Ein σ-Ring oder auch σ-Mengenring ist ein spezielles Mengensystem, das eine wichtige Rolle in der Maßtheorie spielt. Ein σ-Ring ist ein σ-vereinigungsstabiles Mengensystem, das zusätzlich abgeschlossen bezüglich Differenzbildung ist.

Definition Bearbeiten

Sei   eine beliebige Menge. Ein Mengensystem   auf  , also eine Menge von Teilmengen von  , heißt σ-Ring (über  ), wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind:

  1.  : Der σ-Ring enthält die leere Menge.
  2.   (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich abzählbaren Vereinigungen).
  3.   (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Differenz).

Beispiele Bearbeiten

  • Einfaches Beispiel für einen σ-Ring ist  , sie ist der kleinst mögliche σ-Ring.
  • Ein weiteres Beispiel ist die Potenzmenge  , sie ist der größt mögliche σ-Ring über einer gegebenen Menge  .
  • Ist nun   ein beliebiges Mengensystem über der Menge  , so ist
 
der von   erzeugte σ-Ring. Er ist der kleinste σ-Ring über  , der   enthält.
  • Das System aller abzählbaren Teilmengen einer Grundmenge  , also das Mengensystem
 ,
ist ein σ-Ring über  . Bei überabzählbarer Grundmenge ist dieses System keine σ-Algebra.

Eigenschaften Bearbeiten

In einem σ-Ring sind abzählbare Durchschnitte wieder im σ-Ring enthalten, denn es gilt

 

für jede Folge   im σ-Ring.

Damit sind auch endliche Schnitte und Vereinigungen im σ-Ring enthalten. Ebenso ist für jede Mengenfolge   im σ-Ring   auch wieder Limes superior und Limes inferior der Mengenfolge wieder in  :

  und  .

Des Weiteren lässt sich jede abzählbare Vereinigung von beliebigen Mengen aus   als abzählbare Vereinigung von disjunkten Mengen aus   schreiben. Dies ist insbesondere für die Untersuchung von Mengenfunktionen auf σ-Additivität wichtig.

Operationen Bearbeiten

Durchschnitte von σ-Ringen Bearbeiten

Der Durchschnitt   zweier σ-Ringe   und   über   ist stets wieder ein σ-Ring. Denn sind  , so ist

  •  , da  , sowie
  •  , da  .

Somit ist auch  , der Durchschnitt der σ-Ringe ist also differenzstabil. Die Stabilität bezüglich der abzählbaren Vereinigungen folgt analog.

Die Aussage gilt ebenso für den Schnitt einer beliebigen Anzahl von σ-Ringen über  , da sich die obige Argumentation dann auf alle dieser σ-Ringe ausweiten lässt. Somit gilt: Ist   eine beliebige Indexmenge und sind   für alle   σ-Ringe über derselben Grundmenge  , so ist der Schnitt aller dieser σ-Ringe wieder ein σ-Ring   über  :

 .

Vereinigungen von σ-Ringen Bearbeiten

Die Vereinigung   zweier σ-Ringe   und   über   ist im Allgemeinen kein σ-Ring mehr. Betrachtet man beispielsweise die beiden σ-Ringe

 

sowie

 

über  , so ist

 .

Dieses Mengensystem ist aber nicht vereinigungsstabil, da es   nicht enthält, und somit auch kein σ-Ring.

Produkte von σ-Ringen Bearbeiten

Sind   und   σ-Ringe über   bzw.  , so ist das Produkt   von   und   im Allgemeinen kein σ-Ring (über  ) mehr. Denn betrachtet man den σ-Ring

 ,

über  , so enthält das Mengensystem   sowohl die Mengen

  als auch  .

Die Menge

 

ist jedoch nicht in   enthalten, da sie sich nicht als kartesisches Produkt zweier Mengen aus   darstellen lässt. Das Produkt ist somit nicht differenzstabil und damit auch kein σ-Ring.

Spur eines σ-Ringes Bearbeiten

Die Spur eines σ-Ringes   bezüglich einer Menge  , also das Mengensystem

 

ist immer ein σ-Ring, unabhängig von der Wahl von  .

Beziehung zu verwandten Strukturen Bearbeiten

 
Hierarchie der in der Maßtheorie verwendeten Mengensysteme

σ-Algebren Bearbeiten

Ein σ-Ring, der die Grundmenge   enthält, ist eine σ-Algebra (und damit auch eine Algebra). Somit ist jede σ-Algebra ein σ-Ring, die Umkehrung ist aber im Allgemeinen falsch. Beispiel für einen σ-Ring, der keine σ-Algebra ist, ist der im obigen Abschnitt Beispiele zuletzt genannte σ-Ring.

Ringe Bearbeiten

Jeder σ-Ring ist ein Ring und damit auch ein Halbring und ein Mengenverband. Die Umkehrungen gelten im Allgemeinen nicht. Beispiel eines Ringes, der kein σ-Ring ist, wäre das Mengensystem aller endlichen Teilmengen bei einer abzählbar unendlichen Grundmenge.

δ-Ringe Bearbeiten

Jeder σ-Ring ist auch immer ein δ-Ring, denn wie im Abschnitt Eigenschaften gezeigt wurde, sind σ-Ringe immer auch stabil bezüglich abzählbaren Schnitten. Umgekehrt sind δ-Ringe jedoch im Allgemeinen keine σ-Ringe. Betrachtet man zum Beispiel eine beliebige abzählbare Menge   und definiert darauf das Mengensystem aller endlichen Mengen

 ,

so handelt es sich um einen δ-Ring, da abzählbare Schnitte endlicher Mengen wieder endlich sind. Es ist aber kein σ-Ring, denn abzählbare Vereinigungen von endlichen Mengen sind im Allgemeinen nicht endlich.

Monotone Klassen Bearbeiten

Jeder Ring, der eine monotone Klasse ist, ist ein σ-Ring. Denn sind die Mengen   im Ring enthalten, so ist auch

 

aufgrund der Eigenschaften des Ringes wieder im Mengensystem enthalten. Die Mengen   bilden aber eine monoton wachsende Mengenfolge, daher ist ihr Grenzwert

 

aufgrund der Eigenschaften der monotonen Klasse auch im Mengensystem enthalten. Das Mengensystem ist also abgeschlossen bezüglich abzählbaren Vereinigungen. Somit ist die von einem Ring erzeugte monotone Klasse immer ein σ-Ring.

Umgekehrt ist jeder σ-Ring aufgrund seiner Stabilität bezüglich abzählbaren Vereinigungen und Schnitten immer auch eine monotone Klasse.

Literatur Bearbeiten