Orpheus und die Tiere
Wilhelm Ernst Wunder (1714–1787), 1754
Deckenmalerei
Wilhelmines Musikzimmer, Bayreuth Neues Schloss

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Wilhelm Ernst Wunder (* 11. Mai 1713 in Kranichfeld Thüringen; † 20. Juni 1787 Bayreuth) war fürstlicher Hofmaler am markgräflichen Hof zu Bayreuth. Die Dauer seiner Zeit als Hofkünstler – fast ein halbes Jahrhundert – übertrifft jene aller anderen Bayreuther Künstler.

Leben Bearbeiten

Wilhelm Ernst Wunder, ältester Sohn des Diakonus Johann Nikolaus Wunder und der Eva Katharine Layritz, begann auf Wunsch seines Vaters und seines Großvaters Johann Georg Layritz[1] – dieser war Generalsuperintendent des Landes Thüringen unter dem Herzog Wilhelm-Ernst von Sachsen-Weimar – ein Theologiestudium in Jena.[2] Nach eigenen Überlegungen aber beendete er es bald, um in Weimar beim dortigen Hofmaler Johann Ernst Rentzsch, seinem Vetter, die Malerei zu studieren.[3][4] Seine ersten Bilder – Miniaturen und Köpfe von Heiligen – malte er für Erfurter Kirchen, daneben Tier- und Jagdstücke.

 
Johann Georg Meusel (1743–1820)

Der junge Wunder verlor 1736 seinen Vater, ein Jahr später seine Mutter und dürfte danach in deren Geburtsstadt Bayreuth gekommen sein, wo weitere Familienangehörige lebten. Das muss bald nach Regierungsübernahme des Fürstentums Bayreuth durch Markgraf Friedrich (1735) gewesen sein. Diese Stadt begann damals, sich unter dem Markgrafenpaar Friedrich und Wilhelmine zum „Fränkischen Athen“ zu entwickeln, so bezeichnet von dem jüngeren Zeitgenossen und Historiker an der Erlanger Universität Johann Georg Meusel im Nachruf von 1788. Zu Bayreuth hatte Wunder eine weitere familiäre Brücke: das Portrait seines Vorfahren, des Superintendenten Dr. Johann Stumpf in der Bayreuther Stadtkirche.[5]

In Bayreuth wurde er am 5. Februar 1739 mit einer Besoldung von 100 Reichsthalern von Markgraf Friedrich als Hof- und Cabinettmaler engagiert.[6] Mit dem am Hofe als Kondukteur angestellten Maler und Baumeister Rudolf Heinrich Richter (~1700–1771) – wie er aus Thüringen stammend[7] – entstand eine produktive Zusammenarbeit und Freundschaft.[8] „Hier war es, wo der junge Maler sein Genie ausbilden, und selbst ein Meister werden konnte“.[9] Gleichzeitig mit ihm tätig wurde der venezianische Theaterarchitekt und Bühnenbildner Giovanni Paolo Gaspari. 1739/40 entstand das Bayreuther „Gaspari-Theater“ (nicht erhalten, Vorläufer des markgräflichen Opernhauses) und der Hof schuf einen differenzierten Theaterapparat, wie im Hofkalender zu verfolgen ist. Wunders erste Arbeiten galten offenbar zunächst der Bayreuther Eremitage, die der Markgraf seiner Frau geschenkt hatte. Wie Karl Sitzmann schreibt, gehörten „Kulissen und -Dekorationen“ für das Theater zu seinen Aufgaben,[10] deshalb stellt sich die Frage, ob er bereits für die Einweihungsoper Argenore des erwähnten theatre de l'opera arbeitete; die Aufführungsgeschichte dieser Oper der Markgräfin liegt bis heute im Dunkeln. Wunder wurde Gasparis „Gehaltsnachfolger“, nachdem dieser nach München gegangen war, das betrifft vor allem seine Arbeiten am Bayreuther Weltkulturerbe Markgräfliches Opernhaus. Arno Kröniger behandelt die Frage von Wunders Beteiligung an dessen berühmten Deckengemälde, das lange Wunder zugeschrieben war.[11]

Friedrichs Nachfolger, Markgraf Friedrich Christian, ernannte Wunder 1763 zum „wirklichen Hof-Kommissarius, Inspector der hochfüstl. Malereyen und Cabinettsmaler“, der „zugleich alle Kirchenarbeiten im ganzen Fürstenthum zu versehen“ hatte.[12]

