Wahlwies

Ortsteil von Stockach, Baden-Württemberg, Deutschland

Wahlwies ist ein Stadtteil von Stockach im baden-württembergischen Landkreis Konstanz in Deutschland.

Wahlwies
Stadt Stockach
Ehemaliges Wappen der Gemeinde Wahlwies
Koordinaten: 47° 49′ N, 8° 58′ OKoordinaten: 47° 48′ 54″ N, 8° 58′ 2″ O
Höhe: 424 m ü. NHN
Fläche: 9 km²
Einwohner: 2160
Bevölkerungsdichte: 240 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1975
Postleitzahl: 78333
Vorwahl: 07771
Lage im Stadtgebiet
Lage im Stadtgebiet
Wahlwies von Westen

Geographie Bearbeiten

Lage Bearbeiten

Die ehemals selbständige Gemeinde Wahlwies liegt rund fünfeinhalb Kilometer südwestlich der Stockacher Stadtmitte. Durch den Ort fließt die Stockacher Aach, der hier der Krebsbach zufließt, dem Bodensee zu, im Westen erhebt sich der bis zu 634,8 m ü. NHN hohe Roßberg.

Nachbarorte Bearbeiten

Nordöstlich von Wahlwies liegt der Hauptort Stockach, östlich der Stadtteil Espasingen, im Süden der Radolfzeller Stadtteil Stahringen, im Südwesten die Gemeinde Steißlingen und im Nordwesten die Gemeinde Orsingen-Nenzingen.

Schutzgebiete Bearbeiten

In Wahlwies sind das FFH-Gebiet Westlicher Hegau (Schutzgebiet-Nummer DE-8218-341), das Naturschutzgebiet Schanderied (3.117), das Landschaftsschutzgebiet Schanderied (3.35.013) sowie diverse Biotope ausgewiesen.[1]

Geschichte Bearbeiten

 
Wahlwies in einer Karte aus der Mitte des 18. Jahrhunderts

Die ältesten Nachweise einer Besiedlung des Gebiets in Wahlwies sind neolithische Funde aus dem dritten Jahrtausend vor Christus: Im Bogental, nördlich der heutigen Ortsmitte, wurden bei Grabungen Anfang des 20. Jahrhunderts zehn Grabhügel untersucht und ein menschliches Skelett mit Beigaben (Armschutzplatte und Glockenbecher) entdeckt.

Zwischen 1926 und 1953 wurden nordöstlich des alten Dorfkerns von Wahlwies im Gewann Hafenäcker mehrere Gräber der Urnenfelder- und Hallstattzeit entdeckt.

In den Jahren 2006 bis 2009 wurden Fundamente eines römischen Gebäudes, wahrscheinlich ein römischer Gutshof, freigelegt und untersucht: Es handelt sich bei den freigelegten Zweischalenmauern um das etwa einen Meter breite und einen Meter tief gegründete Fundament eines rund 16,5 m langen und 13,8 m breiten Gebäudes. Neben Stücken von Leistenziegeln konnten auch wenige Keramikscherben geborgen werden. Der Fund einer Bronzemünze mit dem vermutlichen Porträt des römischen Kaisers Marc Aurel (161–180 n. Chr.) erlaubt die Annahme, dass das Haus im Laufe des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts errichtet wurde.[2]

Wahlwies wurde nach der Unterwerfung Alemanniens durch die Franken um die Mitte des 8. Jahrhunderts von fränkischen Kolonisten gegründet.[3]

Die erste Nennung erfolgte in einer am 21. April 839 in Bodman durch Ludwig den Frommen (778–840) abgefassten Urkunde als Walahwis. Aus dieser Urkunde ist ersichtlich, dass der Ort aus fränkischem Besitz an die Reichenau kam.[4]

915 kämpften bei Wahlwies die schwäbischen Grafen Erchanger und Berthold gegen die Anhänger König Konrads I. um die Wiederherstellung des schwäbischen Herzogtums.

Wahlwies war alemannischer Herzogsbesitz, später im Besitz zahlreicher Adelsfamilien sowie der Klöster St. Georgen im Schwarzwald und St. Blasien. In Wahlwies wurden Landtage des schwäbischen Herzogs abgehalten. Vielleicht örtlicher Niederadel im 13./14. Jahrhundert Niedergerichtsherrschaft seit dem 15. Jahrhundert in Händen der Herren von Bodman, vorher der Herren von Homburg. Steuerte zur Ritterschaft, den Blutbann hatten die von Bodman als nellenburgisches Lehen und Nellenburg selbst je zur Hälfte.

1806 kam Wahlwies an das Königreich Württemberg, 1810 zum Großherzogtum Baden.[5]

Am 1. Januar 1975 wurde Wahlwies nach Stockach eingemeindet. Mit 2160 Einwohnern ist Wahlwies heute der größte Stadtteil Stockachs.

