Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main ist eine von 24 Generalstaatsanwaltschaften in der Bundesrepublik Deutschland und die einzige in Hessen. Sie ist zugleich Sitz der Europäischen Staatsanwaltschaft in Deutschland, da sie mit der Abteilung 20. das sog. „Zentrum Frankfurt am Main“ der 5-Länderzentren der Europäischen Staatsanwaltschaft in Deutschland stellt.

Auf Initiative Fritz Bauers angebrachter Artikel 1, Satz 1 Grundgesetz am Gebäude der Frankfurter Staatsanwaltschaft
Der Dienstsitz in der Zeil

Aufgaben und Aufbau Bearbeiten

Sie ist die fachlich und disziplinarisch vorgesetzte Behörde für die Staatsanwaltschaften Hessens (Darmstadt, Frankfurt am Main, Fulda, Gießen, Hanau, Kassel, Limburg a. d. Lahn, Marburg, Wiesbaden) und die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main ist ihrerseits an die Weisungen des Hessischen Justizministeriums gebunden.

Sie hat in sieben Abteilungen 93 Mitarbeiter, davon 34 Staats- und Oberstaatsanwälte (Stand Anfang 2016). Dienstsitz ist Zeil 42, 60313 Frankfurt am Main. Leiter der Behörde ist seit dem 9. Dezember 2021 Torsten Kunze.[1]

Ermittlungsbehörde ist die Generalstaatsanwaltschaft bei:

Im Jahr 2014 hat sie 390 Revisionen, 1.260 Rechtsbeschwerden, 2.264 Beschwerden gegen Verfahrenseinstellungen der landgerichtlichen Staatsanwaltschaften, 1.086 gerichtliche Beschwerden und 214 Haftprüfungen bearbeitet.

Hauptaufgabe fern eigener Ermittlungsarbeit Bearbeiten

Die Hauptarbeit der GStA liegt in der Koordinierung, Hilfestellung, Support für angegliederte und in Hessen angesiedelte Staatsanwaltschaften bei den Landgerichten.

Eigene Ermittlungsarbeit in beschränkten Bereichen Bearbeiten

Die GStA ist selbst zuständig für:[2]

  • Geldwäsche-Verdachtsanzeigen
  • berufsrechtliche Verfahren gegen Rechtsanwälte und Steuerberater
  • Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern (§ 108e StGB)

Darüber hinaus sind die besonderen Einheiten zu nennen.

Besondere Einheiten Bearbeiten

Die GStA umfasst zwei operative, ermittelnde Einheiten. Sie hat aber weitere spezielle Aufgabengebiete, z. B. im Bereich der Internetkriminalität.

Eingreifreserve Bearbeiten

Im April 2000 wurde zur Unterstützung der landgerichtlichen Staatsanwaltschaften eine Eingreifreserve gegründet (Abteilung VII). Ihre Schwerpunkte sind Wirtschaftskriminalität, übergreifende und komplexe Verfahren. Sie besteht aus einem Leitenden Oberstaatsanwalt (Abteilungsleiter), zwei Oberstaatsanwälten, sechs Staatsanwälten, einem Wirtschaftsreferenten und einem Sekretariat. Die Verfahren werden durch den Generalstaatsanwalt zugewiesen.

Angegliederte Einheiten Bearbeiten

An die Eingreifreserve waren im Laufe der Zeit (2010–2019) zahlreiche andere Zentralstellen mitangegliedert. Unter anderem fand sich hierunter auch die Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen, die 2019 umbenannt wurde und als Hessische Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht (ZMS) firmierte (siehe unten).[3]

Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität Bearbeiten

Die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Teil der Abteilung VI) wurde Anfang des Jahres 2010 als Außenstelle in Gießen errichtet. Sie ermittelt in ganz Hessen bei besonders schwerwiegender oder umfangreicher Internetkriminalität (z. B. Drogenhandel, Datendiebstahl, Kinderpornografie) und besteht aus einem Oberstaatsanwalt und vier Staatsanwälten.

Zentralstelle für Medizinwirtschaftsstrafrecht Bearbeiten

Unter Medizinwirtschaftsstrafrecht fallen alle Straftaten des Strafgesetzbuchs, die als Bestechlichkeit, Bestechung, Untreue, Krankenkassenbetrug erfasst werden, des Arzneimittelgesetzes, Betäubungsmittelgesetzes, Medizinproduktgesetzes, des Sozialgesetzbuchs, des Apothekenrechts, des Krankenhausrechts und viele andere sogenannte Blankettstrafgesetze der Europäischen Union, die in Richtlinien festgelegt sind.

