Eine Lawvere-Tierney-Topologie ist ein nach William Lawvere und Myles Tierney benannter Begriff aus der Kategorientheorie.

Einführende Begriffe

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Ein Topos ist definitionsgemäß eine Kategorie, die unter allen endlichen Limiten abgeschlossen ist, sie enthält also insbesondere ein mit   bezeichnetes terminales Objekt und alle endlichen Produkte. Weiter enthält ein Topos einen Unterobjekt-Klassifizierer, das ist ein mit   bezeichneter Morphismus  , wobei   ein festes Objekt des Topos ist, so dass Folgendes gilt: Ist   ein Unterobjekt (genauer ein Vertreter der zugehörigen Äquivalenzklasse), so gibt es genau einen Morphismus  , der das Diagramm

 

zu einem Pullback macht, diesen nennt man die charakteristische Funktion von   bzw. des Unterobjekts. Die Zuordnung   ist damit eine Bijektion zwischen  , der Menge der Unterobjekte von  , und  .   ist bezüglich der Unterobjekt-Beziehung eine geordnete Menge und man kann zeigen, dass sogar eine Heyting-Algebra vorliegt und dass diese Konstruktion natürlich in   ist.[1] Die zugehörigen Operationen   der Heyting-Algebra übertragen sich nach Obigem auf   und die Natürlichkeit in   führt mittels des Yoneda-Lemmas zu entsprechenden Morphismen

 
 
 
 

Genauer heißt das: Repräsentieren   und   Unterobjekte von   mit charakteristischen Funktionen   und  , so hat das Infimum der beiden Unterobjekte in der Heyting-Algebra   die charakteristische Funktion

 ,

und Entsprechendes gilt für die anderen Operationen.

Definition

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Eine Lawvere-Tierney-Topologie auf einem Topos mit einem Unterobjekt-Klassifizierer   ist ein Morphismus   mit folgenden drei Eigenschaften:[2][3][4][5]

 

Zusammenhang mit Grothendieck-Topologien

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Es sei   eine Grothendieck-Topologie auf einer kleinen Kategorie  , das heißt,   wählt zu jedem Objekt   in   eine Menge   von Sieben aus, so dass gewisse Bedingungen erfüllt sind.

 , die Funktorkategorie der Funktoren   in die Kategorie der Mengen  , ist ein Topos und hat als Unterobjekt-Klassifizierer den Funktor  , wobei   die Menge aller Siebe auf   ist, mit der natürlichen Transformation  , die dadurch definiert ist, dass   das einzige Element aus   auf das maximale Sieb   aller Morphismen mit Ziel   abbildet. Das Stabilitätsaxiom einer Grothendieck-Topologie zeigt, dass   ein Unterfunktor von   ist. Nach Definition des Unterobjekt-Klassifizierers existiert daher ein eindeutig bestimmter Morphismus in der Funktorkategorie (d. h. eine natürliche Transformation)  , der das Diagramm

 

zu einem Pullback macht. Man kann nun zeigen, dass dieses   eine Lawvere-Tierney-Topologie ist[6] und weiterhin, dass jede Lawvere-Tierney-Topologie auf   auf diese Weise von einer Grothendieck-Topologie auf   herkommt.[7] Damit ist die Theorie der Grothendieck-Topologien auf einer kleinen Kategorie   äquivalent zur Theorie der Lawvere-Tierney-Topologien auf dem Prägarben-Topos  . Da es Topoi mit Lawvere-Tierney-Topologien gibt, die nicht von dieser Art sind, stellen diese eine echte Verallgemeinerung der Grothendieck-Topologien dar.

Beispiele

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Prägarben auf topologischen Räumen

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Es sei   ein topologischer Raum und   die Kategorie der offenen Mengen von  , das heißt, die Objekte sind die offenen Mengen   und die einzigen Morphismen sind die Inklusionsabbildungen   zwischen offenen Mengen  . Dies nehmen wir als kleine Kategorie  .

