Die Infectopharm Arzneimittel und Consilium GmbH (Eigenschreibweisen: INFECTOPHARM bzw. InfectoPharm) ist ein deutsches familiengeführtes Pharmaunternehmen, das in der Herstellung und im Vertrieb von Arzneimitteln für Kinder und Erwachsene sowie in der Durchführung von Fortbildungen für Ärzte, Apotheker und Hebammen tätig ist.[2][3] Besondere Schwerpunkte liegen auf Infektions-, Atemwegs- und Hauterkrankungen sowie HNO und Allergien.[4][5] Ein weiterer Kernbereich sind Antibiotika für die intravenöse Verabreichung in Krankenhäusern.[5][6]

Infectopharm Arzneimittel und Consilium GmbH

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Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 1988
Sitz Heppenheim, Deutschland Deutschland
Leitung
  • Philipp Zöller (Vorsitz der Geschäftsführung)
  • Michael Gilster
  • Markus Rudolph
  • Aldo Ammendola
Mitarbeiterzahl 239 (2021)[1]
Umsatz 200,4 Mio. Euro (2021)[1]
Branche Pharmazeutische Industrie
Website www.infectopharm.com
Stand: 25. April 2023
Luftbildaufnahme des Firmensitzes in Heppenheim

Geschichte Bearbeiten

Infectopharm wurde 1988 von dem Ehepaar Monika und Manfred Zöller in Weinheim gegründet. Ein Vorläufer war das Institut Dr. Zöller, das sich im Auftrag von Pharmaunternehmen um Medikamentenzulassungen und vor allem um Marketingaufgaben kümmerte. Infectopharm begann mit der Weiterentwicklung von Antibiotika für Kinder. Das Ziel waren Arzneimittel, die auf die Bedürfnisse von Kindern zugeschnitten sind und sich ihrem Wachstum folgend dosieren lassen.[7] Galenik, Geschmack und Dosierung wurden derart angepasst, dass z. B. die Einnahmehäufigkeit um 50 Prozent gesenkt werden konnte. Damit sei die Einnahme von Antibiotika für Kinder erleichtert worden.[8]

1995 zog das Unternehmen aus Weinheim in ein neues Gebäude nach Heppenheim um.[9] Im Jahr darauf gab es ungewöhnlich wenige Infektionen und der Umsatz ging im Vergleich zum vorherigen Geschäftsjahr zurück. In der Folge wurde die Konzentration auf ein einzelnes Indikationsgebiet aufgegeben und eine zusätzliche Spezialisierung auf Arzneimittel gegen chronische Beschwerden wie Asthma und Allergien hinzugenommen.[10]

2004 expandierte Infectopharm in den europäischen Auslandsmarkt.[11] Ein Jahr später investierte das Unternehmen zehn Millionen Euro, um seine Betriebsfläche zu verdoppeln.[12] Anfang 2008 wurde ein Erweiterungsbau mit 85 zusätzlichen Büro- und Laborplätzen bezogen.[4] 2011 starb Manfred Zöller unerwartet.[13] Sein Sohn Philipp Zöller stieg in die von Monika Zöller anschließend neu formierte Geschäftsführung mit Markus Rudolph und Norbert Stempel ein.[2][14] Tochter Anna Gilster wurde 2015 eine von drei Geschäftsführern der Tochtergesellschaft Pädia GmbH, die vorwiegend nicht verschreibungspflichtige Medikamente für Kinder anbietet.[15]

2017 investierte Infectopharm 13 Millionen Euro in den Bau eines 8.350 Quadratmeter großen Logistikzentrums mit 6.400 Palettenstellplätzen und einem automatisierten Kartonlager in Heppenheim.[2] Im Juli 2020 übergab Monika Zöller den Vorsitz der Geschäftsführung an ihren Sohn Philipp Zöller.[5] Zudem wurde Anna Gilsters Ehemann, Michael Gilster, weiterer Geschäftsführer.[16] Im selben Jahr übernahm Infectopharm den chemisch-pharmazeutischen Produktionsbetrieb der Paul W. Beyvers GmbH, dessen Leitung neben Robert Weigl auch Michael Gilster übertragen wurde.[15]

