Tributylzinn-Verbindungen

Metall-organische chemische Verbindungen, Biozide

Tributylzinn-Verbindungen (abgekürzt TBT für englisch Tributyltin) sind zinnorganische Verbindungen mit drei Butylgruppen. Verwandte Verbindungen sind die Stoffgruppen der Monobutylzinn-Verbindungen und Dibutylzinn-Verbindungen sowie das Tetrabutylzinn.

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Allgemeine Struktur von Tributylzinn-Verbindungen. R kann unter anderem ein Organyl-Rest (Alkyl-Rest, Aryl-Rest, Arylalkyl-Rest etc.), ein Wasserstoff oder ein Halogen sein.

Darstellung Bearbeiten

Triorganozinnhalogenide lassen sich aus Tetraorganozinnverbindungen durch elektrophile Substitution herstellen. Im Falle von Tributylzinnverbindungen ist die Ausgangsverbindung Tetrabutylzinn (R = Bu):

 
 
 
 

Aus diesen Triorganozinnhalogeniden lässt sich das Hydrid durch Reaktion mit Reduktionsmitteln wie Lithiumaluminiumhydrid gewinnen. Im konkreten Fall der Tributylzinnverbindungen wird Tributylzinnchlorid zu Tributylzinnhydrid umgesetzt (R = Bu):

 

Verwendung Bearbeiten

Tributylzinn-Verbindungen wurden in der Vergangenheit (seit den 1970er Jahren) in Antifouling-Anstrichen für Schiffsrümpfe und als Biozide z. B. in Holzschutzmitteln, Silikondichtstoffen, Dachbahnen und für Textilien verwendet.[1] Für Antifouling-Anwendungen wird insbesondere Bis(tributylzinn)oxid eingesetzt, sowie Copolymere aus Methylmethacrylat und Tributylzinnmethacrylat.[2]

1996 wurden in Deutschland 3000 Tonnen Tributylzinnoxid (TBTO) hergestellt, davon aber weniger als 150 Tonnen verwendet und mehr als 95 % exportiert. Bei der Herstellung von Kunststoffen werden sie als Katalysatoren und Stabilisatoren eingesetzt.[1] TBT-Verbindungen sind aber aufgrund der Ökotoxizität in den meisten Ländern stark eingeschränkt oder verboten.[3][4][5] In der EU sind trisubstituierte zinnorganische Verbindungen seit Juni 2010 in Erzeugnissen verboten.[5] Antifouling-Produkte, die Tributylzinnverbindungen enthalten, inklusive Tributylzinnmethacrylat und Bis(tributylzinn)oxid, werden (Stand 2021) trotz Verbot weiter produziert und in vielen Ländern verkauft.[6]

TBT-Derivate werden auch als Stabilisatoren in Kunststoffen und im Druckereiwesen eingesetzt und können daher auch in bedruckten Textilien, Outdoorjacken und den bis 2002 ausgegebenen 10-Euro-Geldscheinen[7][8][9] auftreten.

Umweltgefahren Bearbeiten

Durch die Nahrungskette können TBT-Verbindungen in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangen und dort hormonelle Störungen hervorrufen, die zur Unfruchtbarkeit führen können. In Meeresgebieten mit hohem Schifffahrtsaufkommen sind durch das TBT der Schiffsanstriche bei zahlreichen Tierarten fortpflanzungsunfähige Imposexe entstanden, d. h. bei Weibchen bildeten sich äußere Geschlechtsorgane von Männchen. Diese Formen machen bis zu 90 % einer Population aus, die Effekte sind irreversibel und die betroffenen Arten dadurch zum Teil vom Aussterben bedroht. Wegen des Eingreifens dieser Umweltchemikalien in den Hormonhaushalt sind sie so genannte endokrine Disruptoren.

