Reimmichl
Reimmichl (eigentlich Sebastian Rieger; * 28. Mai 1867 in St. Veit in Defereggen; † 2. Dezember 1953 in Heiligkreuz (Gemeinde Hall in Tirol)) war ein römisch-katholischer Priester und Dichter.
Leben
BearbeitenSeine Eltern waren der Firmenleiter Johann Rieger und dessen Frau Maria, geb. Brugger. Nach dem Gymnasium in Brixen (Südtirol) besuchte er das Priesterseminar und wurde 1891 zum Priester geweiht. Danach war er als Seelsorger in Stilfes bei Sterzing, Sexten, Dölsach in Osttirol und Sand in Taufers tätig; 1898 erhielt er die Expositur in Gries am Brenner.[1] Als Volksdichter veröffentlichte er erste Geschichten und Erzählungen im Tiroler Volksboten. Dort arbeitete er ab 1897 als Redakteur. Aus dieser Zeit stammt sein Pseudonym Reimmichl in Anlehnung an ein damals in Sexten lebendes Original, den Michl, einen Schuster, der sich als Geschichtenerzähler hervortat.
Von 1914 an wirkte er bis zu seinem Tod als Kaplan an der Heiligkreuzkirche in dem 1938 nach Hall in Tirol eingemeindeten Ort Heiligkreuz. Reimmichl starb 1953 mit 86 Jahren. Er wurde auf dem Friedhof von Heiligkreuz beigesetzt.[2]
Der Dichter
BearbeitenSeit 1920 erscheint Reimmichls Volkskalender (bis 1924 unter den Namen Tiroler Kalender), jeweils in einer Nord- und Osttiroler Ausgabe (bei Tyrolia) und einer Südtiroler Ausgabe (bei Athesia). Daneben gibt es ca. 70 Buchtitel (Romane, Erzählungen, Geschichtensammlungen). Seine literarischen Produkte hatten sowohl Unterhaltungs- als auch sittlich-religiösen Bildungswert, förderten die Identifikation mit einem fundierten Tiroler Heimatbewusstsein, bemühten aber auch konservative Zivilisationskritik. Sie wurden in Tirol schnell bekannt und vom Volk, vor allem vom ländlichen, dem er nahestand, mit Begeisterung aufgenommen, finden auch heute noch viele Leser. In ungekünstelter Sprache vermochte Rieger tiefen Einblick in das menschliche Seelenleben und in die Dynamik des zwischenmenschlichen Beziehungsgeflechtes zu geben. Er hat auch den Text zum bekannten Tirolerlied Tirol isch lei oans (Tirol ist einzigartig) geschrieben.
Die Rechte der einfachen Leute waren ihm ein Anliegen, das auch in seinem Mitwirken bei der Gründung des Tiroler Bauernbundes Ausdruck fand.
In Riegers Texten trat öfters auch ein vehementer Antisemitismus zu Tage, der bei den zahlreichen posthumen Ehrungen unterschlagen wurde.[3]
Würdigung
Bearbeiten1937 erhielt Rieger das Ritterkreuzes I. Klasse des österreichischen Verdienstordens.[4]
Im Jahr 1972 wurde in Wien-Simmering (11. Bezirk) die Reimmichlgasse nach ihm benannt. Auch in Hall in Tirol, Innsbruck, Lienz/Osttirol, Rabland/Südtirol und Reutte wurden Straßen nach Reimmichl benannt. Anlässlich seines 125. Geburtstages legte die Österreichische Post eine Sonderbriefmarke auf.[5]
Literatur
Bearbeiten- Reimmichl. Eines Volksdichters Leben und Schaffen. Zum 60. Geburtstag Reimmichls gewidmet von der Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck-Wien-München 1927
- Herta Neurauter: Reimmichl als Tiroler Volkserzähler und Erzieher, Dissertation, Innsbruck 1950
- Hans Brugger: Der Pfarrer von Tirol. Reimmichl und seine Geschichten, Innsbruck 1972
- Martin Reiter: Mei Liab ist Tirol – ist mei Weh und mei Wohl. Reimmichl – der Tag- und Nachtschreiber Gottes, Berenkamp Verlag, Schwaz 1992
- Niko Hofinger: Jüdisches Leben in Tirol jenseits von Shoa und politischem Antisemitismus. Eine Bestandsaufnahme mit kritischem Rückblick – auch auf diesen Kalender, in: Reimmichls Volkskalender, 2009, S. 86–91.
- Ekkart Sauser: Sebastian Rieger. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 8, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-053-0, Sp. 313–314 .
- Erlacher, Karl: Geschichte und Analyse der Südtiroler Kalender 1920–1970. Tesi di laurea, Padua 1984
- Hans Pörnbacher: Rieger, Sebastian. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 580 (Digitalisat).
- Paul Muigg: Das große Reimmichl-Lesebuch. Mit einer biographischen Würdigung, Innsbruck 2017, ISBN 978-3-7022-3568-0
- Martin Kolozs: Zur höheren Ehre – Die Tiroler Priesterdichter Reimmichl, Bruder Willram, Josef Weingartner und Reinhold Stecher, Biographien, Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2017
Weblinks
Bearbeiten- Literatur von und über Reimmichl im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- "Reimmichl" im Brenner-Archiv
- Homepage zum Reimmichlkalender
- Wo Reimmichl wirkte
- Adam und Eva (eine Kurzgeschichte von Reimmichl)
- Eintrag zu Reimmichl im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Martin Kolozs: "Reimmichl": Der Tiroler Priesterdichter Sebastian Rieger (1867–1953) – Biographie des Monats auf der Homepage des Österreichischen Biographischen Lexikons (Mai 2017).
- Sylvia Ainetter und Daniela Scheiring: Reimmichl
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Rieger, Sebastian (Pseudonym Reimmichl). In: Deutsche Biographie (Index-Eintrag); abgerufen am 27. Juli 2020.
- ↑ knerger.de: Das Grab von Reimmichl
- ↑ Der Standard: Ein großer Tiroler und Antisemit, 3. Dezember 2003. Abgerufen am 11. September 2019.
- ↑ Auszeichnung des Dichters Reimmichl. In: Anzeiger für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel, 11. September 1937, S. 3 (online bei ANNO).
- ↑ Eintrag zu Reimmichl im Austria-Forum (als Briefmarkendarstellung), abgerufen am 28. Dezember 2011.
Personendaten | |
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NAME | Reimmichl |
ALTERNATIVNAMEN | Rieger, Sebastian (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | Tiroler Volksdichter und Priester |
GEBURTSDATUM | 28. Mai 1867 |
GEBURTSORT | St. Veit in Defereggen |
STERBEDATUM | 2. Dezember 1953 |
STERBEORT | Heiligkreuz (Gemeinde Hall in Tirol) |