Im Zeitraum der COVID-19-Pandemie machte Infectopharm mit seinen Penicillin-Säften eine halbe Million Euro Verlust, weil die Nachfrage eingebrochen war. Alle Hersteller mit Ausnahme von Infectopharm und einem weiteren Unternehmen stellten die Produktion von Penicillin-Säften in dieser Zeit ein.[17]

Im Nachgang der Pandemie gab es einen starken Nachholeffekt bei den Infektionskrankheiten, sodass zwischen Oktober 2022 und März 2023 über 750.000 Packungen Penicillin-Saft von Infectopharm ausgeliefert und damit 97 Prozent des deutschen Marktes bedient wurden. In einem offenen Brief an Karl Lauterbach kritisierte der vorsitzende Geschäftsführer des Unternehmens, dass die Festbetragsregelung für Antibiotikasäfte und der zwischen 2010 und 2023 unveränderte Nettopreis von 1,65 Euro pro Amoxicillin-Saft beispielsweise sich wirtschaftlich nicht mehr darstellen lasse und warnte vor Lieferengpässen bei Kinderarzneimitteln.[18][19][17]

Unternehmensstruktur Bearbeiten

Der Vorsitz der Geschäftsführung obliegt seit 2020 Philipp Zöller.[16] Daneben gehören Michael Gilster und Markus Rudolph der Geschäftsführung an. Weiterer Geschäftsführer ist seit dem 1. Mai 2023 Aldo Ammendola, der die Nachfolge für Norbert Stempel antrat.[20]

Der Umsatz des Unternehmens lag für 2021 bei 200,4 Millionen Euro, die von 239 Mitarbeitenden erwirtschaftet wurden.[1] Gemessen an der Zahl der Beschäftigten gehört das Unternehmen nach Angaben des Bergsträßer Anzeigers zu den 38 größten Arbeitgebern des Landkreises Bergstraße.[21]

Zur Infectopharm-Gruppe gehören Niederlassungen in Österreich und Italien sowie die beiden deutschen Tochterunternehmen Pädia GmbH und Paul W. Beyvers GmbH.[20][22]

Die Produktion der Medikamente erfolgt bei ca. 30 ausschließlich in Europa sitzenden Lohnherstellern.[5] Ein Teil des Portfolios wird bei der Tochterfirma Beyvers in Berlin hergestellt.[22]

Dienstleistungen und Produkte Bearbeiten

Geschichtlich ist Infectopharm auf die Herstellung von Kinderarzneimitteln spezialisiert.[23][24] Infectopharm erforscht keine neuen Wirkstoffe, sondern konzentriert sich darauf, durch Forschung und Entwicklung bereits erprobte Substanzen im Hinblick auf die Darreichungsform, Konzentration, Größe, den Wirkungsgrad oder Geschmack weiterzuentwickeln. Daraus entstehen dann neue Medikamente.[10][25][26] Stand März 2023 umfasst das Produktprogramm von Infectopharm mehr als 130 verschiedene Präparate, von denen 77 verschreibungspflichtige Arzneimittel sind.[27][15] Es umfasst auch die Patientengruppe der Erwachsenen.[15]

Als erstes Medikament wurde 1988 der Trockensaft InfectoCillin (Wirkstoff: Phenoxymethylpenicillin) auf den Markt gebracht.[28] Im Jahr 2008 berichtete Anja Müller im Handelsblatt, dass InfectoPedicul von Infectopharm das meistverordnete Kopflausmittel in Deutschland sei.[29] Zudem vertreibt das Unternehmen das Asthmamittel SalbuBronch, den Saft gegen Krupp-Husten InfectoDexaKrupp sowie InfectoBicillin gegen Scharlach.[4] Seit dem 1. Mai 2022 übernimmt Infectopharm den Vertrieb des Arzneimittelportfolios der Marke Ritalin (Wirkstoff Methylphenidat) zur Behandlung von ADHS.[30] Ferner vertreibt das Unternehmen Slenyto gegen Schlafstörungen bei Autismus-Spektrum-Störungen.[15]

