Regierungsbezirk Erfurt

preußischer Regierungsbezirk in der Provinz Sachsen

Der Regierungsbezirk Erfurt war ein preußischer Regierungsbezirk in der Provinz Sachsen mit Verwaltungssitz in Erfurt. Er wurde am 22. April 1816 gegründet[1] und 1944 de facto sowie 1945 offiziell aufgelöst.

Litho.-Karte, aus Schliebens Atlas von Europa, Prov. Sachsen. Reg. Bez. 3. Erfurt. um 1830
Sitz des Regierungspräsidenten war die vormalige Kurmainzische Statthalterei am Hirschgarten, heute die Thüringische Staatskanzlei.

Geografie Bearbeiten

Der Regierungsbezirk Erfurt umfasste Gebiete in den heutigen Bundesländern Thüringen und zu kleinen Teilen Sachsen-Anhalt (Benneckenstein, Bösenrode), Niedersachsen (Bad Sachsa, Tettenborn) und Hessen (Neuseesen, Werleshausen). Er erstreckte sich vom Harz im Norden über die vormals Freie Reichsstadt Nordhausen, das Eichsfeld und das Tal der Unstrut von Mühlhausen im Westen über Bad Langensalza und Straußfurt bis nach Weißensee und Sömmerda im Osten. Zusätzlich gehörte ein schmaler Landkorridor von Straußfurt über das Tal der Gera bis nach Erfurt und Kirchheim im Süden zum Regierungsbezirk.

Des Weiteren gehörten zwei große und zahlreiche kleinere Exklaven zum Regierungsbezirk Erfurt. Dies waren zum einen die Kreise Schleusingen im Thüringer Wald und Ziegenrück an der oberen Saale sowie die kleineren Gebiete um Mühlberg bei Gotha, Benneckenstein im Harz (bis 1932), Kamsdorf bei Saalfeld, Blankenberg, Sparnberg, Gefell und Blintendorf im Vogtland an der oberen Saale.

Angrenzende Territorien waren Hannover im Nordwesten, Braunschweig im Norden, der Regierungsbezirk Merseburg im Nordosten, die von preußischen Gebieten umschlossene Schwarzburger Unterherrschaft (Schwarzburg-Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt) im Norden, Sachsen-Weimar-Eisenach im Osten und Südwesten, Sachsen-Coburg und Gotha im Süden und Hessen-Nassau bzw. Hessen-Kassel im Westen. Über die Exklaven bestanden auch Landesgrenzen zu Sachsen-Meiningen (Kreise Schleusingen und Ziegenrück), Reuß älterer Linie und Reuß jüngerer Linie (Kreis Ziegenrück) sowie Bayern (Blankenberg und Sparnberg).

Somit umfasste der Regierungsbezirk Erfurt drei unterschiedliche Landschaftszonen: Mittelgebirge (Harz und Thüringer Wald), Hügelland (Eichsfeld, Hainich, Vogtland) und Flachland (Thüringer Becken).

Geschichte Bearbeiten

Infolge des Wiener Kongresses 1815 musste das zuvor mit Napoleon verbündete Königreich Sachsen erhebliche Teile seines Territoriums an Preußen abtreten. Im späteren Regierungsbezirk waren das die Gebiete an der Unstrut von Weißensee im Osten bis nach Mühlhausen im Westen (der westliche Teil des früheren Thüringer Kreises), der Landkreis Ziegenrück im Vogtland sowie die hennebergischen Erblande im Thüringer Wald (Kreis Schleusingen). Dazu kamen die durch die Säkularisation bereits 1803 an Preußen gefallenen und zwischenzeitlich französischen Gebiete um Erfurt (mit Sömmerda) und das Eichsfeld sowie die mediatisierten freien Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen. Die Grafschaft Hohnstein westlich von Nordhausen war bereits seit 1648 Teil Brandenburg-Preußens und wurde ebenfalls in den neuen Regierungsbezirk integriert (vorher gehörte sie zum Fürstentum Halberstadt). Ursprünglich war angestrebt, dass auch die stolbergischen Gebiete in Nordthüringen sowie die Ämter Heringen, Kelbra und Sachsenburg Teil des Regierungsbezirkes werden sollten, was aber aus verschiedenen Gründen nicht zur Realisierung kam.

