Vesica piscis

Linsenform aus einer Schnittmenge zweier Kreise, in die zwei gleichseitige Dreiecke mit gemeinsamer Basis hineinpassen

Vesica piscis (lat. für „Fischblase“) steht für eine geometrische Figur, die die linsenförmige Schnittfläche zweier gleich großer Kreise darstellt, die so relativ zueinander liegen, dass der Mittelpunkt jedes Kreises auf dem anderen Kreis liegt, so dass der Abstand zwischen den beiden Mittelpunkten gleich dem Kreisradius r ist. Dies bedingt, dass in die Linsenkontur zwei gleichseitige Dreiecke mit einer gemeinsamen Seite der Länge r hineinpassen.

Vesica piscis ist die Schnittfläche von zwei kongruenten Kreisflächen, wobei der Mittelpunkt eines Kreises jeweils auf dem Rand des anderen Kreises liegt.

Diese geometrische Figur findet in der Sakralarchitektur häufige Verwendung und wird dort als Mandorla (it. für „Mandel“) bezeichnet. Sie umschließt mit ihren äußeren Konturen oftmals eine Heiligenfigur. Auch als Ornament in Fenstern von Gebäuden aus der Gotik wird sie verwendet. Euklid soll diese Figur als erster beschrieben haben.[1]

Berechnung

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Verdeutlichung der im Text genannten Flächenanteile: Gleichseitiges Dreieck und 60°-Kreissegment

Das Verhältnis von Längs- zu Querdurchmesser der Linsenfigur ist entsprechend der Trigonometrie der beiden gleichseitigen Dreiecke gleich  . Die Quadratwurzel aus 3 liegt nach Archimedes zwischen den angenäherten Bruchzahlen:

 [2]

Die Flächen berechnen sich wie folgt:

r ist der Kreisradius und gleichzeitig die Seitenlänge der beiden inwendigen gleichseitigen Dreiecke, also hiermit der kleinere der beiden Durchmesser der Linse.

Hieraus lässt sich die Fläche des Sektors berechnen, der sich aus einem Kreissegment mit 1/6 des Kreisumfanges (nämlich 60° von 360°) und einem inwendig befindlichen gleichseitigen Dreieck zusammensetzt:

 

Die Fläche des gleichseitigen Dreieckes erschließt sich wie folgt aus dem Wert für r:

 .

Die Fläche eines Segmentes ergibt sich aus der Differenz zwischen diesen beiden Flächen:

 

Aus der Fläche der beiden Dreiecke und vier Segmente ergibt sich die Fläche der Vesica piscis:

 
Rechenschritte zur Ermittlung der Fläche (ausklappbar)

Aus den oben bereits ermittelten Teilflächen ergibt sich die Fläche der Vesica piscis über folgende Schritte:

 

Ausklammern von   und Ausmultiplizieren der Anzahl der Teilfiguren:

 

Mit gleichnamigen Brüchen:

 

Ersten und dritten Summanden zusammengefasst:

 

Ausklammern von  

 

Wegen der Verwendung der Quadratwurzel aus der Zahl drei und der Zahl π – zweier irrationaler Zahlen – lässt die Fläche sich numerisch nur näherungsweise angeben.[2]

Vesica piscis und Goldener Schnitt

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  teilt   im Goldenen Schnitt.

Die abgebildete Gesamtfigur enthält eine Vesica-piscis-Figur, die von den Bogenpaaren der beiden kleineren Kreise umrandet ist.

In der abgebildeten Figur sind zwei Kreise mit dem Radius   und den Mittelpunkten   und   sowie zwei weitere Kreise mit dem doppelt so großen Radius   und denselben Mittelpunkten   und   dargestellt. Der Mittelpunkt der Strecke   sei  .   und   seien die Schnittpunkte der beiden kleineren und   einer der Schnittpunkte der beiden größeren Kreise, so dass  ,   und   auf einer gemeinsamen Geraden liegen.

Dann gilt  , also teilt der Punkt   die Strecke   im Goldenen Schnitt.

Beweis:

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit wird   gewählt. Dann gelten die Beziehungen   und  .

Da   und   gleichseitige Dreiecke mit der Seitenlänge   sind und jeweils die Höhe   haben, gilt nach dem Satz des Pythagoras  , also  .

Da   ein gleichschenkliges Dreieck mit der Grundseitenlänge   und der Schenkellänge   ist und die Höhe   hat, gilt nach dem Satz des Pythagoras  , also  .

 .

Somit teilt der Punkt   die Strecke   im Goldenen Schnitt.[3][4]

Weiterführendes

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Commons: Vesica piscis – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Johann Friedrich Lorenz: Euklid’s Geometrie oder die sechs ersten Bücher der Elemente nebst dem elften und zwölften. Waisenhaus-Buchhandlung, Halle / Berlin 1818, Erstes Buch: Der 1. Satz. Aufgabe. …, S. 5 (babel.hathitrust.org).
  2. a b Thomas Little Heath: The Works of Archimedes. Cambridge University 1897, S. lxxx, 80 (englisch, archive.org).
  3. Claudi Alsina, Roger B. Nelsen: Perlen der Mathematik: 20 geometrische Figuren als Ausgangspunkte für mathematische Erkundungsreisen. Springer, 2015, ISBN 978-3-662-45461-9, S. 136 und 137
  4. Kurt Hofstetter: A Simple Construction of the Golden Section. (PDF) Forum Geometricorum Volume 2, 2002, S. 65–66, abgerufen am 12. November 2022 (englisch).