Ortsname Bearbeiten

Der Ortsname ist nicht sicher zu deuten, eventuell eine Ableitung vom althochdeutschen walah = Romane, Welscher; 839 „Vvalahvis“, 946 „Vvalavvis“, 1247 „Walewis“.

Wappen Bearbeiten

 
Wappen der ehemaligen Gemeinde Wahlwies
Blasonierung: „Unter goldenem (gelbem) Schildhaupt, darin eine liegende fünfendige blaue Hirschstange, gespalten, vorne in Rot zwei schräggekreuzte goldene Schwerter, hinten in Silber drei sinkende grüne Lindenblätter.“[6]
Wappenbegründung: Die Hirschstange symbolisiert die frühere Zugehörigkeit des Ortes Wahlwies zur Grafschaft Nellenburg, die zwei gekreuzten Schwerter weisen auf die Schlacht bei Wahlwies im Jahr 915 hin, und die drei Lindeblätter sind dem Stammwappen der Grafen von Bodman-Möggingen, über Jahrhunderte Grundherren in Wahlwies, entnommen.

Wirtschaft und Infrastruktur Bearbeiten

Soziale Einrichtungen Bearbeiten

 
Luftaufnahme des Pestalozzi Kinder- und Jugenddorfs

Das 1947 gegründete und nach Johann Heinrich Pestalozzi benannte Pestalozzi Kinder- und Jugenddorf in Wahlwies, das älteste Kinderdorf Deutschlands, ist ein pädagogisch gestalteter Lebensort für Kinder und Jugendliche. Die Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe soll allgemein günstige Lebens- und Entwicklungsbedingungen schaffen und helfen, die Folgen individueller und/oder sozialer Probleme der betreuten Kinder und Jugendlichen zu bearbeiten, zu bewältigen und zu überwinden.[7]

Bildungseinrichtungen Bearbeiten

Neben einer Grundschule und einer freien Waldorfschule sind in der Dr.-Erich-Fischer-Schule des Pestalozzi-Kinderdorfs zwei Schultypen zu Hause: die staatlich anerkannte Schule für Erziehungshilfe (SfE) mit den Bildungsgängen Grund-, Haupt- und Förderschule sowie die Einjährige Sonderberufsfachschule.

Postwesen Bearbeiten

Stockach war schon im 16. Jahrhundert eine bedeutende Poststation. Über Jahrhunderte liefen hier große, zwischenstaatliche Reiter- und Postkurse der Strecken Ulm-Basel, Stuttgart-Zürich und Wien-Paris zusammen. 1845 zählte die hiesige Posthalterei noch 60 Pferde.[8]

Privatpersonen mussten vor 1821 ihre Post auf der Stockacher Postanstalt selbst abgeben. Dann entstand durch die Einrichtung einer Amtsbotenanstalt die Möglichkeit, dass Privatpersonen ihre Post einem Amtsboten übergeben konnten. Dieser brachte die Post anfangs zweimal, später dreimal wöchentlich zur Stockacher Postexpedition. In den 1850er Jahren wurde die Amtbotenanstalt aufgrund stetig zunehmendem Schriftverkehr aufgehoben, ihre Dienste der Post übertragen und zum 1. Mai 1859 die Landpostanstalt ins Leben gerufen. Im Amtsbezirk Stockach wurde unter anderem folgender Botenbezirk eingerichtet:

Poststücke, die in die jeweilige Brieflade vor Ort eingeworfen worden waren, wurden vor der Weiterleitung vom Postboten mit einem Uhrradstempel, in Wahlwies mit der 21., versehen.[9]

Am 21. Mai 1985 erteilten die Philatelisten-Vereine der Wahlwieser Poststelle die Berechtigung sich Philatelistisches Postamt zu nennen.[10]

Verkehr Bearbeiten

 
Zeppelin NT in Wahlwies (2017)

Wahlwies liegt etwa zweieinhalb Kilometer südwestlich des Kreuzungsbereichs der Bundesautobahn 98/Anschlussstelle Stockach-West (Autobahnkreuz HegauÜberlingen) mit der Bundesstraße 313 (Plochingen → Espasingen). Durch Wahlwies verlaufen die Kreisstraßen 6117 (Orsinger-/Stahringer Straße), 6118 (Espasinger Straße) und 6165 (Leonhardstraße).

