Avantis (Gewerbepark)

Grenzüberschreitender deutsch-niederländischer Gewerbepark in Aachen

Der Avantis European Science and Business Park, kurz Avantis, ist ein grenzüberschreitender Gewerbepark in den Gemeinden Heerlen in den Niederlanden und Aachen in Deutschland. Das Gelände des Gewerbeparks ist etwa 40 Hektar groß.

Willkommens-Schild von Avantis
Firmengebäude von Solland Solar Energy

Ende der 1990er Jahre gründeten die Städte Heerlen und Aachen ein Joint Venture für einen Gewerbepark, der sowohl auf niederländischem als auch auf deutschem Gebiet liegen würde. Der nach geeignetste Standort für dieses Projekt war eine offene, landwirtschaftlich genutzte Fläche in der Nähe des zur niederländischen Gemeinde Simpelveld gehörenden Ortsteil Bocholtz, nahe der Bundesautobahn 4 (Anschlussstelle Bocholtz), der niederländischen Autobahn A 76 und der Heerlener Stadtautobahn N 281 sowie dem Buitenring Parkstad Limburg N 300. Bürgerinitiativen auf beiden Seiten der Grenze hatten schon Ende der 1980er Jahre ein Gewerbegebiet abgelehnt (Slogan: „Aachens Nordwesten will man verpesten“). Nachdem die SPD mit dem Versprechen, dem Votum der Bürger zu folgen, die Kommunalwahl 1988 gewonnen hatte, fand deren damaliger Europaabgeordneter Dieter Schinzel mit einem „intelligenten Blick auf die Landkarte“ den neuen Standort, 500 Meter nach Westen verschoben auf der Grenze, und versprach zudem EU-Fördermittel. Zudem beschloss der Stadtrat am 24. April 1991, dass das neue Gewerbegebiet jetzt ein reines „High-Tech-Gewerbegebiet“ für die IT-Branche und ohne emissionsintensive Unternehmen werden soll.[1][2] In der WDR-Umweltsendung Dschungel bezeichnete der bekannte Fernsehmoderator Jean Pütz das Projekt Avantis als „Beispiel für die Ignoranz und Arroganz der Politik“.[3] Erst ab dem Jahr 2001 war das Gebiet so weit konzipiert, dass Unternehmen dort angesiedelt werden konnten. Die Infrastruktur beider Länder sollte genutzt werden können.

Die Befürworter des Gewerbegebietes hatten aber übersehen, dass diese Nutzung, insbesondere der jeweils günstigeren steuerlichen Vorteile, einen deutsch-niederländischen Staatsvertrag voraussetzte.[4] Dieser wurde erst im Dezember 2007 geschlossen, fast zehn Jahre nach Beginn der Bauarbeiten.

Der Erfolg von Avantis blieb daher aus, erschwerend kam der wirtschaftliche Abschwung insbesondere der IT-Branche hinzu. In einem Beitrag der WDR-Wissenschaftssendung Leonardo - Wissenschaft und mehr zum Thema Naturschutz/Flächenverbrauch räumte der Aachener Wirtschaftsdezernent Manfred Sicking 2008 erstmals ein, man habe damals mit der Konzentration auf „HighTech“ falsch gelegen und zudem habe das Steuermodell nicht funktioniert, da man das EU-Recht missachtet habe.[5] Zudem wurde in der Gemeinde Heerlen und in unmittelbarer Nähe ein zweites Gewerbegebiet Trilandis angelegt.

Zunächst gab es nur wenige Unternehmen und zwei ganz oder teilweise leere Bürogebäude. Im Jahr 2008 siedelte sich die multinationale Unternehmensberatung Capgemini im Gewerbepark an. Im Jahr 2005 kamen Solland Solar Energy (der größte niederländische Produzent von Solarzellen) und Electrical Naebers hinzu. 2013 kaufte die Honold Logistik Gruppe 82.000 m² Fläche, um eine 44.000 m² große Logistikimmobilie zu erstellen. Weitere Nachfrage verzeichnet der Gemeindepark inzwischen in Folge wesentlicher Änderungen im Bebauungsplan. Die Continental AG eröffnete ein Reifenlager. Avantis gewinnt aufgrund der großen verfügbaren Flächen an Bedeutung speziell im Bereich e-Commerce. 2015 eröffnete die Online-Versandapotheke DocMorris auf etwa 16.000 m² ihre neue Logistik- und Verwaltungszentrale.[6] Ende 2021 hat der Online-Riese Amazon ein Verteilzentrum im Gewerbepark eröffnet.[7]

Am 5. Dezember 2010 erschien in der Aachener Zeitung ein ausführlicher Artikel, der die Planungsfehler um Avantis und ihre Folgen offenlegt.[8] Im Editorial des Heftes 1/2011 der renommierten Fachzeitschrift Naturschutz und Landschaftsplanung greift Schriftleiter Eckhard Jedicke den Fall auf.[9] Er fordert „mehr Offenheit und Ehrlichkeit“ bei Chancen und Risiken von Bauprojekten und nennt Avantis als Negativbeispiel. Politiker hätten „den Menschen dort offensichtlich ein Wolkenkuckucksheim versprochen, ein Luftschloss“.

Die Streetscooter GmbH baute 2014 im Gewerbepark Avantis eine Teststrecke für seine Zustellfahrzeuge, die später unter dem Namen Deutsche Post DHL Innovationspark geführt wird.

 
Via Avantis

Seit 2011 gab es Pläne, die teilweise stillgelegten Bahnstrecke Schaesberg-Simpelveld und Bahnstrecke Aachen–Maastricht zu reaktivieren sowie eine Neubaustrecke (Via Avantis) durch Avantis zu errichten, um den Gewerbepark besser an den öffentlichen Personennahverkehr anzubinden, wobei sich die Reaktivierung des stillgelegten Abschnitt zwischen Richterich und Vetschau als sehr schwierig gestaltet. Im Flächennutzungsplan von Avantis wurde der Bau dieser Strecke bereits berücksichtigt[10] und die neue Bahnstrecke sollte im Dezember 2016 in Betrieb genommen werden.[11] Die Pläne dazu sind jedoch über reine Absichtserklärungen nicht hinausgekommen und stattdessen wurden Alternativen ins Gespräch gebracht.[12]

Seit 2018 favorisiert die niederländische Seite den Ausbau der Bahnstrecke Sittard–Herzogenrath und die Provinz Limburg kürzte 2019 die Finanzmittel für die Reaktivierung der Strecke über Kerkrade-Zentrum, Spekholzerheide sowie die Neubaustrecke Via Avantis Richtung Vetschau.[13] Somit rückte ein Schienenanschluss für Avantis in weiter Ferne, jedoch ist das Projekt als „langfristige Maßnahme“ im aktuellen Nahverkehrsplan des Zweckverband Nahverkehr Rheinland enthalten und die geplante Trasse wird freigehalten.[14]

Seit dem 1. April 2012 wird Avantis von der AVV-Linie 74 der ASEAG angefahren,[15] teilweise als Anruf-Linien-Taxi.[16] Des Weiteren wird Avantis von zwei Buslinien der Arriva Personenvervoer Nederland angebunden.

Linie Betreiber Verlauf
74 ASEAG Aachen Hbf – Elisenbrunnen – Aachen Bushof – Ponttor – Westbahnhof – Gewerbegebiet Avantis (D / NL)

10

Arriva HeerlenKerkrade Parkstad Stadion – Trilandis – Avantis

46

Arriva Kerkrade Parkstad Stadion – Trilandis – Avantis

643

Arriva Vaals Busstation – LemiersBocholtzAvantisHeerlenZuyd Hogeschool
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Einzelnachweise

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  1. Aachener Volkszeitung, 25. April 1991
  2. C. Mayr: Landschaftsmord mit Steuermitteln? In: Kosmos, Heft 7/1998, S. 94–95
  3. WDR-Fernsehen, 20. April 1999, 20.15 Uhr
  4. Aachener Zeitung, 19. April 2006
  5. WDR 5, Leonardo, 21. März 2008
  6. DocMorris baut auf das grenzüberschreitende Gewerbegebiet Avantis. Aachener Zeitung vom 8. Oktober 2014.
  7. Betrieb im Amazon-Verteilzentrum wie geplant angelaufen.Aachener Zeitung vom 15. Dezember 2021.
  8. Marlon Gego: Die fast vergessene Industrieruine auf der Grenze. In: Aachener Zeitung. 4. Dezember 2010, abgerufen am 15. Juli 2019.
  9. Eckhard Jedicke: Ehrlichkeit statt Wolkenkuckucksheim. In: Naturschutz und Landschaftsplanung. Ausgabe 01/2011, 2011, ISSN 0940-6808, S. 1 (nul-online.de [abgerufen am 15. Juli 2019]).
  10. Via Avantis (Memento vom 14. September 2013 im Internet Archive) auf den Seiten des Projekts Know Linx (niederländisch).
  11. Vorlage FB 61/0604/WP16 der Stadt Aachen vom 25. Januar 2012.
  12. Udo Kals: An Avantis vorbei direkt von Aachen nach Maastricht. In: Aachener Zeitung vom 10. April 2014.
  13. Provincie schrapt 100 miljoen op mobiliteitsbeleid (Memento des Originals vom 17. Februar 2022 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.1limburg.nl, Jean van Hoof, 1Limburg, 18. Dezember 2019.
  14. Regionaler Fachbeitrag Öffentlicher (Schienen-)Personennahverkehr und Multimodalität zum Regionalplan Köln. (pdf) Zweckverband Nahverkehr Rheinland, 19. Februar 2019, abgerufen am 25. Februar 2019.
  15. Aachener Verkehrsverbund (Hrsg.): Neue Direktverbindung ins Gewerbegebiet AVANTIS (Archivmeldung).
  16. Linienfahrplan AVV-Linie 74. Abgerufen am 14. April 2021.

Koordinaten: 50° 50′ 3,5″ N, 6° 1′ 13,7″ O