Da jeder Morphismus   definitionsgemäß eine Inklusionsabbildung ist, kann man ihn mit seinem Quellobjekt   identifizieren. Ein Sieb auf   ist dann ein System   offener Teilmengen von   mit der Eigenschaft, dass aus   bereits   folgt. Insbesondere ist  . Die sogenannte Grothendieck-Topologie der offenen Überdeckungen  , die zu   gehört, ist definiert durch

 .

Der Unterobjekt-Klassifizierer im Topos   der mengenwertigen Prägarben auf   ist gegeben durch

     mit     .

Die gemäß dem oben beschriebenen Zusammenhang zugehörige Lawvere-Tierney-Topologie ist gegeben durch[8]

 
 .

Die Kategorie der Mengen

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Betrachtet man im vorangegangenen Beispiel den topologischen Raum  , so erhält man die beiden Lawvere-Tierney-Topologien auf der Kategorie   der Mengen. Da  , ist dies die Kategorie mit genau einem Objekt   und dem identischen Morphismus   darauf als einzigem Morphismus. Der zugehörige Topos   ist isomorph zum Topos  , indem man jeden Funktor   mit derjenigen Menge identifiziert, auf die der Funktor das einzige Objekt schickt.

Es gibt zwei Siebe auf  , nämlich das leere Sieb   und das maximale Sieb  . Mit den Bezeichnungen des vorangegangenen Beispiels ist also

 ,   wobei wie üblich   und  .

Eine Grothendieck-Topologie   ist eine Auswahl   von Sieben, und dazu gibt es genau vier Möglichkeiten. Diese Anzahl reduziert sich auf zwei, da   das maximale Sieb   enthalten muss, und wir haben daher nur noch die zwei Möglichkeiten

     die triviale Grothendieck-Topologie
     die Grothendieck-Topologie der offenen Überdeckungen aus obigem Beispiel

Die zu   und   gehörigen Lawvere-Tierney-Topologien   bzw.   sind:

     und     

Dichte Topologien

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Ist   ein Topos mit einem Unterobjekt-Klassifizierer  , so gibt es nach obigen einleitenden Bemerkungen einen Morphismus  , der die Bildung des Pseudokomplements beschreibt. Dann kann man zeigen, dass   eine Lawvere-Tierney-Topologie auf   ist. Man nennt sie auch die dichte Topologie auf dem Topos.[9]

Die Lawvere-Tierney-Topologie   aus dem vorangegangenen Beispiel ist ein sehr einfacher Fall dieser Konstruktion, denn in   ist   diejenige Abbildung, die 0 und 1 vertauscht, so dass   die identische Funktion auf   und damit gleich   ist.

Diese dichten Topologien, die man auch einfach als  -Topologien bezeichnet, spielen eine wichtige Rolle in der Logik, insbesondere in der Konstruktion von Modellen der Mengenlehre. Dies ist im mehrfach zitierten Lehrbuch von Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk ausgeführt, im Kapitel VI wird mit diesen Methoden die Unabhängigkeit der Kontinuumshypothese bewiesen.

Abschluss

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Ist   ein Monomorphismus in einem Topos, so gehört dazu nach Definition des Unterobjekt-Klassifizierers   genau eine charakteristische Funktion   wie in obiger Einführung. Ist nun   eine Lawvere-Tierney-Topologie, so ist auch   ein Morphismus  , das heißt dazu korrespondiert ein mit   bezeichnetes Unterobjekt von  , das man den Abschluss, genauer den  -Abschluss, von   in   nennt. Diese Abschlussoperation hat folgende Eigenschaften für Unterobjekte   von  :

 ,     ist Unterobjekt von   in  
 ,   das heißt, der Abschluss eines Abschlusses bringt nichts Neues
 ,   das heißt die Abschlussoperation ist mit der Infimumsbildung je zweier Objekte in   verträglich.

