Sputnik-Virus

Art der Gattung Sputnikvirus
Sputnik-Virus

Sputnik-Virophage

Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Varidnaviria[1]
Reich: Bamfordvirae[1]
Phylum: Preplasmiviricota[1]
Klasse: Maveriviricetes[1]
Ordnung: Priklausovirales[1]
Familie: Lavidaviridae
Gattung: Sputnikvirus
Art: Mimivirus-dependent virus Sputnik
Taxonomische Merkmale
Genom: dsDNA zirkulär
Baltimore: Gruppe 1
Symmetrie: ikosaedrisch
Hülle: keine
Wissenschaftlicher Name
Mimivirus-dependent virus Sputnik
Links

Das Sputnik-Virus (auch Sputnik-Virophage, wissenschaftlich Mimivirus-dependent virus Sputnik) ist eine Spezies von Viren der Familie Lavidaviridae, das sich in der Amöbe Acanthamoeba castellanii nur in Gegenwart eines weiteren Virus aus der Gattung Mimivirus vermehren kann. Es wurde 2008 als begleitendes Virus entdeckt und für ihn als möglichen Vertreter einer mutmaßlich neuen Gruppe von Erregern, die Bezeichnung „Virophage“ vorgeschlagen. Tatsächlich vermehrt sich das Sputnik-Virus jedoch nicht im Virion (Viruspartikel) des Mimivirus, sondern nutzt den durch das Mimivirus umgestalteten Proteinsyntheseapparat der Zelle (Viroplasma) und ist von den Replikationsenzymen des Mimivirus abhängig. Damit ist es in seinem Vermehrungsverhalten dem Hepatitis-D-Virus (Virusoid) und den Adeno-assoziierten Viren (Gattung Dependovirus) bei tierischen Viren und den Satellitenviren bei einigen Pflanzenviren sehr ähnlich. Sputnik ist nicht in der Lage, sich in der fiberlosen Variante M4 von Mimivirus zu vermehren.[2][3]

Schemazeichnung: Virion der Gattung Sputnikvirus

Ein verwandter Virophage namens Zamilon (wissenschaftlich Mimivirus-dependent virus Zamilon, gleiche Virusgattung) befällt einen anderen Vertreter der Mimiviridae.[4]

Genom Bearbeiten

 
Genomkarte von Sputnik-Virus 1.
 
Genomkarte von „Sputnik 3“.[5]

Das Genom in der Gattung Sputnikvirus besteht aus einer doppelsträngigen DNA, die ringförmig geschlossen ist. Bei Sputnik1 ist das Genom 18.343 bp groß (beim Sputnik2-Isolat Rio Negro 18.145nbsp;bp, bei Sputnik318.338 bp) und zeichnet sich ähnlich dem der Mimiviren durch einen sehr geringen GC-Gehalt von 27 % aus. Das Genom enthält 21 mögliche Offene Leserahmen (ORFs), die sich zum Teil überlappen. Durch Vergleich der aus ihnen ableitbaren Proteinsequenzen mit bekannten Proteinen, konnte bei einigen Genprodukten eine wahrscheinliche, homologe Sekundärstruktur und damit eine mögliche Funktion abgeleitet werden. Im Viruspartikel (Virion) des Sputnik-Virus sind drei Proteine mittels Polyacrylamid-Gelelektrophorese als Strukturproteine identifiziert, die nach MALDI-TOF-Daten den ORFs 8, 19 und 20 zugeordnet werden konnten. Die Proteinsequenzen aus ORF 6 und 12 haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Proteinen des Acanthamoeba-polyphaga-Mimivirus APMV (MIMI R196 und MIMI R546). Die Gensequenzen des Sputnik-Virus setzen sich somit neben bislang unbekannten viralen Sequenzen aus zwei weiteren Anteilen zusammen, die einerseits dem Mimivirus-Genom und andererseits bekannten Sequenzen aus Viren ähneln, die Archaeen oder Bakterien zum Wirt haben. Während der Replikation der Sputnik-Virus-DNA kann es zu Genaustauschen mit dem APMV kommen.

