Big Four (Wirtschaftsprüfungsgesellschaften)
Big Four bezeichnet das Oligopol der vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften der Welt: Deloitte, EY (Ernst & Young), KPMG und PricewaterhouseCoopers (PwC).[1] Es steht für rund 67 Prozent des weltweiten Umsatzes in der Wirtschaftsprüfung.[2]
Die Big Four prüfen einen Großteil der börsennotierten Unternehmen weltweit, unter anderem nahezu alle Gesellschaften in den großen Aktienindizes S&P 500 (USA), DAX (Deutschland) und FTSE 100 (Großbritannien).[1] In Deutschland werden von den 160 börsennotierten Unternehmen, die die vier wichtigsten deutschen Aktienindizes DAX, MDAX, SDAX und TecDAX bilden, 142 von den Big Four geprüft.[3]
Die Big Four sind auch in der Steuerberatung und in der allgemeinen Unternehmensberatung aktiv und beraten ihre Mandanten z. B. in Fragen betreffend die Digitalisierung von Geschäftsmodellen.
Gemeinsam beschäftigen die Big Four weltweit knapp 1.000.000 Angestellte bei etwa 182 Milliarden Euro Umsatz.[4]
Zusammensetzung
BearbeitenDie Big-Four-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind:[5]
Name | Mitarbeiter weltweit |
Mitarbeiter Deutschland |
Mitarbeiter Schweiz |
Mitarbeiter Österreich |
Umsatz weltweit | Geschichte |
---|---|---|---|---|---|---|
Deloitte | 415.000 (2022)[6] | 10.693 (2022) | >2.000 (2019)[7] | 1.400 (2019)[8] | 59,3 Mrd. USD (2022)[6] | früher Deloitte & Touche, entstanden durch die Fusion von Touche Ross und Deloitte Haskins & Sells |
EY (Ernst & Young) | 312.250 (2021)[9] | 11.124 (2019) | 2.538 (2019)[10] | 1.049 (2019)[11] | 40 Mrd. USD (2022)[9] | entstanden durch den Zusammenschluss von Ernst & Whinney und Arthur Young |
PricewaterhouseCoopers (PwC) | 328.000 (2023)[12] | 13.000 (2022) | 3.256 (2019)[13] | 1.241 (2019)[14] | 50,3 Mrd. USD (2022)[12] | entstanden durch den Zusammenschluss von Price Waterhouse und Coopers & Lybrand |
KPMG | 265.000 (2023)[15] | 12.200 (2023)[15] | 2.351 (2023)[16] | 1.950 (2022)[17] | 32,1 Mrd. USD (2021)[18] | entstanden durch die Fusion von Peat Marwick International und der KMG-Gruppe |
Geschichte des Begriffs
BearbeitenIn den 1980er Jahren entstand der Begriff Big Eight; er benannte die damals acht größten – und international dominierenden – Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Die Big Eight entstanden durch Zusammenschlüsse von regionalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in den 1970er Jahren und den vorherigen Jahrzehnten.
Diese Big Eight waren:
- Arthur Andersen
- Arthur Young
- Coopers & Lybrand
- Ernst & Whinney
- Deloitte, Haskins & Sells
- Peat Marwick International (PMI)
- Price Waterhouse
- Touche Ross
Seit 1987 tragen die im Jahr zuvor fusionierten Prüfungsgesellschaften PMI und KMG (Klynveld Main Goerdeler) den Namen KPMG.
Die Big Eight wurden im Jahr 1989 zu den Big Six, als Ernst & Whinney im Juni mit Arthur Young zu Ernst & Young fusionierte und sich Deloitte, Haskins & Sells im August mit Touche Ross zu Deloitte & Touche zusammenschloss.
Die Big Six wurden im Juli 1998 zu den Big Five, als Price Waterhouse mit Coopers & Lybrand fusionierte und PricewaterhouseCoopers bildete.
Infolge des Enron-Skandals im Jahr 2001 fusionierten die selbständigen Ländergesellschaften von Arthur Andersen mit verschiedenen Unternehmen, insbesondere den anderen großen Prüfungsgesellschaften. In Deutschland ging der größte Teil des Unternehmens an Ernst & Young, ebenso unter anderem in Großbritannien und Spanien[19]. Als eigenständige Gesellschaft bzw. Marke ging Arthur Andersen unter und die Big Five wurden zu den Big Four.
