.2
  • Hans Wilhelm Alt: Lineare Funktionalanalysis, Springer-Verlag (2006) ISBN 3-540-34186-2
  • Jürgen Appell, Martin Väth: Elemente der Funktionalanalysis. Vektorräume, Operatoren und Fixpunktsätze, Vieweg+Teubner (2005), ISBN 3-528-03222-7
  • N. Dinculeanu: On Kolmogorov-Tamarkin and M. Riesz Compactness Criteria in Function Spaces Over a Locally Compact Group, J. Math. Anal. Appl. 87 (1982), Seiten 67–85
  • Hans G. Feichtinger: Compactness in Translation Invariant Banach Spaces of Distributions and Compact Multipliers, Journa l of Mathematical Analysis and Applications (1984), Band 102, Seiten 289–327. (auch online verfügbar) (PDF; 2,6 MB)
  • H. Hanche-Olsen, Helge Holden: The Kolmogorov–Riesz Compactness Theorem (PDF; 398 kB)
  • A. N. Kolmogorow: Über die Kompaktheit der Funktionenmengen bei der Konvergenz im Mittel, Nachr. Akad. Wiss. Göttingen Math. Phys. Kl. II (1931), Seiten 60–63
  • J. D. Tamarkin: On the compactness of the space L, Bull. Amer. Math. Soc. Band 38 (1932) Seiten 79–84
  • A. N. Tulajkow: Zur Kompaktheit im Raum Lp für p=1, Göttinger. Nachrichten (1933), Seiten 167–170
  • Joseph Wloka: Funktionalanalysis und Anwendungen, ISBN 3-110-01989-2