ORF Aminosäuren mögliche Funktion Protein-Homologe
ORF 1 144 unbekannt unbekannt
ORF 2 114 unbekannt unbekannt
ORF 3 245 DNA-Verpackung RecA-Superfamilie ATPasen (54 %)
ORF 4 139 Transkriptions-Regulation? Zinkfingerproteine
ORF 5 119 unbekannt unbekannt
ORF 6 310 Protein-Protein-Interaktion im Viroplasma? Tripel-Helix-Proteine, MIMI R196 (53 %)
ORF 7 236 Protein-Protein-Interaktion im Viroplasma? Tripel-Helix-Proteine, TNF-assoziiertes Protein 5 (27 %)
ORF 8 184 Strukturprotein, Kapsid unbekannt
ORF 9 175 unbekannt unbekannt
ORF 10 226 DNA-Integrase Integrase-Familie bei Bakteriophagen (27 %), Tyr-Rekombinase
ORF 11 162 unbekannt unbekannt
ORF 12 152 unbekannt MIMI R546 (64 %)
ORF 13 779 DNA-Replikation (virale DNA-Polymerase) DNA-Primase, Helikase
ORF 14 114 Transkriptions-Regulation? Zinkfingerproteine
ORF 15 109 Membranprotein? keine
ORF 16 130 unbekannt unbekannt
ORF 17 88 DNA-Bindeprotein IS3-Superfamilie Transposasen
ORF 18 167 unbekannt unbekannt
ORF 19 218 Strukturproteine, Kapsid unbekannt
ORF 20 595 Strukturproteine, Haupt-Kapsidprotein unbekannt
ORF 21 438 unbekannt unbekannt

Interessanterweise wurde 2018 eine Gen-Homologe von Sputnik und Zamilon mit dem Orpheovirus gefunden.[6]

Morphologie Bearbeiten

Die Virionen des Sputnik-Virus sind etwa 50 nm im Durchmesser groß und bestehen aus einem unbehüllten, ikosaedrischen Kapsid. Das Kapsid wird wahrscheinlich ausschließlich von einem 595 Aminosäuren großen Kapsidprotein gebildet (ORF 20); zwei weitere Strukturproteine (ORF 8 und 19) finden sich nur jeweils einmal im Virion. In infizierten Amöben findet man dicht gedrängte Aggregate von Sputnik-Kapsiden im Bereich des Viroplasmas. Da das Virus die Verpackung und Morphogenese des APMV beeinträchtigt, können mitverpackte Sputnik-Viren im Inneren von deformierten, defekten APMV-Virionen gefunden werden.

Biologische Bedeutung Bearbeiten

Das Sputnik-Virus ist ein erstes Beispiel für eine abhängige Vermehrung und einen genetischen Austausch zwischen zwei marinen Virusarten. Dies war bisher nur bei Pflanzenviren, Bakteriophagen und animalen Viren (Virusoiden) beschrieben worden. Obwohl bekannt ist, dass Viren (insbesondere Bakteriophagen) als Femto- bzw. Virioplankton die größte Biomasse und wahrscheinlich die artenreichste Gruppe in den Ozeanen und anderen Gewässern darstellen[9], sind sie in ihrem ökologischen und genetischen Zusammenhang nur wenig erforscht. Das neu entdeckte Mimivirus und ihm ähnliche genetische Elemente sind in marinen Ökosystemen regelmäßig nachweisbar.[10] Da die taxonomische und phylogenetische Stellung des Mimivirus selbst noch unklar ist, gilt dies auch für das Verhältnis von Mimivirus zu Sputnik-Virus. Große Genabschnitte des Mimivirus sind bakteriellen Genen (Plasmid-ähnlich) und eukaryotischen Genen der parasitierten Alge sehr ähnlich, was auf einem horizontalen Gentransfer zwischen Virus und Wirt sowie auf einen möglichen bakteriellen Ursprung der Evolution des Mimivirus beruhen könnte.[11] Davon ausgehend kann postuliert werden, dass das Sputnik-Virus ein ursprünglicher Bakteriophage jenes Ursprungsbakteriums darstellen würde, aus dem sich das Mimivirus durch Verlust eines eigenen Syntheseapparates entwickelte.

Systematik Bearbeiten

Neben Sputnik 1 weitere (vorgeschlagene) Vertreter dieser Gattung gefunden. Damit:

  • Gattung Sputnikvirus
  • Spezies Sputnik-Virus 1 (offiziell Mimivirus-dependent virus Sputtnik) – infiziert „Acanthamoeba castellanii mamavirus“ aus der Gattung Mimivirus (Megamimivirinae-Gruppe A)
  • Spezies „Sputnik-Virus 2“ – gefunden 2012, infiziert das Lentille-Virus („Lentille virus“), ebenfalls aus der Gattung Mimivirus (Megamimivirinae-Gruppe A)[4][12]
 