Entwicklung in Deutschland
BearbeitenIn Deutschland gab es eine nahezu parallele Entwicklung, allerdings mit einigen Besonderheiten:[20]
- Der Umsatz der Big Four in Deutschland beträgt insgesamt 6,89 Milliarden Euro (2017). Das entspricht einem Wachstum von 13,9 % gegenüber dem Jahr 2016 (6,05 Milliarden Euro).
- Nach Umsatz im Geschäftsjahr 2022/2023 ist PwC Marktführer unter den Big Four in Deutschland (2,93 Mrd. Euro), dahinter folgen EY (Ernst & Young) (2,57 Mrd. Euro), KPMG (2,39 Mrd. Euro) und Deloitte (2,33 Mrd. Euro).[21]
- Durch den großen Abstand von Deloitte auf PwC, KPMG und Ernst & Young besteht am deutschen Markt, anders als bei einer weltweiten Betrachtung, bei der Deloitte und PwC mit merklichem Abstand zu den übrigen Big Four den Markt anführen[22], im Grunde eine Big-Three-Situation. Deloitte hat diesen großen Abstand jedoch in den vergangenen Jahren durch erhebliches Wachstum deutlich reduziert und schloss im Geschäftsjahr 2022/2023 bis auf rund 60 Mio. Euro Umsatz zur drittgrößten Gesellschaft KPMG auf.
- Deloitte ist im Zeitraum 2014 – 2016 am stärksten gewachsen (⌀ 13,2 % pro Jahr), KPMG am schwächsten (⌀ 6,4 % pro Jahr).
- Ernst & Young ist im Zeitraum 2010 – 2016 am stärksten gewachsen (⌀ 5,5 % pro Jahr), KPMG am schwächsten (⌀ 3,7 % pro Jahr).
- Die Big Four wachsen vor allem im Consulting-Bereich (Steuerberatung, Unternehmensberatung) und entwickeln sich damit zu breit aufgestellten Service- und Beratungsfirmen; im klassischen Geschäft mit dem Testieren von Bilanzen lässt sich seit Jahren nur noch geringes Wachstum generieren.
- Die Big Four teilen sich 83 Prozent des Geschäfts als Abschlussprüfer mit den 160 großen deutschen Aktiengesellschaften (Stand: 2011).[23]
- Durch die EU-Prüferreform schreiben seit einigen Jahren viele große Unternehmen ihre Prüfungsaufträge neu aus, wodurch es zu einer Umverteilung der Mandate kommt.
- In der Versicherungsbranche, die bisher von KPMG dominiert wurde, konnte sich PwC im Zuge der EU-Prüferreform als neue Nummer eins positionieren (u. a. Allianz SE, Hannover Rück).
- Bei den Großbanken war KPMG mit vielen großen Prüfungsaufträgen (u. a. Deutsche Bank, KfW, Landesbank Baden-Württemberg, Norddeutsche Landesbank) lange Zeit die Nummer eins in Deutschland. Traditionell hatte PwC lediglich die Commerzbank und die Landesbank Hessen-Thüringen geprüft, die Bayerische Landesbank wurde von Deloitte geprüft und die DZ Bank von Ernst & Young. Im Zuge der EU-Prüferreform haben sich die Marktanteile jedoch auch in diesem Bereich deutlich zum Nachteil von KPMG verschoben. Insbesondere Ernst & Young konnte hier stark wachsen und hat unter den deutschen Großbanken ab 2018 mehr Prüfungsmandate als jede andere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft inne (u. a. Commerzbank, KfW, DZ Bank, Landesbank Hessen-Thüringen, NRW.Bank).
- Hinter den Big Four liegen gemäß der Lünendonk-Liste 2015 mit erheblichem Abstand BDO AG, Rödl & Partner, Ebner Stolz und Baker Tilly Roelfs.[24] Diese Gesellschaften erreichen jedoch weniger als ein Drittel bzw. ein Viertel des Umsatzes von Deloitte und wachsen deutlich langsamer als die Big Four.
- Sozusagen in der dritten Liga agieren drei Gesellschaften, die wiederum weniger als die Hälfte des Umsatzes der Zweitliga-Gesellschaften aufweisen: Mazars, Warth & Klein Grant Thornton und PKF Fasselt Schlage.
Daneben spielen auf dem Wirtschaftsprüfer-Markt in Deutschland noch große Netzwerke als Zusammenschlüsse mittelständischer WP-Gesellschaften eine Rolle, wie z. B. Nexia International, Crowe Global, Moore Stephens Deutschland, Grant Thornton International, RSM Germany, PKF International (Pannell Kerr Forster), HLB Deutschland, Baker Tilly International, AGN International, Kreston International, DFK International, Moores Rowland, Ecovis, Accountants Global Network und SC International.