Zum Portfolio gehören auch die Dienstleistungsangebote Consilium[28] und die PädiaAkademie.[31] Unter der im Firmennamen integrierten Marke Consilium bündelt Infectopharm wissenschaftliche und produktneutrale Dienstleistungen für Ärzte, Apotheker und Hebammen. Hierzu zählen Fortbildungen, wie der zweimal jährlich stattfindende Ärztekongress Consilium live für Kinder- und Jugendärzte mit über 1.800 Teilnehmenden.[32] Zudem können im Consilium medizinische Fragen aus der Praxis durch externe Vertreter verschiedener Fachrichtungen beantwortet werden. Die wissenschaftliche Beantwortung der Anfragen sowie weitere medizinische Übersichtsartikel werden in den Consilium-Zeitschriften gesammelt.[5][10] Im Jahr 2011 versandte das Unternehmen das Serviceheft an mehr als 6.000 Praxen pro Monat und veranstaltete zwei Fachkongresse sowie 24 Seminare.[25] 2020 erreichten die Zeitschriften von Consilium 80 Prozent der 7.000 niedergelassenen Kinderärzte in Deutschland und mehr als 6.000 von ihnen nahmen an den Fortbildungen des Unternehmens teil.[5]

Das Unternehmen ist ein Mitglied und stellt den Vorstand in der vom Interessenverband Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller initiierten Initiative Arzneimittel für Kinder.[33]

Vertrieb Bearbeiten

Gegenüber niedergelassenen Ärzten unterhält das Unternehmen keinen Außendienst durch Pharmareferenten.[34] Das Unternehmen deckt Geschäftsbereiche wie die Pädiatrie, Infektiologie, Allergologie, Dermatologie, das Klinikgeschäft und den Export ab.[14][4]