Südlich von Wahlwies liegt der Flugplatz Radolfzell-Stahringen. Der Sonderlandeplatz ist für Segelflugzeuge, Motorsegler, Ultraleichtflugzeuge und Motorflugzeuge mit einem zulässigen Höchstabfluggewicht von bis zu zwei Tonnen zugelassen.[11]

Öffentlicher Personennahverkehr Bearbeiten

Durch seinen Haltepunkt an der Bahnstrecke Radolfzell–Mengen, auf der das sogenannte seehäsle zwischen Stockach und Radolfzell verkehrt, ist Wahlwies an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Der Fracht- und Güterverkehr war bereits Mitte Mai 1961 durch einen Beschluss der Deutschen Bundesbahn eingestellt worden.[12]

Die Linien 106, 400 und 401 (vormals 7363 und 7369) des Verkehrsverbundes Hegau-Bodensee bieten von mehreren Haltestellen in Wahlwies Busverbindungen nach Bodman-Ludwigshafen, Eigeltingen, Singen und Stockach.[13]

Wanderwege Bearbeiten

Neben einigen (über)regional ausgewiesenen Wanderwegen durch Wahlwies ist der Ort auch Station des Wegs der Revolutionäre, der den Heckerzug der Revolutionäre von 1848/49 nachzieht. Informationstafeln an der Gedenkstätte und am Gasthaus Zum Adler erinnern an den Wahlwieser Arzt und Revolutionär Dr. Johann Gegauf sowie den Treffpunkt der Revolutionäre in Wahlwies.[14]

Pegel Wahlwies / Stockacher Aach Bearbeiten

Oberhalb der Leonhardstraße, bei Flusskilometer 8,482, befindet sich der Pegel Wahlwies / Stockacher Aach der Hochwasser-Vorhersage-Zentrale Baden-Württemberg und der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW); Betreiber ist das Regierungspräsidium Freiburg, die Pegelnullpunkthöhe liegt bei 417,88 m ü. NHN.

Statistische Werte
Stand / Abfluss[15] m m³/s
Niedrigster Abfluss der Jahre 1987–2003; 10. November 1987 0,03
Mittelwert niedrigster jährlicher Abfluss 0,45
Mittelwert Abfluss 1,28
Historischer Höchststand; 19. Mai 1994 1,70

Kultur und Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

  • Die katholische Kirche St. Germanus und Vedastus wurde um 1882 erbaut.
  • Die nach 1400 erbaute St. Leonhard-Kapelle ist das älteste Gebäude in Wahlwies.
  • Die evangelische Johanneskirche wurde 1955 geweiht und 1994 grundlegend renoviert.
  • Burg Wahlwies

Persönlichkeiten Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Wahlwies – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Schutzgebietsverzeichnis/Steckbriefauswahl der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW); abgerufen am 6. November 2018
  2. Jürgen Hald: Römische Siedlungsreste in der Flur „Hafenäcker“ bei Wahlwies. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2009. Stuttgart, 2010, S. 187ff.
  3. Fredy Meyer: Wahlwies – Kurzer ortsgeschichtlicher Abriss; abgerufen am 5. November 2018.
  4. Jürgen C. Tesdorpf: Zur Frage der keltoromanischen Bevölkerungreste und der fränkischen Einflußnahme im Hegau. In: Hegau – Zeitschrift für Geschichte, Volkskunde und Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein, Donau und Bodensee. Selbstverlag des Hegau-Geschichtsvereins Singen e. V., Heft 1 (25), Singen (Hohentwiel), 1968, S. 7–63.
  5. Das Land Baden-Württemberg. Band VI. S. 782f
  6. Wappenbeschreibung bei „Heraldy of the world“; abgerufen am 28. Januar 2024.
  7. Liste der Betreuungseinrichtungen in Stockach (Memento des Originals vom 5. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stockach.de.
  8. Infotafel am heutigen Stockacher Postgebäude in der Schillerstraße
  9. Edwin Fecker: Der Landpostbezirk von Stockach im Rundschreiben Nr. 140 der „Arbeitsgemeinschaft Baden“ im Bund Deutscher Philatelisten e.V. (BDPh), Herbst 2004; Seite 1713ff
  10. Heimatchronik der Stadt Stockach und ihrer Stadtteile. In: Hegau – Zeitschrift für Geschichte, Volkskunde und Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein, Donau und Bodensee. Selbstverlag des Hegau-Geschichtsvereins Singen e. V. Jahrbuch 1992/93, S. 380.
  11. AIP VFR, Deutsche Flugsicherung, 2018
  12. Heimatchronik. In: Hegau – Zeitschrift für Geschichte, Volkskunde und Naturgeschichte des Gebietes zwischen Rhein, Donau und Bodensee. Selbstverlag des Hegau-Geschichtsvereins Singen e. V., Heft 1/2 (11/12) 1961, S. 196.
  13. Fahrpläne (Memento des Originals vom 22. September 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.vhb-info.de des Verkehrsverbundes Hegau-Bodensee, abgerufen am 6. November 2018.
  14. Der Hecker-Zug bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, abgerufen am 6. November 2018.
  15. Angaben auf der Internetseite der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg, abgerufen am 6. November 2018.