Korruptionsskandal (2020–2022) Bearbeiten

Die ZMS ist Teil eines Korruptionsskandals, in dessen Fokus die Handlungen des ehemaligen Leiters der Zentralstelle stehen. Er soll mehrere Jahre lang Gutachten an Vertreter der Heilberufe vergeben haben und an den dabei erhaltenen Leistungen finanziell beteiligt worden sein. Ihm werden unter anderem Betrug, Untreue, Bestechlichkeit und Steuerdelikte vorgeworfen. Die von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erhobene Anklage wurde im Oktober 2022 vom Landgericht Frankfurt am Main zugelassen.[4] Der mutmaßliche Schaden zu Lasten des hessischen Staatshaushalts könnte 500.000 Euro übersteigen.[5] Dazu kommen die Vorwürfe zahlreicher Dienstpflichtverstöße, Suspendierungen und eine zweimal angeordnete U-Haft (2020, 2022).[6]

Die Opposition im hessischen Landtag warf Justizministerin Eva Kühne Hörnemann (CDU) „Salamitaktik“ und unzureichende Aufklärungsarbeit vor. Sie hatte die These von einem „genialen Einzeltäter“ („genialer Mastermind“ – Zitat: Marion Schardt-Sauer, rechtspolitische Sprecherin der FDP) vertreten.[7]

Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus Hessen (ZET-HE) Bearbeiten

Diese Zentralstelle ist die sogenannte dritte operative Ermittlungseinheit der GStA Hessen und wird auch tatsächlich ermittlungsmäßig tätig.

Zentrum Frankfurt am Main – (Länderzentrum und Sitz der Europäischen Staatsanwaltschaft in Deutschland) Bearbeiten

Die Generalstaatsanwaltschaft stellt die finanziellen Ressourcen für delegierte Staatsanwälte Deutschlands und bietet ihnen den Dienstort.[8]

Geschichte Bearbeiten

 
Siegelmarke der Königlich Preußischen Oberstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main

Die hessische Generalstaatsanwaltschaft sieht sich selbst als historische Nachfolgerin der ersten in Frankfurt existenten Generalstaatsanwaltschaft aus dem Jahr 1879.[9]

1959 erreichte der damalige hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, dass der Bundesgerichtshof die „Untersuchung und Entscheidung“ in der Strafsache gegen Auschwitz-Täter dem Landgericht Frankfurt am Main übertrug. Auf Weisung Bauers leitete die Frankfurter Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen vormalige Angehörige und Führer der SS-Wachmannschaft des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz ein. Der erste Auschwitzprozess in Westdeutschland, die „Strafsache gegen Mulka u. a.“, wurde schließlich im Dezember 1963 gegen 22 Angeklagte vor dem Landgericht Frankfurt eröffnet.

Bauer hatte auch seit 1965 gegen 20 noch lebende hochrangige Juristen des Dritten Reichs wegen „Beihilfe zur heimtückischen Tötung von Geisteskranken“ im Rahmen der Aktion T4 und der Schlegelberger-Konferenz ermitteln lassen. Zwei Jahre nach seinem Tod stellte sein Nachfolger Horst Gauf das für die Justiz unbequeme Verfahren 1970 allerdings in aller Stille wieder ein.

Im Sommer 2020 wurde die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt durch einen mutmaßlichen Korruptionsskandal erschüttert, in dessen Mittelpunkt Oberstaatsanwalt Alexander Badle stand. Der Spitzenbeamte, der selbst als einer der bundesweit führenden Experten im Bereich der Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen gilt, wurde am 24. Juli 2020 in Untersuchungshaft genommen.[10][11] Am 13. Januar 2023 begann der Prozess gegen Badle, am 12. Mai 2023 wurde er zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.[12]

Generalstaatsanwälte Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Quellen Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten


Koordinaten: 50° 6′ 54,4″ N, 8° 41′ 24,6″ O

  1. Torsten Kunze ist neuer Hessischer Generalstaatsanwalt. Abgerufen am 8. Juni 2022.
  2. Zuständigkeit. 7. September 2017, abgerufen am 14. März 2022.
  3. "Tatort Gesundheitsmarkt": Hessische Zentralstelle ermittelt. Abgerufen am 14. März 2022.
  4. Frankfurter Ex-Staatsanwalt wieder in Haft. 1. Februar 2022, abgerufen am 14. März 2022.
  5. hessenschau de, Frankfurt Germany: Frankfurter Oberstaatsanwalt in U-Haft: Schaden höher als angenommen. 31. Januar 2022, abgerufen am 14. März 2022 (deutsch).
  6. hessenschau de, Frankfurt Germany: Gutachten-Affäre in Generalstaatsanwaltschaft weitet sich aus. 23. Dezember 2021, abgerufen am 14. März 2022 (deutsch).
  7. hessenschau de, Frankfurt Germany: Gutachten-Affäre in Generalstaatsanwaltschaft weitet sich aus. 23. Dezember 2021, abgerufen am 14. März 2022 (deutsch).
  8. Vgl. Herrnfeld/Esser, Europäische Staatsanwaltschaft, Handbuch, Nomos, 2022, S. 503.
  9. Aufgabengebiete GStA FFM. 7. September 2017, abgerufen am 5. März 2024.
  10. Oberstaatsanwalt in Frankfurt festgenommen. In: hessenschau. 25. Juli 2020, abgerufen am 26. Juli 2020.
  11. René Bender, Sönke Iwersen, Volker Votsmeier: Oberstaatsanwalt in Frankfurt festgenommen. In: Handelsblatt. 26. Juli 2020, abgerufen am 26. Juli 2020.
  12. Matthias Bartsch: (S+) Haft für Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main: »Kontrollversagen auf der ganzen Linie«. In: Spiegel Online. 12. Mai 2023, abgerufen am 27. Januar 2024.
  13. Organigramm der Generalstaatsanwaltschaft vom 9. Dezember 2021
  14. Anna-Sophia Lang: Dieser Fall ist in der Nachkriegsgeschichte einmalig. FAZ vom 28. März 2022, Seite 31