TEM-Aufnahmen (Negative) von „Sputnik 3“-Virionen. Balken 200 nm.[5]
  • Spezies „Sputnik-Virus 3“ – gefunden 2013, kann das Mimivirus (Typusspezies APMV) infizieren, das aber nicht der natürliche Wirt ist.[5][4][13]
  • Spezies Zamilon-Virus (offiziell Mimivirus-dependent virus Zamilon) mit Zamilon 1 (2013, Tunesien) und Zamilon 2 (2015, Nordamerika)

Literatur Bearbeiten

  • B. La Scola et al.: The virophage as a unique parasite of the giant mimivirus. In: Nature, 2008, 455(7209), S. 100–104; PMID 18690211
  • H. Ogata H, J. M. Claverie: Microbiology. How to infect a Mimivirus. In: Science, 2008 Sep 5, 321(5894), S. 1305–1306; PMID 18772426

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e ICTV: ICTV Master Species List 2019.v1, New MSL including all taxa updates since the 2018b release, March 2020 (MSL #35)
  2. Thomas Klose, Dominik A. Herbst, Hanyu Zhu, Joann P. Max, Hilkka I. Kenttämaa, Michael G. Rossmann: A Mimivirus Enzyme that Participates in Viral Entry, in: Structure Band 23, Nr. 6, 2. Juni 2015, S. 1058–1065, doi:10.1016/j.str.2015.03.023
  3. a b c Morgan Gaia et al.: Zamilon, a Novel Virophage with Mimiviridae Host Specificity. In: PLoS One, Band 9, Nr. 4, 2014, S. e94923; Epub 18. April 2014, doi:10.1371/journal.pone.0094923, PMC 3991649 (freier Volltext)
  4. a b c d e f Morgan Gaia, Isabelle Pagnier, Angélique Campocasso, Ghislain Fournous, Didier Raoult, Bernard La Scola: Broad spectrum of mimiviridae virophage allows its isolation using a mimivirus reporter. In: PLoS One, 8, 2013, S. e61912; doi:10.1371/journal.pone.0061912 PMC 3626643 (freier Volltext)
  5. Julien Andreani, Jacques Y. B. Khalil, Emeline Baptiste, Issam Hasni, Caroline Michelle, Didier Raoult, Anthony Levasseur, Bernard La Scola: Orpheovirus IHUMI-LCC2: A New Virus among the Giant Viruses, in: Front. Microbiol., 22. Januar 2018, doi:10.3389/fmicb.2017.02643
  6. S. Duponchel, M. G. Fischer: Viva lavidaviruses! Five features of virophages that parasitize giant DNA viruses. In: PLoS pathogens, 15(3), 2019. doi:10.1371/journal.ppat.1007592.
  7. a b c d Said Mougari, Dehia Sahmi-Bounsiar, Anthony Levasseur, Philippe Colson, Bernard La Scola: Virophages of Giant Viruses: An Update at Eleven. In: Viruses, Band 11, Nr. 8, Reihe Viruses of Plants, Fungi and Protozoa , 8. August 2019, S. 733, doi:10.3390/v11080733.
  8. K. E. Wommack, R. R. Colwell: Virioplankton: viruses in aquatic ecosystems. In: Microbiology and Molecular Biology Reviews, 2000, 64,1, S. 69–114; PMID 10704475, PMC 98987 (freier Volltext)
  9. A. Monier, J. M. Claverie, H. Ogata: Taxonomic distribution of large DNA viruses in the sea. In: Genome Biol., 2008, 9(7), S. R106; PMID 18598358
  10. D. Moreira, C. Brochier-Armanet: Giant viruses, giant chimeras: the multiple evolutionary histories of Mimivirus genes. In: BMC Evol Biol., 2008, 8, S. 12; PMID 18205905
  11. Ed Yong: A Parasite’s Parasites, in: The Scientist, 15. Oktober 2012
  12. Clara Rolland, Julien Andreani, Amina Cherif Louazani, Sarah Aherfi, Rania Francis, Rodrigo Rodrigues, Ludmila Santos Silva, Dehia Sahmi, Said Mougari, Nisrine Chelkha, Meriem Bekliz, Lorena Silva, Felipe Assis, Fábio Dornas, Jacques Yaacoub Bou Khalil, Isabelle Pagnier, Christelle Desnues, Anthony Levasseur, Philippe Colson, Jônatas Abrahão, Bernard La Scola: Discovery and Further Studies on Giant Viruses at the IHU Mediterranee Infection That Modified the Perception of the Virosphere. In: Viruses, 11(4), März/April 2019, pii: E312, doi:10.3390/v11040312, PMC 6520786 (freier Volltext), PMID 30935049