Künstlerische Nähe zum Markgrafenpaar Bearbeiten

Im Nachruf wird über des Malers gradlinigen, offenen Charakter, dem ein sogenannter „diplomatischer Hofton“ fernlag, berichtet, weshalb ihn sein Brotherr besonders gemocht habe. Bereits bevor Wunder am Hofe fest engagiert wurde, fanden Besuche des Markgrafen in seiner Werkstatt statt, wobei dieser sein kritisch–förderndes Interesse an ihm zum Ausdruck brachte.[13] Auf des Markgrafs Verständnis für Malerei weist sein Faible für den damals in Nürnberg lebenden ungarischen Maler Johann Kupetzky, von dem er zahlreiche Bilder erwarb.[14]Der Markgraf, auf dessen „hochfürstl. Durchl. gnädiges Wort, das, waß ich mahlen würde, mein seyn solte“ schickte ihm einmal zum Malen ein erlegtes Wildschwein. Es sollte nach dem Malen wieder abgeholt werden, als es bereits zum Braten verarbeitet war.[15] Dies zeigt, dass sein Brotherr ihn zu realistischen Themen ermunterte, die im Gegensatz zur galanten höfischen Rokokozeit standen. Als Markgraf Friedrich Anfang 1751 die Loge „Zur Sonne“ gründete hatte, trat auch Wunder bei und brachte es darin bis zum „Meister vom Stuhl“. Im selben Jahr wurde Markgräfin Wilhelmine Mitglied („Pastourella“, Hirtin) der italienischen Accademia dell’Arcadia, wo es Usus war, ohne Standesunterschiede zu verkehren. Beide gehörten damit zu Vereinigungen, in denen ein aufgeklärter Geist gepflegt wurde.

 
Hoflautenist Adam Falckenhagen (1697−1754) mit der 13-chörigen Laute

Eine künstlerische Beziehung zur Markgräfin Wilhelmine legt Wunders Konterfei ihres Hundes „Folichon“ nahe. Der Maler verewigte ihn 1754 im Deckenbild von Wilhelmines Musikzimmer im Neuen Bayreuther Schloss,[16] nachdem er während der Italienreise des Markgrafenpaares gestorben war.[17] Folichon ist Teil der Bildaussage. Das bis heute erhaltene Deckenbild zeigt ein der Auftraggeberin nahestehendes Sujet − den musizierenden Orpheus mit den Tieren − darauf ihren Hund an der Seite des Orpheus. Von den zuhörenden Tieren ist er durch ein kleines Rinnsal abgetrennt.[18] Zählt man die Saiten der phantasievoll gestalteten Lyra des singenden Orpheus, kommt man auf 13. Die 13 Saiten wiederholen sich bei der vergoldeten Stuckharfe am Deckenbild, was auf den Hoflautenisten Adam Falckenhagen deutet, der ebenso während der Italienreise des Markgrafenpaares verstorben war. Das ergibt folgende Geschichte: Er und Wilhelmine waren beide Schüler des großen Lautenisten Silvius Leopold Weiss gewesen, dessen Erfindung die 13-chörige Laute war.[19] Die Taube in der Weite des Himmels (im Original rechts oben gut zu erkennen) kann als (christliches) Symbol an die Verstorbenen aufzufassen sein – Falckenhagen und Folichon – und das kleine Rinnsal vielleicht an den Fluss Lethe.

Des Orpheus Blick gilt einem im Baum sitzenden Papagei; der gleiche Vogel ist Bild-Zutat in Wunders spätem Pastell-Selbstbildnis, wo erhinter ihm sitzt und an seinem Hutrand zupft.[20]

Schaffen Bearbeiten

Als der am längsten tätige höfische Bayreuther Künstler, noch über die Residenzzeit (Ende war 1769) hinaus, hat der Maler Johann Ernst Wunder in nahezu fünf Jahrzehnten zahlreiche Schlösser und Kirchen im Markgrafentum Bayreuth geprägt und war in vielen Sparten der Kunst tätig: Miniaturen, Pastelle, Stillleben, Deckenmalereien weltlich und kirchlich. Das zeigen Gemälde mit mythologischen oder geschichtlichen Inhalten wie im alten Schloss der Bayreuther Eremitage und im Markgräflichen Opernhaus und viele seiner zu Lebzeiten gerühmten Deckenbilder. Davon ist das o. beschriebene Deckengemälde im sog. „alten Musikzimmer“ der Markgräfin Wilhelmine im Neuen Schloss Bayreuth erhalten, das Orpheus mit den Tieren darstellt.[21]Leider nicht erhalten dagegen haben sich die großen Deckenbilder der Säle des Neuen Schlosses in Bayreuth, des Schlosses Fantaisie in Donndorf bei Bayreuth sowie sein großes Deckengemälde der Schlosskirche Bayreuth. Kriegsverlust wurde das Interieur des neuen Schlosses Eremitage, wo das „chinesische“ Zimmer zu beklagen ist, an dessen Wänden chinesische Pergamentmalereien Wunders hingen.[22] Ab 1756[23] entstanden seine kirchlichen Deckengemälde mit zum Teil überlebensgroßen biblischen Figuren in atmosphärischer Bewegtheit z. B. der Himmels-Darstellung (Kirche Neudrossenfeld, Kirche in Bindlach u. a.).