Jahr | PwC | EY | KPMG | Deloitte | ||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Umsatz (in Mrd. €) | Entwicklung | Umsatz (in Mrd. €) | Entwicklung | Umsatz (in Mrd. €) | Entwicklung | Umsatz (in Mrd. €) | Entwicklung | |
2009 | 1,37 | 1,09 | 1,25 | 0,72 | ||||
2010 | 1,33 | −2,9 % | 1,06 | −2,8 % | 1,19 | −4,8 % | 0,58 | −19,4 % |
2011 | 1,45 | 9,0 % | 1,09 | 2,8 % | 1,20 | 0,8 % | 0,62 | 6,9 % |
2012 | 1,49 | 2,8 % | 1,16 | 6,4 % | 1,30 | 8,3 % | 0,65 | 4,8 % |
2013 | 1,55 | 4,0 % | 1,27 | 9,5 % | 1,33 | 2,3 % | 0,67 | 3,1 % |
2014 | 1,55 | 0,0 % | 1,37 | 7,9 % | 1,38 | 3,8 % | 0,73 | 9,0 % |
2015 | 1,65 | 6,5 % | 1,53 | 11,7 % | 1,51 | 9,4 % | 0,79 | 8,2 % |
2016 | 1,91 | 15,8 % | 1,57 | 2,6 % | 1,60 | 6,0 % | 0,96 | 21,5 % |
Marktverteilung (Dax)
BearbeitenAufteilung des Marktes unter den Big Four nach den Geschäftsberichten der jeweiligen DAX-Unternehmen zum jeweiligen Geschäftsjahr
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Kritik
BearbeitenPrem Sikka (Professur für Rechnungswesen, University of Essex) kritisierte die Steuerberatungstätigkeit der Big Four im Zusammenhang mit den Luxemburg Leaks scharf. Ihre Steuervereinbarungen, welche die Verringerung der Steuerzahlungen in erheblicher Höhe ermöglichen, habe zur Folge, „dass normale Menschen höhere Steuern zahlen müssen, weil ihre Steuervermeidungsschemata große Konzerne und reiche Menschen entlasten“. Er fordert, die Macht der großen Prüfungsgesellschaften zu beschränken, andernfalls würden diese weiterhin ihre Macht nutzen, „um die Demokratie, das Recht und das Wohlergehen der Menschen zu untergraben.“[26]
Literatur
Bearbeiten- Hannes Munzinger, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer, Rainer Stadler, Georg Wellmann (Mitarbeit: Okan Bellikli, Petra Blum, Michael Wech): Vier gewinnt. Ob in Deutschland oder rund um die Welt: Konzerne und Regierungen sind abhängig von vier großen Wirtschaftsprüfern – und jeder Versuch scheitert, die Macht der Big Four zu begrenzen. Die Nahaufnahme eines Missstands. Süddeutsche Zeitung (BUCH ZWEI), 23./24. Februar 2019 (Reportage kostenpflichtig).
Dokumentation
Bearbeiten- Jan Schmitt: Steuerfrei – Wie Konzerne Europas Kassen plündern, Deutschland, 2013 (ARD/WDR, 44 min.)[27]
- WDR Doku: Die Berater der Reichen und Mächtigen – Die Macht der „Big Four“ auf YouTube, 26. Februar 2019 (Laufzeit: 43:37 min.).
- Christina Dierschke, Stefan Ebling: Big 4 – Wirtschaftsprüfung unter Beobachtung (2021) in der 3sat-Mediathek. Video (44 Min.), abrufbar bis 8. Februar 2027
- Frontal: Big Four: So groß ist die Macht der Wirtschaftsprüfer | mit Marta Orosz | X Gründe auf YouTube, 27. März 2024 (Laufzeit: 13:58 min.).
Weblinks
Bearbeiten- Tax avoidance: the role of large accountancy firms. House of Commons Committee of Public Accounts, 26. April 2013
- International Consortium of Investigative Journalists: Big 4 Audit Firms Play Big Role in Offshore Murk. 5. November 2014 (ausführlicher Text in englischer Sprache zu den Big 4)
- Die unheimliche Macht der Berater. Wie Politik sich steuern lässt. Phoenix, 2019
- Bastian Brinkmann: Wirtschaftsprüfer: Zerschlagt die Vier. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung GmbH, 1. März 2019 .
