Diatonische Intervalle
Prime
Sekunde
Terz
Quarte
Quinte
Sexte
Septime
Oktave
None
Dezime
Undezime
Duodezime
Tredezime
Halbton/Ganzton
Besondere Intervalle
Mikrointervall
Komma
Diësis
Limma
Apotome
Ditonus
Tritonus
Wolfsquinte
Naturseptime
Maßeinheiten
Cent
Millioktave
Oktave
Savart

Der Tritonus, gelegentlich auch Halboktave genannt, ist ein musikalisches Intervall, das drei Ganztöne umspannt.

Das Frequenzverhältnis des Tritonus ist 45/32 ≙ 590 Cent (in gleichstufiger Stimmung 600 Cent).

Beispiel 1: Tritonus f’–h′ aufwärts und abwärts:

 {
   \new Staff  \with { \remove "Time_signature_engraver" } {  \clef violin \key c \major  << { f'2} >> << {b'2} >>  << { b'2} >> << {f'2} >> }
}

Beispiel 2: Hier ist im ersten Akkord, dem Dominantseptakkord G H D F, das Intervall f' h' ein Tritonus. Der erste Ton des Intervalls f' fällt bei der Auflösung in die Terz der Tonika, der zweite Ton h' steigt in den Grundton der Tonika.

 {
 \new PianoStaff <<
   \new Staff  \with { \remove "Time_signature_engraver" } {  \clef violin \key c \major  << { d'2} {f'2 } { b'2 } >> << {e'2} {g'2} {c''2} >> }
   \new Staff  \with { \remove "Time_signature_engraver" } {  \clef bass   \key c \major  << { g2  } >> <<{c2} >> } 
>> }

Beispiel 3 Schluss von „Wer nur den lieben Gott lässt walten“. Hier enthält der Quintsextakkord der II. Stufe (Doppeldominante) den Tritonus as' d''.

Beispiel 4 Chaconne von J. S. Bach BWV 1004. Das Intervall b' e'' auf der ersten Zählzeit nach dem ersten Taktstrich ist der Tritonus als übermäßige Quarte, der folgende Akkord enthält das Tritonus-Komplementärintervall der verminderten Quinte cis' g'.

 
{ \new Staff   \key d \minor \time 3/4 \partial 2
<d' f' a'>4. <d' f' a'>8 <d' g' bes' e''>4 <cis' g' a' e''>4. <cis' g' a' e''>8 <d' f' a' f''>4 }

Das Wort Tritonus setzt sich aus den altgriechischen Wörtern tri- („drei“) und tónos („Spannung“, sc. der Saite, daraus metonymisch „Ton“) zusammen. Im Lateinischen wird daraus tritonus, woraus sich der Plural Tritoni ergibt.[Anm. 1]

Obwohl der Tritonus in diatonischen Tonleitern enthalten ist, wird er als übermäßige Quarte, also als chromatische Variante der reinen Quarte aufgefasst und somit nicht zu den diatonischen Intervallen gerechnet. Streng genommen gilt die Bezeichnung Tritonus nur für die übermäßige Quarte (zum Beispiel F–H), da nur sie durch drei diatonische Ganztonschritte (F–G, G–A und A–H) darstellbar ist. Es ist jedoch üblich, auch die verminderte Quinte – das Komplementärintervall zur übermäßigen Quarte, zum Beispiel H-C-D-E-F (Halbton + Ganzton + Ganzton + Halbton) – als Tritonus zu bezeichnen, da sie in der Summe ebenfalls drei Ganztöne umfasst.[Anm. 2]

Der Tritonus wurde früher wegen der mit ihm verbundenen gesangstechnischen und harmonischen Probleme[Anm. 3] auch der Teufel in der Musik (lateinisch diabolus in musica) oder Teufelsintervall genannt.[Anm. 4]

Auflösung des Tritonus

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In der europäischen Musik galt der Tritonus seit jeher als sehr instabiles Intervall, das anfangs völlig gemieden und später zumindest als unbedingt auflösungsbedürftig empfunden wurde. Diese Auflösungsbedürftigkeit sorgt dafür, dass der Tritonus einen stark dominantischen Charakter hat und seine Bestandteile als Leittöne fungieren. Die Art der Auflösung hängt davon ab, ob man den Tritonus als übermäßige Quarte oder verminderte Quinte deutet. Letztere löst sich standardmäßig „nach innen“, erstere „nach außen“ auf.

