Zyklus (Funktionentheorie)

mathematische Objekte, die insbesondere in der Funktionentheorie betrachtet werden, aber auch als Spezialfälle in der algebraischen Topologie auftreten

Kette und Zyklus sind mathematische Objekte, die insbesondere in der Funktionentheorie betrachtet werden, aber auch als Spezialfälle in der algebraischen Topologie auftreten. Die Kette ist eine Verallgemeinerung einer Kurve und der Zyklus ist eine Verallgemeinerung einer geschlossenen Kurve. Sie werden in Funktionentheorie vor allem im Bereich der Integration verwendet.

Um anzudeuten, dass Kette und Zyklus Spezialfälle aus der Homologietheorie der algebraischen Topologie sind, spricht man auch von der 1-Kette und dem 1-Zyklus[1]. In der algebraischen Topologie selbst hat sich anstatt des Begriffs 1-Zyklus der Begriff 1-Zykel beziehungsweise p-Zykel durchgesetzt.[2] Außerdem ist zu beachten, dass der Plural von der Zyklus die Zyklen, der Plural von der Zykel jedoch die Zykel heißt.

Definitionen

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Unter einer Kette auf   beziehungsweise auf einer riemannschen Fläche   versteht man eine formale endliche ganzzahlige Linearkombination

 

von stetigen Kurven  . Die Menge aller Ketten auf  , die auf natürliche Weise eine abelsche Gruppe bilden, wird mit   notiert.

Integration über eine Eins-Kette

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Sei   eine geschlossene komplexe (1,0)-Differentialform, dann ist das Integral über die Kette   durch

 

definiert. Ist   die komplexe Ebene  , so ist das Kalkül der Differentialformen nicht notwendig. In diesem Fall gilt nämlich  , wobei   eine differenzierbare Funktion ist. Die Definition vereinfacht sich dann zu

 .

Ein Zyklus ist eine Kette, bei der jeder Punkt   unter Berücksichtigung der Vielfachheit   genauso oft als Anfangs- wie als Endpunkt der Kurven   auftritt.

Diese Definition kann man mit Hilfe der Divisorengruppe   umformulieren. Sei

 

eine Abbildung. Für eine Kurve   setzt man  , falls  . Andernfalls ist   der Divisor, der den Wert +1 in  , den Wert −1 in   und sonst den Wert 0 annimmt. Für eine Kette   ist   durch   definiert. Der Kern

 

der Abbildung   ist die Gruppe der Zyklen.

Windungszahl

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Die Spur ist die Vereinigung der Bilder der einzelnen Kurven, d. h.

 .

Ist   eine Teilmenge, dann heißt   ein Zyklus in   genau dann, wenn die Spur   in   liegt.

Die Umlaufzahl wird analog zu der einer geschlossenen Kurve definiert, nur unter Verwendung des oben definierten Integrals, d. h. für   schreibt man

 .

Das Innere (Interior) eines Zyklus sind genau diejenigen Punkte, für die die Windungszahl nicht verschwindet:

 

Analog dazu ist das Äußere (Exterior) genau die Menge der Punkte, für die die Windungszahl verschwindet:

 

Ein Zyklus heißt nullhomolog in   genau dann, wenn das Innere   vollständig in   liegt. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Windungszahl für alle Punkte aus   verschwindet.

Zwei Zyklen  ,   heißen homolog in   genau dann, wenn ihre formale Differenz   nullhomolog in   ist.

Integralsätze

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Die Ketten und Zyklen sind in der Funktionentheorie deshalb wichtig, weil man wie schon angesprochen mit ihnen das Kurvenintegral verallgemeinern kann. Insbesondere kann das Integral über einen Zyklus als Verallgemeinerung des geschlossenen Kurvenintegrals verstanden werden. Der Cauchysche Integralsatz, die Cauchysche Integralformel und der Residuensatz können für Zyklen bewiesen werden.

Der Satz von Stokes kann auch für Ketten erklärt werden. Sei   eine Kette auf   bei der alle Kurven   glatt sind und sei   eine glatte Funktion. Dann lautet die Aussage des Satzes von Stokes

 ,

wobei   der Operator aus dem Abschnitt Eins-Zyklus und   die Ableitung ist. Das zweite Integral muss außerdem als

 

verstanden werden. Ist   sogar ein Zyklus, dessen Kurven glatt sind, dann vereinfacht sich der Satz von Stokes zu

 ,

da dann die Summe   null ist.

Einordnung in die Homologietheorie

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Bei den Begriffen der Kette und des Zyklus handelt es sich um Spezialfälle von Objekten der Topologie. In der algebraischen Topologie betrachtet man Komplexe von p-Ketten und bildet daraus Homologiegruppen. Diese Gruppen sind Invarianten in der Topologie. Eine sehr wichtige Homologietheorie ist die der singulären Homologiegruppen.

Eine Kette, wie sie hier im Artikel definiert wurde, ist eine 1-Kette des singulären Komplexes, der ein bestimmter Kettenkomplex ist. Der im Abschnitt zum Zyklus definierte Operator   ist der erste Randoperator des singulären Komplexes und die Gruppe der Divisoren ist daher identisch mit der Gruppe der 0-Ketten. Die Gruppe der Zyklen definiert als der Kern des Randoperators   ist ein 1-Zykel im Sinn des singulären Komplexes.

Neben dem Kern des Randoperators betrachte man in der algebraischen Topologie auch das Bild dieses Operators und konstruiert aus diesen beiden Mengen eine entsprechende Homologiegruppe. Im Fall des singulären Komplexes erhält man die singuläre Homologie. In diesem Kontext haben auch die zuvor definierten Begriffe homologe Kette und nullhomologe Kette eine abstraktere Bedeutung.

  • Wolfgang Fischer, Ingo Lieb: Funktionentheorie. 8. Auflage. Vieweg, Braunschweig 2003, ISBN 3-528-77247-6.
  • Otto Forster: Riemannsche Flächen, Springer 1977, englisch Lectures on Riemann surfaces, Graduate Texts in Mathematics, Springer-Verlag, 1991, ISBN 3-540-90617-7, Kapitel 20

Einzelnachweise

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  1. Otto Forster: Riemannsche Flächen, Springer 1977, englisch Lectures on Riemann surfaces, Graduate Texts in Mathematics, Springer-Verlag, 1991, ISBN 3-540-90617-7, Kapitel 20
  2. Wolfgang Lück: Algebraische Topologie : Homologie und Mannigfaltigkeiten. Vieweg, 2005.