- Warum das Oligopol der Big Four schädlich ist. In: finanzwende.de. Bürgerbewegung Finanzwende e. V., 23. September 2020 .
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b The Big Four – Custodians of capitalism. In: The Economist. Band 425, Nr. 9071. New York 16. Dezember 2017, S. 56.
- ↑ Sam Fleming: Accountants PwC, Deloitte, KPMG and EY face taming moves. In: Financial Times. 12. Februar 2014, abgerufen am 17. November 2017 (englisch, Paywall).
- ↑ Wenn der Prüfer auch Berater ist. In: WDR. 13. August 2015, archiviert vom am 13. August 2016; abgerufen am 17. November 2017.
- ↑ Brigitte Scholtes: Wirtschaftsprüfungsgesellschaften – Die Macht der Insider. In: Deutschlandfunk. 11. Mai 2015, abgerufen am 30. Mai 2017.
- ↑ Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland. (PDf; 501 kB) Lünendonk & Hossenfelder, 21. Juli 2017, archiviert vom am 11. August 2017; abgerufen am 17. November 2017.
- ↑ a b Deloitte reports record FY2022 revenue. Deloitte, 7. September 2022, abgerufen am 7. März 2023 (englisch).
- ↑ Über Deloitte. Deloitte Schweiz, abgerufen am 3. Juli 2020.
- ↑ Deloitte Österreich Transparentzbericht 2019. Ehemals im ; abgerufen am 1. Februar 2020. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ a b EY reports global revenues of US$40b in 2021 and outlines record US$10b investment plan over next three years. Ernst & Young, 9. September 2022, abgerufen am 7. März 2023 (englisch).
- ↑ EY-Jahresbericht Schweiz 2019. Abgerufen am 3. Juli 2020.
- ↑ Jahresbericht-2019-Oesterreich – Talente. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 1. Februar 2020; abgerufen am 1. Februar 2020.
- ↑ a b About us. PricewaterhouseCoopers, abgerufen am 7. März 2023.
- ↑ Zahlen und Fakten. In: PricewaterhouseCoopers. Abgerufen am 3. Juli 2020.
- ↑ Transparenzbericht PwC Österreich 2019. (PDF) Abgerufen am 1. Februar 2020.
- ↑ a b KPMG kompakt. KPMG, abgerufen am 7. März 2023.
- ↑ Fakten & Zahlen – KPMG Schweiz. Abgerufen am 7. März 2023.
- ↑ Transparenzbericht KPMG Österreich 2022. 2022, abgerufen am 7. März 2022.
- ↑ 2017 International Annual Review. In: KPMG Global. 19. Juni 2019, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 24. Oktober 2020; abgerufen am 7. September 2019 (englisch).
- ↑ Suzanne Kapner: British Unit Of Andersen Is Defecting To Deloitte. In: The New York Times. 11. April 2002, abgerufen am 30. Mai 2017 (englisch).
- ↑ Susanne Schier: Fusionsdruck bei Wirtschaftsprüfern steigt. In: Handelsblatt. 10. September 2010, abgerufen am 17. November 2017.
- ↑ Jörg Hossenfelder: Big Four wachsen weiter zweistellig in Deutschland. In: luenendonk.de. 5. Februar 2024, abgerufen am 11. Juli 2024.
- ↑ Big 4 Accounting Firms. In: Accountingverse.com. Abgerufen am 17. November 2017.
- ↑ Dieter Fockenbrock: Die unheimliche Macht der großen Bilanzprüfer. In: Handelsblatt. 19. Januar 2011, abgerufen am 17. November 2017.
- ↑ Führende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-Gesellschaften in Deutschland. (PDF; 205 kB) Lünendonk & Hossenfelder, 2015, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 22. Januar 2017; abgerufen am 17. November 2017.
- ↑ boersengefluester.de Geschäftsberichte der DAX-Unternehmen (boersengefluester.de). Abgerufen am 10. Mai 2023./
- ↑ Luxemburg-Leaks – Warum ein Professor PwC für eine Gefahr für die Gesellschaft hält. Süddeutsche Zeitung, 31. Januar 2015, abgerufen am 30. Januar 2016.
- ↑ • Steuerfrei – Wie Konzerne Europas Kassen plündern (Dokumentarfilm, 2013) bei IMDb
• ARD: Die Story im Ersten: Steuerfrei - Wie Konzerne Europas Kassen plündern (2013) auf YouTube, 20. August 2013, abgerufen am 25. April 2024 (Laufzeit: 44:03 min.).