Zu diesem Stil bilden seine bewunderten Blumen- und Früchtestillleben einen Gegensatz, von denen einige im sogenannten „Italienischen Bau“,[24] angrenzend an das Neue Schloss, zu besichtigen sind.

Internationaler Ruf Bearbeiten

Nach Beurteilung im Nachruf von 1788 im Museum für Künstler und Kunstliebhaber des Erlanger Professors Johann Georg Meusel[25] gab es „fast kein Land in Europa, wohin seine Arbeiten nicht gegangen wären.“ Er habe aber nur auf besonderen Wunsch mit seinem Namen signiert: mit einem „lateinischen W und darüber ein E", was dennoch seinen Malernamen im Ausland viel zu wenig auf Dauer bekannt gemacht habe.[26] Seinen fränkischen Wirkungsort hat er offenbar nie verlassen, wird berichtet. Neben den zwischenzeitlich am Hof engagierten Italienern, die die Stilistik ihres Landes nach Bayreuth brachten um danach in den Zentren München, Dresden, Berlin oder Wien Karriere zu machen (Giovanni Paolo Gaspari, Stefano Torelli, Giuseppe Galli da Bibiena, Carlo Galli da Bibiena), prägte Wilhelm Ernst Wunder in Franken einen kontinuierlichen persönlichen Stil.

Desiderat Bearbeiten

Da der Maler Wunder nur auf ausdrücklichen Wunsch hin signierte, gibt es hinsichtlich der Zuschreibung seiner Werke offene Fragen, die erst zu lösen sein werden, wenn sein Stil erforscht ist. Die Kriegsverluste sollten in die Betrachtung mit einbezogen werden, das sind die Werke im neuen Schloss der Eremitage (1750-er Jahre), als er seinen individuellen Malstil schon ausgebildet hatte.[27] Zu prüfen wäre, ob es Fotografien davon gibt. Wunders Malweise entwickelte sich nach dem Tod des Markgrafen Friedrich (Februar 1763, Wilhelmine starb schon im Oktober 1758) noch weiter. Leider ist nicht nur das Entfernen einiger seiner wichtigen großen Deckengemälde im 19. Jahrhundert zu beklagen, sondern auch der Verlust vieler Einzelstücke, die heute meist durch Einzelhandel verstreut sind.

Eine historisch-regionale Kunstforschung über Wunders Stil ist noch Desiderat.

Werke im Einzelnen Bearbeiten

(Achtung: die Links funktionieren nicht immer. Zuschreibungen meist nicht gesichert, da Wunder, wie bekannt, selten signierte)

Das Bildarchiv Foto Marburg verwahrt Fotos von Bildern Wunders aus der Zeit vor Kriegsende (1943–1945; bitte Urheberrechte beachten) aus Bayreuth und den umliegenden Orten Bindlach, Neudrossenfeld, Obernsees und des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg.

Deckenmalerei im Alten Schloss Eremitage

Vulkanshöhle Sanspareil

Decken- und Wandmalerei im Markgräflichen Opernhaus

Spitalkirche Bayreuth

  • Verschiedenes

Neues Schloss Bayreuth

Altes Schloss Bayreuth

  • „Gontard-Haus“: Deckenbild mit Apollon im kleinen Saal.[30]

Neudrossenfeld

  • Dreifaltigkeitskirche: Deckengemälde Jesu Himmelfahrt

Bindlach

  • Kirche St. Bartholomäus: Deckengemälde Himmelfahrt Jesu[31]
  • Taufstein: Drei ovale Gemälde

Obernsees

  • Kirche St. Jakob

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg

  • Mann auf der Jagd [7]

Historisches Museum Frankfurt a. M.