Nach der Gründung des Regierungsbezirks gab es zunächst lange Zeit kaum Gebietsänderungen. 1816 wurde aus der Stadt Erfurt zunächst ein eigener Stadtkreis gebildet, der aber bereits 1818 aufgehoben und Teil des Landkreises Erfurt wurde. 1866 wurden die Nachbarstaaten Kurhessen und Hannover von Preußen annektiert, wodurch Grenzen im Norden und Westen des Regierungsbezirks wegfielen. 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet, was dem recht stark zergliederten Bezirk einen Aufschwung brachte, da Grenzen wegfielen und die Staaten sich insgesamt annäherten. Besonders die Stadt Erfurt hatte bis dahin enorm unter ihrer Randlage zwischen ernestinischen Gebieten gelitten und konnte sich wirtschaftlich nur schlecht entfalten, was sich nach der Reichsgründung jedoch rasch änderte. So wurde Erfurt 1872 zum Stadtkreis erhoben und schied wieder aus dem Landkreis Erfurt aus. 1882 wurde Nordhausen Stadtkreis (vorher Landkreis Grafschaft Hohenstein) und 1892 folgte Mühlhausen, das aus dem Landkreis Mühlhausen ausschied. 1888 benannte sich der Landkreis Nordhausen in Landkreis Grafschaft Hohenstein um, da er auf dem Gebiet der ehemaligen Grafschaft Hohnstein lag. Um 1900 bildeten der Regierungsbezirk Erfurt sowie Teile des Regierungsbezirkes Merseburg (Amtsbezirke Weißenfels, Freyburg und Eckartsberga) sowie der Kreis Herrschaft Schmalkalden (Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel) und Teile des Kreises Ilfeld (Provinz Hannover, Regierungsbezirk Hildesheim) das preußische Thüringen.

1920 wurde das Land Thüringen aus der Vereinigung der thüringischen Kleinstaaten gegründet (Kleinthüringen).[2] Von thüringischer Seite aus bemühte man sich seit Ende des Jahres 1918 auch um die Eingliederung des Regierungsbezirkes Erfurt, teils sogar auch von Teilen des Regierungsbezirkes Merseburg in das neu zu schaffende bzw. geschaffene Land (Großthüringen), womit man allerdings bei der Regierung des Freistaats Preußen sowie einem erheblichen Teil der betroffenen Bevölkerung, vor allem der Stadt Erfurt, auf Ablehnung stieß.[2]

 
Der 1936–1939 nach Planung von Wilhelm Pook errichtete Neubau des Regierungsgebäudes an der Arnstädter Straße, heute Fraktionsgebäude des Thüringer Landtags

1932 wurde der Landkreis Ilfeld im preußischen Regierungsbezirk Hildesheim (Provinz Hannover) aufgelöst. Die Gemeinden kamen zum Landkreis Grafschaft Hohenstein im Regierungsbezirk Erfurt. Im selben Jahr wurde auch der Landkreis Erfurt aufgelöst. Seine Gemeinden kamen zum Landkreis Weißensee. Am 1. Juli 1944 wurde der Landkreis Herrschaft Schmalkalden aus der Provinz Hessen-Nassau ausgegliedert und dem Regierungsbezirk Erfurt zugeordnet, der am selben Tag dem Gauleiter Thüringens, Fritz Sauckel, unterstellt wurde. Als Teil Preußens bestand der Regierungsbezirk aber formal noch bis zum 16. Juni 1945. An diesem Tag wurde er in das Land Thüringen eingegliedert. Nach der Gründung der DDR verlegte die Landesregierung am 1. Dezember 1950 ihren Sitz von Weimar nach Erfurt. 1952 wurde das Land Thüringen aufgelöst und in Bezirke unterteilt. 1990 wurde es wiedergegründet. Seitdem liegen die meisten Teile des ehemaligen Regierungsbezirks Erfurt im Freistaat Thüringen.

Außerhalb des Freistaates Thüringens liegen heute nur Benneckenstein, das 1952 in der DDR-Verwaltungsreform nicht dem Kreis Nordhausen im Bezirk Erfurt (wie bisher), sondern dem Kreis Wernigerode im Bezirk Magdeburg zugeordnet wurde. Ebenso wurde Bösenrode Bestandteil des Kreises Sangerhausen im Bezirk Halle. Bad Sachsa und Tettenborn gehörten zum Landkreis Grafschaft Hohenstein und wurden zum 1. September 1945 Teil der Britischen Besatzungszone, aus der im Gegenzug der Ostteil des braunschweigischen Kreises Blankenburg am Nordrand des Harzes ausschied. Die Dörfer Neuseesen und Werleshausen im Werratal (Landkreis Heiligenstadt) wurden auf Grund der Bahnstrecke Bebra–Göttingen, die durch sie und damit durch die Sowjetische Besatzungszone führte, im Wanfrieder Abkommen vom 17. September 1945 Teil der Amerikanischen Besatzungszone (Hessen). Im Gegenzug kamen die nahe gelegenen hessischen Dörfer Sickenberg, Asbach, Vatterode, Weidenbach und Hennigerode aus dem Landkreis Witzenhausen zum Landkreis Heiligenstadt und damit zur Sowjetischen Besatzungszone.