Weiter ist die Abschlussbildung   in   natürlich in  . Das bedeutet Folgendes: Ist   eine Unterobjekt-Beziehung und ist   ein Morphismus, so definiert man   durch das Pullback-Diagramm

 

Beachte, dass   wieder ein Monomorphismus und damit   Unterobjekt von   ist. Die Natürlichkeit in   bedeutet mit diesen Bezeichnungen, dass

 

Auf der linken Seite dieser Gleichung ist der  -Abschluss in   gebildet, auf der rechten Seite in  .

Ist umgekehrt in jedem   eine Abschluss-Operation   gegeben, die die oben genannten drei Eigenschaften erfüllt und zudem natürlich in   ist, so gibt es genau eine Lawvere-Tierney-Topologie  , deren  -Abschluss gerade diese Abschluss-Operation ist.[10][11]

Ist   ein Topos mit einer Lawvere-Tierney-Topologie  , so sondert man mit Hilfe des  -Abschlusses gewisse Objekte als Garben aus. Ein Objekt   heißt Garbe, genauer  -Garbe, wenn für jedes Objekt   und jedes darin enthaltene  -dichte Unterobjekt   (das heißt   in  ) die natürliche Abbildung

 

bijektiv ist. Das heißt   ist eine Garbe, wenn es zu jedem Monomorphismus   mit   in   und zu jedem   genau einen Morphismus   mit   gibt.[12]

Dies verallgemeinert den Begriff der Garbe auf einem Situs.

Sei   die volle Unterkategorie der  -Garben in  . So ist das terminale Objekt   stets eine Garbe, denn da   und   nach Definition des terminalen Objekts beide einelementig sind, ist die definierende Bedingung trivialer Weise erfüllt. Man kann zeigen, dass   selbst wieder ein Topos ist, als Unterobjekt-Klassifizierer nimmt man

    Equalizer von  .

Wie schon im Falle des Situs hat die Einbettung   einen linksadjungierten Funktor  , den man auch hier Vergarbung nennt.[13][14] Man hat also für  -Garben   und Objekte   aus   eine natürliche Isomorphie

 

Viele wichtige Topoi sind solche Garbentopoi, denn die Garbeneigenschaft führt dazu, dass der Unterobjekt-Klassifizierer nicht nur eine Heyting-Algebra, sondern sogar eine boolesche Algebra ist.

Einzelnachweise

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  1. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, Theorem IV.8.1
  2. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, Definition in Kapitel V.1
  3. P. T. Johnstone: Topos Theory. Dover Publications, 2014, ISBN 978-0-486-49336-7, Definition 3.11
  4. Claudia Centazzo, Enrico M. Vitale in: Categorical Foundations - Special Topics in Order, Topology, Algebra, and Sheaf Theory. Cambridge University Press, 2004, ISBN 0-521-83414-7, Kap. VII.3.14: Lawvere-Tierney topologies
  5. Dov M. Gabbay, Akihiro Kanamori, John Woods (Hrsg.): Handbook of the History of Logic. Volume 6: Sets and Extensions in the Twentieth Century. Elsevier-Verlag, 2012, ISBN 978-0-444-51621-3, Definition auf S. 723
  6. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, Definition in Theorem V.1.2
  7. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, Definition in Theorem V.4.1
  8. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, aus Kapitel V.1
  9. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, Theorem VI.1.3
  10. P. T. Johnstone: Topos Theory. Dover Publications, 2014, ISBN 978-0-486-49336-7, Theorem 3.14
  11. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, Definition in Kapitel V.2: Sheaves
  12. P. T. Johnstone: Topos Theory. Dover Publications, 2014, ISBN 978-0-486-49336-7, Definition 3.21
  13. P. T. Johnstone: Topos Theory. Dover Publications, 2014, ISBN 978-0-486-49336-7, Korollar 3.39
  14. Saunders Mac Lane, Ieke Moerdijk: Sheaves in Geometry and Logic. Springer-Verlag, 1992, ISBN 0-387-97710-4, Theorem V.3.1