Sicherheitshinweise Bearbeiten

TBT-Verbindungen sind hochtoxische Verbindungen. Sie können von Menschen über kontaminierte Meerestiere oder Wein aufgenommen werden. Aufgrund ihrer Lipophilie können TBT-Verbindungen auch direkt über die Haut in den Körper gelangen.[1] Tributylzinn-Verbindungen sind als „prioritärer gefährlicher Stoff“ in Anhang X der europäischen Richtlinie 2000/60/EG (Wasserrahmenrichtlinie) aufgeführt.[10] Die Giftigkeit von Organozinnverbindungen hängt stark von der Anzahl der Alkylsubstituenten ab. Tetraalkylzinn-Verbindungen weisen die niedrigste Toxizität auf. Ansonsten steigt die Toxizität von einem über zwei zu drei Substituenten an, sodass Tributylzinn-Verbindungen im Vergleich mit anderen butyl-substituierten Zinnverbindungen am giftigsten sind.[11]

Vertreter Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Umweltbundesamt (Hrsg.): TBT – Zinnorganische Verbindungen – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. 2003 (PDF-Datei).
  2. Iwao Omae: Organotin antifouling paints and their alternatives. In: Applied Organometallic Chemistry. Band 17, Nr. 2, Februar 2003, S. 81–105, doi:10.1002/aoc.396.
  3. Heinz Rüdel, Jürgen Steinhanses, Josef Müller, Christa Schröter-Kermani: Retrospektives Monitoring von Organozinnverbindungen in biologischen Proben aus Nord- und Ostsee – sind die Anwendungsbeschränkungen erfolgreich? In: Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung. 21, Nr. 3, 2009, S. 282–291.
  4. Schutz des Meeres und der Lebensmittelkette vor den Auswirkungen zinnorganischer Verbindungen. Zusammenfassung der Gesetzgebung. In: EUR-Lex. Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 14. April 2003, abgerufen am 27. Januar 2016.
  5. a b Entscheidung der Kommission vom 28. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 76/769/EWG des Rates hinsichtlich der Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung von zinnorganischen Verbindungen zwecks Anpassung ihres Anhangs I an den technischen Fortschritt (2009/425/EG). In: Amtsblatt der Europäischen Union. L, Nr. 138, 4. Juni 2009, S. 11–13. Später ersetzt durch die REACH-Verordnung, nachdem der Text der Entscheidung 2009/425/EG in den Anhang XVII (Nr. 20) der REACH-Verordnung übertragen worden war.
  6. Russell G. Uc-Peraza, Ítalo B. Castro, Gilberto Fillmann: An absurd scenario in 2021: Banned TBT-based antifouling products still available on the market. In: Science of The Total Environment. Band 805, Januar 2022, S. 150377, doi:10.1016/j.scitotenv.2021.150377.
  7. Ökotest-Artikel, Februar 2002: Euro-Scheine und -Münzen
  8. Umweltauswirkungen der Euro-Banknoten. Europäische Zentralbank, 20. Dezember 2007, archiviert vom Original am 26. Juni 2013; abgerufen am 14. Juni 2013.
  9. Oliver Reiser: Giftige Euroscheine? (Organozinnverbindungen in 10-Euro-Scheinen). Chemie im Alltag, chemie-im-alltag.de – Bespricht den Inhalt des Ökotest-Artikels.
  10. Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik in der konsolidierten Fassung vom 20. November 2014, abgerufen am 28. Februar 2024. Anhang X.
  11. Ayanda Olushola Sunday, Baba Abdullahi Alafara, Olutona Godwin Oladele: Toxicity and speciation analysis of organotin compounds. In: Chemical Speciation & Bioavailability. Band 24, Nr. 4, Januar 2012, ISSN 0954-2299, S. 216–226, doi:10.3184/095422912X13491962881734 (tandfonline.com [abgerufen am 12. April 2024]).

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylzinnacetat: CAS-Nummer: 56-36-0, EG-Nummer: 200-269-6, ECHA-InfoCard: 100.000.245, GESTIS-Stoffdatenbank: 490055, PubChem: 16682741, ChemSpider: 10439863, Wikidata: Q27236451.
  2. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylzinnbenzoat: CAS-Nummer: 4342-36-3, EG-Nummer: 224-399-8, ECHA-InfoCard: 100.022.182, GESTIS-Stoffdatenbank: 490429, PubChem: 16682834, ChemSpider: 21170562, Wikidata: Q27275993.
  3. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylzinnfluorid: CAS-Nummer: 1983-10-4, EG-Nummer: 217-847-9, ECHA-InfoCard: 100.016.226, GESTIS-Stoffdatenbank: 490355, PubChem: 16120, ChemSpider: 15304, Wikidata: Q27252558.
  4. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Tributylzinnlaurat: CAS-Nummer: 3090-36-6, EG-Nummer: 221-434-9, ECHA-InfoCard: 100.019.486, PubChem: 16683295, ChemSpider: 17615835, Wikidata: Q27253690.