verminderte Quinte mit Auflösung  

übermäßige Quarte mit Auflösung  

Wissenswertes

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  • Innerhalb der gleichstufigen Stimmung halbiert der Tritonus (= 6 Halbtöne) genau eine Oktave (= 12 Halbtöne).
  • Im Quintenzirkel bilden die Grundtöne sich diametral gegenüberliegender Tonarten stets einen Tritonus (größtmögliche harmonische Distanz).
  • Harmonisch gesehen kommt in jedem Dominantseptakkord ein Tritonus zwischen dem Terz- und dem Septimton vor, z. B. H–F bei G7.
  • Im Jazz wird der Tritonus sehr häufig verwendet und spielt auch bei der Reharmonisierung von Musikstücken als sogenannte Tritonussubstitution eine wichtige Rolle.
  • Im Blues gilt ein „schwebender“ Ton (siehe Blue Notes) zwischen Tritonus und reiner Quint als stilbildendes Intervall.
  • In der Barockzeit ist der (unnatürliche) Gang einer Stimme in einen Tritonus eine Form des passus duriusculus (harter Gang). Analog dazu wird der Sprung in ein meist vermindertes Intervall (z. B. Tritonus) saltus duriusculus (harter Sprung) genannt. Solche durezze (= Härten) erklären sich oft durch die Thematik. Ein passus duriusculus steht oft für das Übertreten einer Grenze oder das Erreichen von Unmöglichem sowie bei unerträglichen und schmerzlichen Dingen.

Unterschiedliche Formen des Tritonus

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In der folgenden Tabelle werden neben dem gleichstufigen Tritonus einige in der Obertonreihe natürlich vorkommende Tritonusintervalle aufgelistet:

Bezeichnung Frequenzverhältnis Größe in Cent
gleichstufiger Tritonus   600,00
übermäßige Quarte, diatonischer Tritonus (f–h) 45:32 590,22
verminderte Quinte (h–f) 64:45 609,78
verminderte Quinte (g–des) 17:12 603,00
pythagorëische übermäßige Quarte, pythagorëischer Tritonus 729:512 611,73
pythagorëische verminderte Quinte 1024:729 588,27
Huygens’ Tritonus (auch BP Quarte[Anm. 5] genannt)[1] 7:5 582,51
Eulers Tritonus[1] 10:7 617,49

Anwendungsbeispiele

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Der Tritonus kann in jeglicher Musik eingesetzt werden, die viel mit tonalen Spannungen arbeitet, da dieses Intervall stärker als viele andere nach Auflösung verlangt. Tritonushaltige Akkorde eignen sich auch besonders gut für chromatische oder enharmonische Modulationen. Oft ist der Tritonus aber auch in einer über diese alltägliche satztechnische Funktion hinausgehenden Bedeutung verwendet worden. Sein Ruf als „Teufelsintervall“ (diabolus in musica) wurde häufig genutzt, um tonsymbolisch Düsteres, Schmerzliches, Unheimliches oder Dämonisches darzustellen.

Klassische Musik

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  • Oft bei Johann Sebastian Bach, z. B. in einem Rezitativ der Matthäuspassion, das Jesu Begegnung mit einem Aussätzigen thematisiert, in der Arie aus der Kantate Nr. 170 „Mir ekelt mehr zu leben“, und im Thema der gis-Moll-Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier Band 1.
  • In Vivaldis Credo RV 591, 4. Satz, auf resurrectionem
  • In Beethovens Oper Fidelio: Paukenmotiv in der Einleitung zur Kerkerszene des 2. Aktes
  • In Mendelssohn Bartholdys Elias als Fluchmotiv
  • Chromatische Tritonusketten in beiden Händen in Chopins Klavieretüde op. 10,3 zur Vorbereitung des Höhepunktes. Hierbei wird die Tonalität praktisch aufgelöst.
  • Als Einleitung in Liszts Après une lecture du Dante
  • Beim markanten Einsatz der Solo-Violine in Saint-Saëns’ Danse Macabre op. 40; die Bedeutung im Werk ergibt sich aus dessen Titel und dem Kontext.
  • Für die unheimlichen „Lockrufe“ der Hexe im Mittelteil der Hütte der Baba Jaga in Mussorgskis Bilder einer Ausstellung
  • mehrmals im War Requiem von Benjamin Britten
  • In Richard Wagners Oper Der fliegende Holländer im Holländer-Monolog des Vorspiels, und in seinem Musikdrama Siegfried im Vorspiel und bei Gesangspassagen des Drachen Fafner (wird nicht aufgelöst)
  • Als zentrales thematisches und strukturbildendes Element in der 4. Symphonie von Jean Sibelius
  • Das 2e Concerto pour Violon von Tivadar Nachéz beginnt mit einer verminderten, fallenden Quinte (H-E#) in viermaliger, einstimmiger Wiederholung.
  • Der Anfang der Sonate op. 1 für Klavier von Alban Berg beginnt mit einer reinen Quarte, gefolgt von einem Tritonus (g-c-fis)

Musical, Film, TV

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Rockmusik

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Siehe auch

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Commons: Augmented fourths – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Tritonus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Anmerkungen