Verwaltungsgliederung Bearbeiten

Kreis Fläche 1910
(km²)
Einwohner 1885 Einwohner 1910 Einwohner 1925 Einwohner 1939 Verbleib heute
Stadt Erfurt 044 58.385 111.463 135.579 159.201 Stadt Erfurt
Landkreis Erfurt 281 26.244 038.169 029.071 01 Stadt Erfurt, Ilm-Kreis, Landkreis Gotha, Landkreis Sömmerda
Landkreis Grafschaft Hohenstein
(Sitz: Nordhausen)
476 42.478 050.012 051.679 0067.7402 Landkreis Nordhausen
Landkreis Heiligenstadt
(zunächst Obereichsfelder Kreis)
434 38.321 042.502 045.719 048.175 Landkreis Eichsfeld
Landkreis Langensalza 418 36.778 038.930 039.632 040.073 Unstrut-Hainich-Kreis
Stadt Mühlhausen 064 25.141 035.091 036.755 041.493 Unstrut-Hainich-Kreis
Landkreis Mühlhausen 396 32.842 037.553 040.511 042.169 Unstrut-Hainich-Kreis
Stadt Nordhausen 022 26.960 032.564 035.056 040.673 Landkreis Nordhausen
Landkreis Schleusingen
(Sitz: ab 1929 in Suhl)
458 41.816 055.189 058.833 064.711 Stadt Suhl, Landkreis Hildburghausen, Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Ilm-Kreis
Landkreis Weißensee 292 25.438 025.199 029.856 0063.9681 Landkreis Sömmerda
Landkreis Worbis
(zunächst Untereichsfelder Kreis)
445 41.190 044.775 048.120 046.978 Landkreis Eichsfeld
Landkreis Ziegenrück
(Sitz: Ranis)
201 15.623 019.328 019.457 021.414 Saale-Orla-Kreis, Landkreis Saalfeld-Rudolstadt
Landkreis Herrschaft Schmalkalden
(ab 1944)
280 31.114 044.561 048.694 051.666 Landkreis Schmalkalden-Meiningen

1) Der Landkreis Erfurt war ab 1932 Teil des Landkreises Weißensee.
2) Der Landkreis Ilfeld war ab 1932 Teil des Landkreises Grafschaft Hohenstein.

Damit umfasste der Regierungsbezirk zwischen 1815 und 1932 eine Fläche von 3.531 km², zwischen 1932 und 1944 3.804 km² und zwischen 1944 und 1945 4.084 km². Die Einwohnerzahl stieg von 250.931 Einwohnern im Jahr 1820 auf 350.459 im Jahr 1850. 1885 hatte der Bezirk dann 411.216 Einwohner und 1939 636.595 Einwohner (ohne Schmalkalden) bzw. 688.261 Einwohner (mit Schmalkalden).

Bei seiner Gründung 1815 umfasste der Regierungsbezirk Erfurt neun Landkreise, die im Durchschnitt etwa 400 km² groß waren. Bei seiner Auflösung 1945 gehörten neun Kreise (der Landkreis Erfurt wurde aufgelöst; der Landkreis Herrschaft Schmalkalden kam neu hinzu) und drei kreisfreie Städte zum Regierungsbezirk.

Größte Städte Bearbeiten

Die größten Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern im Jahr 1939 und die Kreisstädte im Regierungsbezirk waren:

Stadt Einwohner 1816 (ca.) Einwohner 1939 Kreis
Erfurt 14.500 159.201 kreisfrei
Mühlhausen 12.000 041.493 kreisfrei
Nordhausen 09.500 040.673 kreisfrei
Suhl 06.000 023.168 Schleusingen
Bad Langensalza 05.500 012.982 Langensalza
Sömmerda 02.500 011.765 Weißensee
Schmalkalden* 05.000 010.661 Herrschaft Schmalkalden
Heiligenstadt 03.000 009.973 Heiligenstadt
Steinbach-Hallenberg* 02.200 006.077 Herrschaft Schmalkalden
Bleicherode 02.500 005.993 Grafschaft Hohenstein
Schleusingen 02.500 004.624 Schleusingen
Weißensee 02.500 003.869 Weißensee
Worbis 01.500 002.453 Worbis
Ranis 00.900 002.359 Ziegenrück

* ab 1944

Ferner gehörte Ilversgehofen zeitweise zu den größten Gemeinden im Regierungsbezirk. 1910 hatte das Dorf im Landkreis Erfurt 12.593 Einwohner. Am 1. April 1911 wurde es ein Stadtteil Erfurts.

Regierungspräsidenten Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Frank Boblenz: Abriß der Territorialgeschichte des preußischen Thüringen. In: Das preußische Thüringen. Abhandlungen zur Geschichte seiner Volksvertretungen (= Schriften zur Geschichte des Parlamentarismus in Thüringen; 17). Rudolstadt 2001, S. 9–45.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kurzdarstellung des Regierungsbezirks Erfurt im historisch-geographischen Informationssystem HGIS (PDF; 24 kB)
  2. a b Darstellung der Stadt Erfurt, dritter Absatz von unten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Regierungsbezirk Erfurt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien