Schätzfunktion

dient in der mathematischen Statistik dazu, einen Schätzwert zu ermitteln
(Weitergeleitet von Stichprobenverteilung)

Eine Schätzfunktion, auch Schätzstatistik oder kurz Schätzer, dient in der mathematischen Statistik dazu, aufgrund von vorhandenen empirischen Daten einer Stichprobe einen Schätzwert zu ermitteln und dadurch Informationen über unbekannte Parameter einer Grundgesamtheit zu erhalten.

Schätzfunktionen sind die Basis zur Berechnung von Punktschätzungen und zur Bestimmung von Konfidenzintervallen mittels Bereichsschätzern und werden als Teststatistiken in Hypothesentests verwendet. Sie sind spezielle Stichprobenfunktionen und können durch Schätzverfahren, z. B. die Kleinste-Quadrate-Schätzung, die Maximum-Likelihood-Schätzung oder die Momentenmethode, bestimmt werden.

Im Rahmen der Entscheidungstheorie können Schätzfunktionen auch als Entscheidungsfunktionen bei Entscheidungen unter Unsicherheit betrachtet werden.

Formale Definition Bearbeiten

Es sei

 ,

eine reellwertige Stichprobenfunktion (oder Statistik) basierend auf einer Zufallsstichprobe   aus einer Wahrscheinlichkeitsverteilung mit einem unbekannten skalaren Parameter  . Beachte, dass Großbuchstaben Zufallsvariablen anzeigen: Somit sind   und die   Zufallsvariablen.

Wenn die Stichprobenfunktion   verwendet wird, um statistische Inferenz bzgl.   durchzuführen, heißt sie Schätzfunktion oder Schätzer für den Parameter  . Der konkrete Wert  , den ein Schätzer für eine Realisierung   der Zufallsstichprobe   annimmt, ist eine Realisierung der Zufallsvariablen  .   wird als Schätzwert für den Parameter   bezeichnet.[1] Falls der Stichprobenumfang   nicht relevant ist, schreibt man auch   statt   und   statt  .

Der Begriff Schätzung ist nicht eindeutig, er bezeichnet teils das Verfahren zur Ermittlung eines Schätzers, teils die Durchführung des Verfahrens zur Ermittlung eines Schätzwertes und teils einen Schätzwert.

Beispiel Bearbeiten

Die Zufallsvariablen   seien normalverteilt mit   für   mit unbekanntem Parameter  . Dann ist

 

eine Schätzfunktion für den Parameter  . Die Schätzfunktion   ist eine Zufallsvariable, deren Wahrscheinlichkeitsverteilung typischerweise vom Parameter   und vom Stichprobenumfang   abhängt. Beispielsweise gilt  , falls die Zufallsvariablen   stochastisch unabhängig sind. Für realisierte Werte   ist

 

ein Schätzwert für den Parameter  . Die reelle Zahl   ist ein realisierter Wert der Zufallsvariablen  .

Grundkonzepte: Stichprobenvariablen und -funktionen Bearbeiten

In der Regel befindet sich der Experimentierende in der Situation, dass er anhand endlich vieler Beobachtungen (einer Stichprobe) Aussagen über die zugrunde liegende Verteilung oder deren Parameter in der Grundgesamtheit treffen möchte.

Nur in seltenen Fällen lässt sich die Grundgesamtheit vollständig erheben (Total- oder Vollerhebung), sodass sie dann exakt die gewünschten Informationen liefert. Ein Beispiel für eine Vollerhebung ist die Arbeitslosenstatistik der amtlichen Statistik.

In den meisten Fällen kann jedoch die Grundgesamtheit nicht vollständig erhoben werden, z. B. weil sie zu groß ist. Interessiert man sich etwa für die mittlere Größe der 18-Jährigen in der EU, müsste man alle 18-Jährigen messen, was praktisch undurchführbar ist. Stattdessen wird nur eine Stichprobe, eine zufällige Auswahl von   Elementen, erhoben (Teilerhebung).

Stichprobenvariable Bearbeiten

An dieser Stelle setzt die statistische Modellierung an. Die Stichprobenvariable  , eine Zufallsvariable, beschreibt mit ihrer Verteilung die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Merkmalsausprägung bei der  -ten Ziehung aus der Grundgesamtheit auftritt. Jeder Beobachtungswert   ist die Realisierung einer Stichprobenvariable  .

Stichprobenfunktion Bearbeiten

Die Definition von Stichprobenvariablen   erlaubt die Definition von Stichprobenfunktionen analog z. B. zu Kennwerten aus der deskriptiven Statistik:

Arithmetisches Mittel Stichprobenfunktion
   

Da jede Stichprobe aufgrund der Zufälligkeit anders ausfällt, sind auch diese Stichprobenfunktionen Zufallsvariablen, deren Verteilung von

  • der Art der Ziehung der Stichprobe aus der Grundgesamtheit und
  • der Verteilung des Merkmals in der Grundgesamtheit

abhängt.

Stichprobenverteilung Bearbeiten

Unter Stichprobenverteilung versteht man die Verteilung einer Stichprobenfunktion   über alle möglichen Stichproben aus der Grundgesamtheit. Die Stichprobenfunktion   ist in der Regel eine Schätzfunktion für einen unbekannten Parameter der Grundgesamtheit oder eine Teststatistik für eine Hypothese über einen unbekannten Parameter der Grundgesamtheit. Daher spricht man statt von Stichprobenverteilung auch einfach von der Verteilung einer Schätzfunktion oder Verteilung einer Teststatistik. Die Verteilung der Stichprobenfunktion dient der Gewinnung von Aussagen über unbekannte Parameter in der Grundgesamtheit aufgrund einer Stichprobe.

Die Stichprobenverteilung ist ein frequentistisches Konzept; das bayessche Pendant ist die A-posteriori-Verteilung.

Berechnung der Stichprobenverteilung Bearbeiten

Die Stichprobenverteilung für eine Stichprobenfunktion mit bestimmtem Stichprobenumfang aus einer endlichen Grundgesamtheit lässt sich stets berechnen (siehe die folgenden Beispiele), im Allgemeinen jedoch ist man eher an generellen Formeln mit z. B. unbestimmtem Stichprobenumfang   interessiert. Wichtige Hilfsmittel sind dabei folgende Aussagen:

  • Reproduktivität der Normalverteilung: Sind die Stichprobenvariablen   voneinander unabhängig und normalverteilt ( ), dann ist auch   normalverteilt ( ).
  • Zentraler Grenzwertsatz: Sind die Stichprobenvariablen   voneinander unabhängig und existieren für sie die Erwartungswerte   und  , ist   für großes   approximativ normalverteilt ( ).

Bootstrap-Stichprobenverteilungen Bearbeiten

Wenn eine hinreichend große Stichprobe repräsentativ für die Grundgesamtheit ist, kann die Stichprobenverteilung für eine beliebige Stichprobenfunktion nichtparametrisch mit Hilfe des Bootstrap-Verfahrens geschätzt werden, ohne dass die Verteilung der   bekannt sein muss. Jedoch muss allgemein mathematisch gezeigt werden, dass die Bootstrap-Stichprobenverteilungen mit steigender Zahl der Bootstrap-Stichproben gegen die wahre Stichprobenverteilung konvergiert.

Beispiele Bearbeiten

Beispiel 1 Bearbeiten

Gegeben sei eine Urne mit sieben Kugeln mit den Aufschriften 10, 11, 11, 12, 12, 12 und 16. Wenn man zwei Kugeln mit Zurücklegen zieht, zeigt die folgende Tabelle alle möglichen Stichproben aus der Grundgesamtheit:

10 11 11 12 12 12 16
10 10;10 10;11 10;11 10;12 10;12 10;12 10;16
11 11;10 11;11 11;11 11;12 11;12 11;12 11;16
11 11;10 11;11 11;11 11;12 11;12 11;12 11;16
12 12;10 12;11 12;11 12;12 12;12 12;12 12;16
12 12;10 12;11 12;11 12;12 12;12 12;12 12;16
12 12;10 12;11 12;11 12;12 12;12 12;12 12;16
16 16;10 16;11 16;11 16;12 16;12 16;12 16;16

Jede der möglichen Stichproben tritt mit der Wahrscheinlichkeit von   auf. Berechnet man nun den Stichprobenmittelwert   aus den zwei Kugeln, so ergibt sich:

  10 11 11 12 12 12 16
10 10,0 10,5 10,5 11,0 11,0 11,0 13,0
11 10,5 11,0 11,0 11,5 11,5 11,5 13,5
11 10,5 11,0 11,0 11,5 11,5 11,5 13,5
12 11,0 11,5 11,5 12,0 12,0 12,0 14,0
12 11,0 11,5 11,5 12,0 12,0 12,0 14,0
12 11,0 11,5 11,5 12,0 12,0 12,0 14,0
16 13,0 13,5 13,5 14,0 14,0 14,0 16,0

Fasst man die Ergebnisse von   entsprechend der Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Stichprobe zusammen, so erhält man die Stichprobenverteilung von  :

  10,0 10,5 11,0 11,5 12,0 13,0 13,5 14,0 16,0
  1/49 4/49 10/49 12/49 9/49 2/49 4/49 6/49 1/49

Ändert man die Art der Ziehung, von einer Ziehung mit Zurücklegen in eine Ziehung ohne Zurücklegen, so ergibt sich eine andere Verteilung für  . In den oberen Tabellen fällt dann die Hauptdiagonale weg, sodass es nur   mögliche Stichproben gibt. Daher ergibt sich dann folgende Verteilung für  :

  10,0 10,5 11,0 11,5 12,0 13,0 13,5 14,0 16,0
  0 4/42 8/42 12/42 6/42 2/42 4/42 6/42 0

Beispiel 2 Bearbeiten

In einer Urne sind fünf rote und vier blaue Kugeln. Es werden drei Kugeln ohne Zurücklegen aus dieser Urne gezogen. Definiert man die Stichprobenfunktion  : Zahl der roten Kugeln unter den drei gezogenen, ist   hypergeometrisch verteilt mit   als Zahl der roten Kugeln in der Urne,   als Gesamtzahl der Kugeln in der Urne und   als Zahl der Versuche. Hier können alle Informationen über die Verteilung von   gewonnen werden, weil sowohl das stochastische Modell (Ziehen aus einer Urne) als auch die zugehörigen Parameter (Anzahl der roten und blauen Kugeln) bekannt sind.

Beispiel 3 Bearbeiten

Ein Lebensmittelgroßmarkt bekommt eine Lieferung von 2000 Gläsern mit Pflaumenkompott. Problematisch sind in den Früchten verbliebene Kerne. Der Kunde toleriert einen Anteil von Gläsern mit Kernen von 5 %. Er möchte sich bei dieser Lieferung vergewissern, dass diese Quote nicht überschritten wird. Eine komplette Erhebung der Grundgesamtheit von 2000 Gläsern ist allerdings nicht durchführbar, denn 2000 Gläser zu kontrollieren ist zu aufwendig und außerdem zerstört das Öffnen eines Glases die Ware.

Allerdings könnte man eine kleine Zahl von Gläsern zufällig aussuchen, also eine Stichprobe nehmen, und die Zahl der zu beanstandenden Gläser zählen. Übersteigt diese Zahl eine bestimmte Grenze, den kritischen Wert der Prüfgröße, geht man davon aus, dass auch in der Lieferung zu viele zu beanstandende Gläser sind.

Eine mögliche Stichprobenfunktion ist  , wobei   eine Zufallsvariable bezeichnet, die nur die Werte 1 (Glas enthält Pflaumen mit Kern) oder 0 (Glas enthält keine Pflaumen mit Kern) annimmt.

Wenn die Zufallsvariablen   Bernoulli-verteilt sind, dann ist aufgrund des zentralen Grenzwertsatzes   approximativ normalverteilt.

Schätzfunktionen Bearbeiten

Grundgedanke und Konzept der Schätzfunktion Bearbeiten

Schätzfunktionen sind spezielle Stichprobenfunktionen, um Parameter oder Verteilungen der Grundgesamtheit zu bestimmen. Beeinflusst werden Schätzfunktionen unter anderem durch

Man möchte letztlich versuchen, ausschließlich anhand des Wissens um das zu Grunde liegende Modell und die beobachtete Stichprobe etwa Intervalle anzugeben, die mit größter Wahrscheinlichkeit den wahren Parameter enthalten. Alternativ möchte man auch bei einer bestimmten Fehlerwahrscheinlichkeit testen, ob eine spezielle Vermutung über den Parameter (zum Beispiel, dass zu viele Gläser Kerne enthalten) bestätigt werden kann. Schätzfunktionen bilden in diesem Sinne die Basis für jede begründete Entscheidung über die Ausprägungen der Grundgesamtheit, die bestmögliche Wahl solcher Funktionen ist das Ergebnis der mathematischen Untersuchung.

Trifft man auf dieser Basis eine Entscheidung, z. B. geht die Lieferung zurück, besteht die Möglichkeit, dass die Entscheidung falsch ist. Es gibt folgende Fehlerquellen:

  1. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit, d. h., sie spiegelt die Grundgesamtheit nicht wider.
  2. Das Modell für die Zufallsvariablen   ist falsch.
  3. Die Stichprobe könnte untypisch ausgefallen sein, so dass man die Lieferung fälschlicherweise ablehnt.

Dennoch besteht in der Praxis zumeist keine Alternative zu statistischen Verfahren dieser Art. Den zuvor genannten Problemen tritt man auf verschiedene Weisen entgegen:

  1. Man versucht möglichst eine einfache Zufallsstichprobe zu ziehen.
  2. Die Modelle für die Zufallsvariablen   werden zum einen möglichst groß gewählt (so dass das "richtige" Modell enthalten ist) und zum anderen wird die Schätzfunktion so gewählt, dass ihre Verteilung für viele Modelle berechenbar ist (siehe Zentraler Grenzwertsatz).
  3. Aufgrund der Schätzfunktion wird eine Irrtumswahrscheinlichkeit angegeben.

Formale Definition der Schätzfunktion Bearbeiten

Grundlage einer jeden Schätzfunktion sind die Beobachtungen   eines statistischen Merkmals  . Modelltheoretisch wird dieses Merkmal idealisiert: Man geht davon aus, dass es sich bei den Beobachtungen in Wahrheit um Realisierungen von Zufallsvariablen   handelt, deren „wahre“ Verteilung und „wahre“ Verteilungsparameter unbekannt sind.

Um Informationen über die tatsächlichen Eigenschaften des Merkmals zu erhalten, erhebt man eine Stichprobe von   Elementen. Mit Hilfe dieser Stichprobenelemente schätzt man dann die gesuchten Parameter bzw. die gesuchte Verteilung (siehe Kerndichteschätzung).

Um also beispielsweise einen Parameter   einer unbekannten Verteilung zu schätzen, hat man es formal mit einer Zufallsstichprobe vom Umfang   zu tun, es werden also   Realisierungen   ( ) der Zufallsvariablen   beobachtet. Die Zufallsvariablen   werden dann mittels einer Schätzmethode in einer geeigneten Schätzfunktion   zusammengefasst. Formal wird dabei vorausgesetzt, dass   eine messbare Funktion ist.

Zur Vereinfachung der Berechnung der Schätzfunktion wird oft vorausgesetzt, dass die Zufallsvariablen   unabhängig voneinander und identisch verteilt sind, also die gleiche Verteilung und die gleichen Verteilungsparameter besitzen.

Ausgewählte Schätzfunktionen Bearbeiten

In der statistischen Praxis wird oft nach den folgenden Parametern der Grundgesamtheit gesucht:

  • den Mittelwert   und
  • der Varianz   eines metrischen Merkmals sowie
  • dem Anteilswert   einer dichotomen Grundgesamtheit.

Schätzfunktionen und Schätzwert für den Mittelwert Bearbeiten

Der Erwartungswert   wird in der Regel mit dem arithmetischen Mittel der Stichprobe geschätzt:

Schätzfunktion Schätzwert
   

Ist die Verteilung symmetrisch, kann auch der Median der Stichprobe als Schätzwert für den Erwartungswert verwendet werden:

Schätzfunktion Schätzwert
   

wobei   die untere Gaußklammer bezeichnet. Der Median ist also der Wert derjenigen Zufallsvariable, die nach Sortierung der Daten "in der Mitte" liegt. Es befinden sich also zahlenmäßig genauso viele Werte oberhalb wie unterhalb des Median.

Welche Schätzfunktion im Falle symmetrischer Verteilungen besser ist, hängt von der betrachteten Verteilungsfamilie ab.

Schätzfunktionen und Schätzwert für die Varianz Bearbeiten

Für die Varianz der Grundgesamtheit   verwendet man als Schätzfunktion meist die korrigierte Stichprobenvarianz:

Schätzfunktion Schätzwert
   

Typische andere Vorfaktoren sind auch   und  . Alle diese Schätzer sind zwar asymptotisch äquivalent, werden aber je nach Art der Stichprobe unterschiedlich benutzt (siehe auch Stichprobenvarianz (Schätzfunktion)).

Schätzfunktionen und Schätzwert für den Anteilswert Bearbeiten

Man betrachtet hier das Urnenmodell mit zwei Sorten Kugeln. Es soll der Anteilswert der Kugeln erster Sorte in der Grundgesamtheit geschätzt werden. Als Schätzfunktion verwendet man den Anteil der Kugeln erster Sorte in der Stichprobe.

Schätzfunktion Schätzwert
   

mit  : Zahl der Kugeln erster Sorte in der Stichprobe und   eine binäre Zufallsvariable: Kugel der ersten Sorte in der  -ten Ziehung gezogen ( ) oder nicht gezogen ( ).

Die Verteilung von   ist eine Binomialverteilung im Modell mit Zurücklegen und eine hypergeometrische Verteilung im Modell ohne Zurücklegen.

Verteilung der Schätzfunktionen Bearbeiten

Die Verteilung der Schätzfunktionen hängt natürlich von der Verteilung des Merkmals in der Grundgesamtheit ab.

Seien   unabhängig und identisch normalverteilte Zufallsvariablen mit Erwartungswert   und Varianz  . Der Schätzer   (Stichprobenmittel) als lineare Transformation der   besitzt dann die Verteilung

 .

Der Varianzschätzer   enthält eine Quadratsumme von bezüglich   zentrierten normalverteilten Zufallsvariablen. Deshalb ist der Ausdruck

 

Chi-Quadrat-verteilt mit   Freiheitsgraden.

Ist die Verteilung des Merkmals unbekannt, kann bei Vorliegen der Voraussetzung des zentralen Grenzwertsatzes die Verteilung der Schätzfunktion näherungsweise mit der Normalverteilung oder einer ihrer abgeleiteten Verteilungen angegeben werden.

Gütekriterien von Schätzfunktionen Bearbeiten

 
Wahrscheinlichkeitsdichten für die konsistenten Schätzfunktionen   ( ). Mit steigendem Stichprobenumfang wird der unbekannte Parameter   immer genauer geschätzt.

Erwartungstreue Bearbeiten

Eine erwartungstreue Schätzfunktion ist im Mittel (Erwartungswert) gleich dem wahren Parameter  :

 .

Weicht   hingegen systematisch von   ab, ist der Schätzer verzerrt (englisch biased). Die Verzerrung eines Schätzers   errechnet sich dabei zu

 .

Für eine lediglich asymptotisch erwartungstreue Schätzfunktion dagegen muss nur gelten:

 

Konsistenz Bearbeiten

Eine Schätzfunktion heißt konsistent, wenn für jedes   (Infinitesimalzahl) gilt:

 .

mit  . Man spricht hier von stochastischer Konvergenz.

Die Grafik illustriert den Prozess: Für jedes   müssen die ausgefüllten Flächen mit steigendem Stichprobenumfang immer kleiner werden.

Mit einfachen Worten: Eine konsistente Schätzfunktion nähert sich mit wachsendem   immer mehr dem wahren Parameter   an (schätzt den wahren Parameter immer genauer).

Konsistente Schätzfunktionen müssen daher mindestens asymptotisch erwartungstreu (s. o.) sein.

Diese Eigenschaft ist grundlegend für die gesamte induktive Statistik; sie garantiert, dass eine Erhöhung des Stichprobenumfangs genauere Schätzungen, kleinere Konfidenzintervalle oder kleinere Annahmebereiche der   in Hypothesentests ermöglicht.

Minimale Varianz, Effizienz Bearbeiten

Die Schätzfunktion soll eine möglichst kleine Varianz haben. Die Schätzfunktion   aus allen erwartungstreuen Schätzfunktionen  , welche die kleinste Varianz hat, wird dabei als effiziente, beste oder wirksamste Schätzfunktion bezeichnet:

 .

Unter bestimmten Bedingungen kann durch die Cramér-Rao-Ungleichung auch eine untere Grenze für   angegeben werden. Das heißt, für eine Schätzfunktion kann gezeigt werden, dass es keine effizienteren Schätzfunktionen geben kann; höchstens noch genauso effiziente Schätzfunktionen.

Mittlerer quadratischer Fehler Bearbeiten

Die Genauigkeit einer Schätzfunktion bzw. eines Schätzers wird oft durch seinen mittleren quadratischen Fehler (englisch mean squared error) ausgedrückt. Eine (dabei nicht notwendigerweise auch erwartungstreue) Schätzfunktion sollte daher stets einen möglichst kleinen mittleren quadratischen Fehler aufweisen, der sich rechnerisch als Erwartungswert der quadratischen Abweichung des Schätzers   vom wahren Parameter   bestimmen lässt:

 

Wie zu sehen, ist der mittlere quadratische Fehler eines nicht erwartungstreuen Schätzers die Summe seiner Varianz und des Quadrats der Bias (Verzerrung); für erwartungstreue Schätzer dagegen sind Varianz und MSE gleich groß.

Literatur Bearbeiten

  • Bol'shev, Login Nikolaevich (2001) [1994], "Statistical estimator", Encyclopedia of Mathematics, EMS Press.
  • Jaynes, E. T. (2007), Probability Theory: The logic of science (5 ed.), Cambridge University Press, ISBN 978-0-521-59271-0.
  • Kosorok, Michael (2008). Introduction to Empirical Processes and Semiparametric Inference. Springer Series in Statistics. Springer. doi:10.1007/978-0-387-74978-5. ISBN 978-0-387-74978-5.
  • Lehmann, E. L.; Casella, G. (1998). Theory of Point Estimation (2nd ed.). Springer. ISBN 0-387-98502-6.
  • Shao, Jun (1998), Mathematical Statistics, Springer, ISBN 0-387-98674-X

Weblinks Bearbeiten

  • Volker Schmidt: Methoden der Statistik aus dem Vorlesungsskript Stochastik für Informatiker, Physiker, Chemiker und Wirtschaftswissenschaftler
Wikibooks: Statistik – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Leonhard Held und Daniel Sabanés Bové: Applied Statistical Inference: Likelihood and Bayes. Springer Heidelberg New York Dordrecht London (2014). ISBN 978-3-642-37886-7, S. 52.