Kontroversen Bearbeiten

Ein Vorwurf der „irreführenden Werbung“ für das Arzneimittel Lomaherpan (Wirkstoff: Melissenextrakt), das vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Behandlung von Lippenherpes zugelassen war, wurde vom OLG Frankfurt in zweiter Instanz im Dezember 2019 teilweise bestätigt,[35] da eine von der Zulassung nicht belegte Herpesviren-blockierende präventive Wirkung von Lomaherpan auf gesunde Zellen suggeriert wurde. Lomaherpan wirke nachweislich jedoch lediglich für die symptomatische Beschwerdelinderung bei aktiver Infektion mit Lippenherpes, aber nicht präventiv.[36][37]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Infectopharm Arzneimittel und Consilium GmbH, Jahresabschluss zum Geschäftsjahr vom 1. Januar 2021 zum 31. Dezember 2021, veröffentlicht im Bundesanzeiger.
  2. a b c Jürgen Reinhardt: Bekenntnis zum Standort. In: Darmstädter Echo. 9. August 2017, abgerufen am 9. August 2023.
  3. Wie man mit Wissen zur Nummer 1 wird. In: Wirtschaftsforum. Abgerufen am 1. September 2023 (deutsch).
  4. a b c d Sibylle Haas: Penicillin mit Himbeergeschmack. In: Süddeutsche Zeitung. 10. September 2011, abgerufen am 8. August 2023.
  5. a b c d e f Anja Ingelmann: Medizin als Berufung. In: Main-Spitze. 2. Oktober 2020, abgerufen am 10. August 2023.
  6. Generationswechsel bei Infectopharm. In: Apotheke Adhoc. 2. September 2020, abgerufen am 5. September 2023 (deutsch).
  7. Nachhaltige Kommunikation auf Augenhöhe. In: Pharma Relations. 6. Dezember 2021, abgerufen am 1. September 2023.
  8. Frank Schuhmann: Erfolgsrezept für den Markt. In: Frankfurter Rundschau. 15. Juni 2004, abgerufen am 8. August 2023.
  9. Jürgen Reinhardt: Der Erfolg der Firmen ist auch sein Erfolg. In: Darmstädter Echo. 31. Januar 2001, abgerufen am 9. August 2023.
  10. a b c Sebastian Baltzer: Jedes zehnte Baby hat eine Allergie. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 67/2011, 21. März 2011, S. 19, abgerufen am 8. August 2023.
  11. Firmengeschichte auf der Website von Infectopharm, abgerufen am 20. Oktober 2020.
  12. Jürgen Reinhardt: Infectopharm investiert. In: Darmstädter Echo. 2. August 2005, abgerufen am 9. August 2023.
  13. Jürgen Reinhardt: Ein Leben für das Wohl der Kinder. In: Darmstädter Echo, 17. Dezember 2011, abgerufen am 9. August 2023.
  14. a b Jürgen Reinhardt: In Rekordzeit betriebsbereit. In: Darmstädter Echo. 20. September 2018, abgerufen am 9. August 2023.
  15. a b c d e InfectoPharm steht auf Platz 1 im Pharma Trend Ranking 2022. In: Pharma Trend. 7. Oktober 2022, abgerufen am 9. August 2023 (deutsch).
  16. a b Monika Zöller übergibt an ihren Sohn. In: Mannheimer Morgen. Bergsträßer Anzeiger, 8. September 2020, abgerufen am 10. August 2023.
  17. a b Carla Neuhaus: Das letzte Mittel. In: Die Zeit. 11. Mai 2023, abgerufen am 8. August 2023.
  18. Elisabeth Dostert: Medikamente-Hersteller kritisieren Gesetz gegen Lieferengpässe. In: Sueddeutsche.de. 23. Mai 2023, abgerufen am 8. August 2023.
  19. Christian Geinitz, Thiemo Heeg, Vanessa Trzewik: Schon wieder keine Antibiotika. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. Mai 2023, abgerufen am 8. August 2023.
  20. a b Anna Jäger: InfectoPharm verstärkt Geschäftsführung. In: Healthcaremarketing. 4. Mai 2023, abgerufen am 10. August 2023 (deutsch).
  21. Michael Roth: Trotz Corona wächst die Zahl der Arbeitsplätze im Kreis Bergstraße. In: Bergsträßer Anzeiger. 26. März 2021.
  22. a b Heppenheim: Auszeichnung für Infectopharm. In: Echo. 1. November 2022, abgerufen am 1. September 2023.
  23. Patrick Hollstein: Infectopharm: Kinder und Senioren. In: Apotheke Adhoc. 15. April 2015, abgerufen am 10. August 2023 (deutsch).
  24. Sebastian Baltzer, Uta Bittner: Die vergessenen Patienten. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 4. November 2011, abgerufen am 9. August 2023.
  25. a b Siegfried Hofmann: Gute Geschäfte mit schmackhaften Antibiotika. In: Handelsblatt. 9. März 2011, abgerufen am 8. August 2023.
  26. Michael Roth: Infectopharm: Ein Riese in vielen kleinen Märkten. In: Bergstäßer Anzeiger. 15. Februar 2020, abgerufen am 1. September 2023.
  27. Außergewöhnlich innovativ. In: Lampertheimer Zeitung. 3. März 2023, abgerufen am 10. August 2023.
  28. a b Carolin Bauer: Vom Kinderarzt zum Apotheker. In: Apotheke Adhoc. 19. November 2013, abgerufen am 10. August 2023 (deutsch).
  29. Anja Müller: Von Menschen und Läusen. In: Handelsblatt. 18. April 2008, abgerufen am 9. August 2023.
  30. Redaktion Facharztmagazine: Ritalin wechselt den Vertreiber. In: Pädiatrie. 2022, Band 34, Nummer 3, S. 60. DOI:10.1007/s15014-022-4030-4.
  31. Infectopharm startet Pädiatriefortbildungen für Apotheker und PTA. In: Deutsche Apotheker Zeitung. 6. April 2018, abgerufen am 10. August 2023.
  32. Infectopharm spendet an Kinder-Beratungsstelle. In: Apotheke adhoc. 28. November 2020, abgerufen am 1. September 2023 (deutsch).
  33. Mitgliedsunternehmen – Arzneimittel für Kinder. In: Initiative Arzneimittel für Kinder. Abgerufen am 10. August 2023.
  34. Christoph Sandmann: Indirect Marketing für Pharmaunternehmen. MedPrä, Düsseldorf 2014, ISBN 978-3-9815014-4-5.
  35. OLG Frankfurt 6. Zivilsenat: Abgrenzung von Werbung und Informationsvermittlung im Heilmittelwerberecht. In: Bürgerservice Hessenrecht. 12. Dezember 2019, abgerufen am 27. Oktober 2020. Urteil vom 12. Dezember 2019, Az. 6 U 189/18.
  36. Patrick Hollstein: Infectopharm: Ärger mit Lomaherpan-Schulung. In: Apotheke Adhoc. 23. Juni 2020, abgerufen am 24. Oktober 2020 (deutsch).
  37. Kristina Jener-Siems: Mit Pflanzenpower gegen die Bläschen. In: Deutsche Apotheker Zeitung. 6. August 2020, abgerufen am 10. August 2023.