Privatbesitz

  • Selbstbildnis: Pastell mit Totenschädel, Blüten und Papagei
  • Portrait Friedrich der Große

Abbildungen im freien Handel

Literatur Bearbeiten

chronologisch

  • Johann Georg Meusel: Museum für Künstler und Kunstliebhaber. Mannheim 1788, II. Stück, Nachruf S. 88–92
  • Thieme-Becker: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, 36. Bd. Leipzig 1947, S. 305–306 (mit reichhaltigem Literaturverzeichnis)
  • Karl Sitzmann: Künstler und Kunsthandwerker in Ostfranken. (Freunde der Plassenburg e.V.: Die Plassenburg. Schriften für Heimatforschung und Kulturpflege in Ostfranken) Bd. 12, Kulmbach 1983, S. 596–598
  • Gerd Wunder: Wilhelm Ernst Wunder (1713–1787). In: Fränkische Lebensbilder Bd. 12, 1986, S. 183–191
  • Hellmut J. Gebauer. Hofcommissarius, Inspector der hochfürstlichen Malereyen und Cabinettsmahler Wilhelm Ernst Wunder. In: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 76. Bd. 1996, S. 275−316 (mit reichhaltigem Literaturverzeichnis)
  • Josef Focht: Die musische Aura der Markgräfin Wilhelmine, Kunstverlag Peda Passau, 1998, S. 61
  • Arno Kröniger: Von der Obstwiese zum Weltkulturerbe. Stationen der bewegten Geschichte des Markgräflichen Opernhauses. Akron-Verlag Bayreuth 2020, ISBN 978-3-9820449-0-3

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. J. G. Layritz war der Vater seiner Mutter.
  2. Nach Gerd Wunder 1986 enthält die Matrikel der Universität Jena seinen Namen nicht.
  3. Meusel Nachruf 1788; Gebauer 1996, S. 275.
  4. Der Vater seines Vetters, Johann Ernst Rentsch (der Ältere) war auch Maler, u.a. eines heute bekannten Portraits von Johann Sebastian Bach<.
  5. Dieser war 1632 im Dreißigjährigen Krieg von den Wallensteinern verschleppt worden und zu Tode gekommen. Wunders Großmutter mütterlicherseits hieß Margarete Agnes Stumpf († 1741). S. Gerd Wunder 1986, S. 185.
  6. Sitzmann S. 597.
  7. Sitzmann S. 440 f.
  8. Gerd Wunder S. 186.
  9. Meusel, Nachruf S. 89.
  10. Sitzmann 1983 S. 597.
  11. Arno Kröniger: Von der Obstwiese zum Weltkulturerbe. Stationen der bewegten Geschichte des Markgräflichen Opernhauses. Akron-Verlag Bayreuth 2020, S. 45–48.
  12. Thieme-Becker 1947, S. 305−306.
  13. Meusel, Nachruf S. 89 f.
  14. Das war auch Johann Christoph Gottsched in Leipzig bekannt, siehe J. Chr. Gottsched: Handlexicon oder kurzgefasstes Wörterbuch der schönen Wissenschaften und freyen Künste. Leipzig 1760, Sp. 979–980.
  15. Von diesem „Donnerschlag“ zeugt ein ausführlicher Brief Wunders an seinen Brotherrn im Archiv des Historischen Vereins für Oberfranken, veröffentlicht in: Gerd Wunder, S. 183.
  16. S. Weblink.
  17. S. amtlicher Führer Eremitage 1997, S. 40.
  18. Darstellung s. o.
  19. Johann Christoph Gottsched: Handlexicon oder kurzgefasstes Wörterbuch der schönen Wissenschaften und freyen Künste. Leipzig 1760. Olms-Verlag 1970, Sp. 1644–45.
  20. Abbildung in Gerd Wunder, nach S. 185 und Gebauer S. 276.
  21. S. Abbildung oben.
  22. Friedrich H. Hofmann: Bayreuth und seine Kunstdenkmale, München 1902, S. 64, Abb. 69 (bitte überprüfen).
  23. Kirche Neudrossenfeld.
  24. Der Italienische Bau entstand ab 1759 für Sophie Caroline Marie von Braunschweig-Wolfenbüttel, die zweite Frau Markgraf Friedrichs.
  25. Biographie J.G. Meusel
  26. Meusel S. 91 und 92.
  27. Hinweise in: Arno Kröniger: Das Neue Schloss der Eremitage – zerstört und vergessen. Eine Suche nach der Welt von Wilhelmine. Akron Verlag, Bayreuth 2018.
  28. Heinrich Thiel: Wilhelmine von Bayreuth. Die Lieblingsschweater Friedrichs des Großen. Ellwanger, Bayreuth 1967, S. 242.
  29. Abgedruckt in Josef Focht: Die musische Aura der Wilhelmine
  30. Sitzmann 1983, S. 297, z. Z. nicht zu besichtigen
  31. Siehe Liste der Baudenkmäler in Bindlach