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  1. In einigen Wörterbüchern wird behauptet, Tritonus existiere nur als Singular. Dem steht das zahlreiche Vorkommen der Pluralform Tritoni in der Fachliteratur entgegen, wie eine entsprechende Google-Buchsuche belegt.
  2. Bei gleichstufiger Stimmung sind übermäßige Quarte und verminderte Quinte mit 600 Cent gleich groß. Anders verhält es sich in der reinen Stimmung: Den Tritonus, die übermäßige Quarte C–Fis kann man folgendermaßen intonieren:
    Zuerst die Quinte C–G, dann einen Halbton tiefer zu C–Fis.
    Das Frequenzverhältnis ist  
    Die verminderte Quinte C–Ges kann man folgendermaßen intonieren:
    Zuerst die Quarte C–F, dann einen Halbton höher zu C–Ges.
    Das Frequenzverhältnis ist  
    Die beiden Intervalle unterscheiden sich um das Diaschisma mit 20 Cent, in mitteltöniger Stimmung sogar um die kleine Diesis = 41 Cent. (Siehe Tonstruktur (mathematische Beschreibung).)
  3. Die Intonation der übermäßigen Quarte C–Fis erfolgt zum Beispiel über die (sich vorzustellende) Quinte (3/2) C–G und dann einen Halbton (16/15) G–Fis zurück. Die verminderte Quinte C–Ges erfolgt hingegen über die (sich vorzustellende) Quarte (4/3) C–F und dann einen Halbton (16/15) F–Ges danach.
  4. Übrigens hat man gelegentlich mit demselben Ausdruck auch den chromatischen Halbton h–b bezeichnet, wie z. B. Andreas Werckmeister, am Anfang des 18. Jhs.:

    „Es scheinet auch, daß die Italiäner […] heutiges Tages noch mehr Zeichen wolten einführen, welche doch nirgend zu nütze seynd, insonderheit, da sie das quadratum hinsetzen, wo es seinen Locum nicht hat [… (S. 76) …] Und weil dieser Clavis dem lateinischen h nicht gar zu ungleich aussiehet, so haben die Organisten, denselben gar den Namen H zum Unterscheide des b rotundi gegeben […] da doch hierinnen ein großer Unterscheid ist, denn Mi contra fa, est diabolus in Musica: -dur und B-moll ist ein großer Unterscheid.“

    Andreas Werckmeister: Musicalische Paradoxal-Discourse. Theodor Philipp Calvisius, Quedlinburg 1707, OCLC 21261004, S. 75–76 (in Fraktur, Transkription orthographisch leicht angeglichen, lateinische Buchstaben in der Transkription kursiv; Scan in der Google-Buchsuche)

    Im anderen Traktat von Werckmeister bezieht sich der Ausdruck „diabolus in musica“ auf anderen (auch chromatischen) Halbton f–fis (unter „Griffen“ versteht Werckmeister aller Art Zusammenstimmungen, sowohl Intervalle als auch Akkorde):

    „Bey allen Griffen nun müssen, wie schon gesagt, die Tertiae majores und minores wohl unterschieden werden. Dann wann der Sänger oder Violist zum d das fis (so der Componist gesetzet hat) anschlägt, und der Organist wolte f nehmen, so würde eine garstige Constellation („Zusammenstimmung“ wolte ich sagen) entstehen; und dies ist eigentlich das mi contra fa, wovon die Alten gesaget, est diabolus in musica. Es haben auch etliche hiermit die Tritonos verstanden und die relationes nonharmonicas, wie solches bey den alten Autoribus kann nachgeschlagen werden.“

    Andreas Werckmeister: Harmonologia musica. Theodor Philipp Calvisius, Frankfurt/Leipzig 1702, OCLC 46171904, S. 6 (in Fraktur, Transkription orthographisch leicht angeglichen, lateinische Buchstaben in der Transkription kursiv; Scan in der Google-Buchsuche
  5. Der Ausdruck BP Quarte bezieht sich auf die vierte Stufe einer diatonischen Bohlen-Pierce-Skala in reiner Stimmung (Lambda-Skala), siehe englische Wikipedia
  6. Darüber hinaus kommt der Tritonus an vielen anderen Stellen der West Side Story vor. Er ist sogar Bestandteil des aus Quarte und Tritonus bestehenden Leitmotivs, das oft in gepfiffener Form zu hören ist und den Konflikt der beiden rivalisierenden Jugendbanden Jets und Sharks symbolisiert. Die Quarte steht hierbei für die Sharks (vgl. z. B. den Song America), der Tritonus für die Jets (vgl. z. B. den Song Cool).

Einzelnachweise

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  1. a b Liste der deutschen Intervallnamen. In: huygens-fokker.org, abgerufen am 3. November 2017.